Zehn Jahre vermisst: Kriminalfall ohne Leiche

Von nachrichten.at/apa   10.August 2017

Salzburger Kriminalisten gehen davon aus, dass der wohlhabende Pensionist im Auftrag seiner damaligen Geliebten ermordet wurde. Die Frau saß zwar wegen Betrugs im Gefängnis, doch zu einer Mordanklage kam es nie. Trotz handfester Verdachtspunkte fehlt bis heute eine Leiche.

"Die Indizienkette gegen die Verdächtige ist nahezu geschlossen. Für uns ist der Fall aber abgeschlossen", sagt Herbert Hanetseder. Am 1. November geht der 62-jährige Chefermittler im Landeskriminalamt Salzburg in Pension. Gemeinsam mit seinem Kollegen Gerhard Ebner hat er sich über Jahre mit dem Verschwinden Heislers beschäftigt. Und für ihn bestehen kaum Zweifel, dass der frühere Wiener Juwelier gewaltsam zu Tode kam. Zwölf Ordner umfassen die Akten zur Causa in Hanetseders Büroschrank. Es sind Dokumente akribischer Polizeiarbeit, die zugleich einen schlimmen Verdacht begründen.

Im Oktober 2007 wird der in Zell am See lebende Pensionist abgängig gemeldet - zunächst ein Vermisstenfall unter vielen. Als die Ermittler herausfinden, dass Heisler seiner damaligen Freundin wenige Monate zuvor 100.000 Euro für den Kauf eines Porsches übergeben hat, sie den Sportwagen aber nie kaufte, werden sie stutzig. "Ausgangsdelikt für uns war ein Betrug. Aber je länger wir am Fall gearbeitet haben, desto mehr Unstimmigkeiten gab es."

Kurz nach dem Tod seiner Gattin schaut sich Heisler im Herbst 2006 im Internet nach einer Frau um. Nach einer kurzen Beziehung mit einer Kubanerin, lernt er im Jänner 2007 auf einer Online-Plattform eine Deutsche kennen. Die heute 64-Jährige aus der Nähe von Coburg (Bayern) stellt sich als Baronin vor, strenggenommen gilt sie nach einer Heirat mit einem Freiherrn aber als Freifrau. Die Frau gibt vor, Immobilienmaklerin mit hohem Verdienst zu sein. Dass sie gerade zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, weil sie als Betreiberin einer Hausverwaltungsfirma Geld abgezweigt haben soll, verschweigt sie.

Im Mai 2007 kommt es zum ersten Treffen. Nur wenige Wochen später teilt Heisler seiner Haushälterin mit, die Baronin habe ihn auf einen Urlaub eingeladen. "Er hat aber nicht gewusst, wohin es geht. Sie hat das geheim gehalten", erzählt Haneteseder. Am Nachmittag des 10. August brechen die beiden aus Zell am See zu der Reise auf. Auf der bayerischen Autobahn blitzt ein Radar das Auto Heislers. Der Pensionist sitzt am Lenkrad, die Baronin neben ihm. "Es ist das letzte Foto, das wir von ihm haben." Um 21.55 Uhr besteigen die beiden ein Flugzeug nach Johannesburg.

Dann, nur zwei Tage nach ihrer Ankunft in Südafrika, fliegt die Frau alleine zurück. Wieder in Zell am See plündert sie mit zuvor herausgelockten Blanko-Unterschriften die Konten von Heisler und leert dessen Villa und Tresor. Die teure Limousine des Pensionisten meldet sie in Deutschland auf sich an. Als die Haushälterin feststellt, dass ein teures Gemälde fehlt, erklärt die Baronin, Heisler habe das Bild verkauft. Der Schwägerin des Vermissten berichtet sie von einer Generalvollmacht, sie werde den Besitz erben. Wer nach dem Pensionisten fragt, erfährt wahlweise, er sei gerade nicht da oder er habe sich wegen pädophiler Neigungen ins Ausland abgesetzt.

Um den Vorwurf zu untermauern, deponiert die Frau Kinderunterhosen und Fotos nackter Kinder in einem Safe der Villa. "Es ist uns aber gelungen zu belegen, dass sie die Unterhosen selbst in Saalfelden gekauft hat", berichtet Hanetseder. Zu diesem Zeitpunkt vermuten die Ermittler, dass Heisler vielleicht auf dem Grundstück der Frau in Deutschland verscharrt wurde. Ein Bagger steht für die Suche bereit, da tauchen plötzlich die Kreditkarten-Abrechnungen aus Südafrika auf.

Im Mai 2008 wird die Deutsche - sie war zu DDR-Zeiten im Staatssicherheitsdienst in mittlerer Funktion tätig - in Coburg festgenommen. Bei einer Hausdurchsuchung stößt die Polizei auf Schmuck, Diamanten und Gemälde im Wert von 835.000 Euro - vieles nachweislich aus dem Besitz des Vermissten. Dazu finden die Ermittler die Brieftasche Heislers, seine Brille, seinen Führerschein, seine Schlüssel und einen Zettel mit der Kombination für den Tresor.

Bei der Vernehmung erzählt die Baronin von Anfang an nur Lügen. Sie sagt, Heisler habe sich nach Kuba abgesetzt, weil er seine Ex-Freundin geschwängert hat. Dann bringt sie die Kinderporno-Vorwürfe aufs Tapet. Sie sagt, er schicke ihr Lebenszeichen aus Chile, legt fingierte E-Mails vor. "Den Südafrika-Flug hat sie mit keinem Wort erwähnt. Als wir sie dann mit den Fakten konfrontiert haben, hat sie nichts mehr gesagt", sagt Hanetseder. Er habe die Verdächtige als sehr kalt, gefühllos und skrupellos kennengelernt.

Während in Salzburg Anklage wegen Diebstahls und Betrugs erhoben wird, läuft in Coburg ein Verfahren wegen Verdachts eines Tötungsdelikts. Der Ehemann der Frau erzählt, dass sie eines Tages mit einem Haufen Schmuck aufgetaucht sei und eine Erbschaft erwähnt habe. "Der Mann war dermaßen enttäuscht, dass er von seiner Frau so hintergangen wurde, dass er sich sechs Tage nach der Verhaftung erschossen hat", berichtet Hanetseder.

Später wird bekannt, dass es bereits bei einer Südafrika-Reise des Ehepaars im Jänner 2007 zu einem mysteriösen Vorfall kam. Die Frau hatte ihren Gatten auf offener Straße aussteigen lassen, war davon gefahren und meldete ihren Mann dann als abgängig. Der Freiherr wurde von Unbekannten bewusstlos geschlagen und erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma, kam aber mit dem Leben davon. Im Hotelzimmer des Paars sei es später zu einem dubiosen Zwischenfall mit einem Fläschchen Säure gekommen, bei der sich der Mann die Augen verätzte. "Das sind Geschichten, die man aufklären müsste. Weil möglicherweise damals schon ein Mordanschlag auf den Baron vorlag."

Während die deutschen Kollegen nur über Rechtshilfeersuchen in Südafrika ermitteln, genehmigt das Innenministerium den beiden Salzburger Ermittlern eine Dienstreise nach Johannesburg, um die Spur des Vermissten zu verfolgen. In Pathologien und gerichtsmedizinischen Instituten sichten sie unzählige Fotos unbekannter Leichen. Eine Sisyphus-Arbeit: Allein im Jahr 2007 gab es 17.500 Morde in Südafrika. "Das Problem war, dass es über 100 Institute gab, die damals nicht vernetzt waren."

Die Kriminalisten stellen fest, dass die Verdächtige am Abend des 12. Augusts mit ihrem Handy in einer Gegend eingeloggt war, die sogar Polizisten nur ungern betreten. Und dort ein SMS unbekannten Inhalts erhielt. "Wir gehen davon aus, dass Heisler da noch lebte und sie ihn dort an jemanden übergeben hat. Wir nehmen nicht an, dass sie in selbst umgebracht hat." Am nächsten Tag folgte eine zweite SMS - offenbar die Bestätigung, dass der Auftrag erfüllt wurde. Unmittelbar danach flog die Frau zurück nach Europa.

Hanetseder hält es für möglich, dass die Leiche Heislers in Salzsäure aufgelöst oder den Krokodilen vorgeworfen wurde. "Wo immer er geblieben ist, wir wissen es nicht. Ich weiß aber von den Kollegen aus Südafrika, dass ein Mord teilweise schon um 100 Euro kaufbar ist."

2009 wird die Frau in Salzburg wegen Betrugs und Einbruchdiebstahls zu fast vier Jahren Haft verurteilt, die zweite Instanz erhöht die Strafe später auf fünf Jahre und zehn Monate Haft. Im April 2012 wird die Baronin bedingt entlassen. Die Mordermittlungen der bayerischen Justiz werden 2013 mangels Beweisen ruhend gestellt, weil eine Leiche fehlte. Obwohl Heisler im Jahr 2013 für tot erklärt wurde, führt ihn das Bundeskriminalamt in Wien immer noch unter den Vermisstenfällen. Zwar sind Fingerabdrücke, Zahnschema und DNA-Profil in Datenbanken gespeichert, dass irgendwann einmal der Zufall zur Lösung des Falls beiträgt, glaubt Hanetseder nicht. "Man muss damit leben, dass es Fälle gibt, die sich nicht aufklären lassen."