Wenn Muslime in Hochzeiten aber nicht in Bildung investieren

Von Valentina Dirmaier   16.Juli 2016

Herr Professor Aslan, Sie betonen in Ihren Reden immer  wieder, dass der Islam in Österreich sehr von der Türkei und von Saudi Arabien aus geprägt und beeinflusst wird. Wie kann das unterbunden werden?

Indem wir die Imame an eigenen Fakultäten in Österreich ausbilden. Im Moment haben wir die Situation, nicht nur in Österreich, sondern in ganz Europa, dass wir es mit fremden Strukturen aus Arabien und Persien zu tun haben, jedoch fehlt eine europäische Struktur.

Diese Strukturen aus dem Ausland, aus dem Nahen Osten, fördern häufig fundamentalistische Ansätze. Solche salafistischen Bewegungen sind auch hier in Brüssel sehr häufig angesiedelt. Warum war es überhaupt möglich, dass sich so eine extreme Auslegung des Glaubens hier in Europa so manifestiert?

Salafistische Bewegungen arbeiten seit den 80er Jahren sehr aktiv hier in Brüssel. Das war immer ein Mekka der Salafisten. Auch aus Österreich und Frankreich sind sie hierhergekommen, um Predigten zu hören. Oder ein anderes Beispiel: Saudische Stiftungen haben Lehrerinnen und Imame massiv unterstützt.

Warum war und ist das möglich?

Weil man den Islam bis zu den Anschlägen am 11. September 2001 immer als ausländische Angelegenheit angesehen hat.  Und nun bekommen wir die Rechnung präsentiert, von dem, was wir bisher vernachlässigt haben und eine besondere, neue Entwicklung seit der Einführung des Islamgesetzes in Österreich.

Welche?

Imame aus dem Ausland kommen über Belgien in die Europäische Union und reisen dann weiter, beispielsweise nach Österreich. Das hat Konsequenzen für unsere Gesellschaft und die muslimische Community. Wenn das weiterhin passiert, wird es uns nicht gelingen, die Religion aus dem eigenen Kontext zu formen.

Das bedeutet, dass dieses Problem nicht nur auf nationaler, sondern auf EU-Ebene angegangen werden muss.

Ja, das ist eine  Selbstverständlichkeit. Wir müssen in vielen Bereichen zusammenarbeiten, denn die Anschläge in Frankreich haben etwas mit Belgien zutun und auch bei den Anschlägen in Istanbul kürzlich haben einige mit Österreich zu tun, weil sie Salafisten aus Tschetschenien sind. Auf diese Herausforderung können wir alleine nicht reagieren.

Haben Sie persönlich Angst vor solchen Extremisten?

Ehrlich gesagt nicht. Aber ich spüre eine gewisse Unsicherheit. Und wenn wir diese Herausforderung nicht bewältigen, riskieren wir die Zukunft unserer Gesellschaft, des Islam und der Demokratie.

Im vergangenen Jahr sind enorm viele Flüchtlinge nach Österreich marschiert. Die meisten von ihnen sind Muslime. Kann die Integration dieser Menschen tatsächlich funktionieren. Und wie?

Es kann nur gelingen, wenn wir Strukturen haben, die den Menschen, die zu uns kommen, Europa und seine Werte attraktiv erscheinen lassen. Wichtig ist auch, dass die Flüchtlinge nicht die Muslime, die schon lange hier leben, unter Druck zu setzen.

Wie meinen Sie das?

Nun, viele der Geflüchteten haben eine bestimmte Vorstellung von ihrer Religiosität und eine aufgeklärte Gesellschaft überhaupt nicht berücksichtigen. Wir dürfen sie nicht nur verunglimpfen, aber wir müssen daran arbeiten. Mir macht primär nicht Sorgen, dass die Menschen zu uns kommen, sondern, dass notwendige Strukturen in Österreich fehlen.

Kümmern sich Kulturvereine genug um die Zugewanderten? Müssten sie mehr in die Pflicht genommen werden?

Es geht nicht darum, diese Menschen, die zugewandert sind, zu missionieren. Aber wenn ihnen bestimmte gesellschaftliche Qualitäten fehlen, dann wird ihnen die Religion wenig helfen. Denn die Gesellschaft besteht nicht nur aus Religion.

Sie haben zu diesem Thema hier in Brüssel auch Ihre neue Studie zum Thema „Muslime in Österreich und Islam europäischer Prägung“ präsentiert.  Wie kann die in diesem bereits erwähnten und von ihnen vehement geforderten Umstrukturierungsprozess helfen?

Die Studie hat gezeigt, in welchem Sekularisierungsprozess wir uns befinden und welche Religiosität wir in einer aufgeklärten Gesellschaft erleben. Auf der anderen Seite können wir nun auch besser auf die Risiken hinweisen, die von radikalen Islamisten ausgehen, denn diese können eine Gesellschaft spalten. Diese religiösen Auslegungen können mit Demokratie nicht vereinbart werden. Darauf muss auch die Politik hinweisen.

Wer ist in diesen Angelegenheiten gefragt. Die Bildungsministerin?

Ja auch. Aber wir sind besser beraten, wenn wir das Thema zur Aufgabe der Gesellschaft machen, weil das Problem viel größer ist.  Bei den Schulen haben wir generell das Problem, dass viele als Aufbewahrungsanstalten agieren. Besonders in Wien, aber auch in Oberösterreich. Viele Lehrer klagen, dass sie keinen normalen Unterricht mehr machen können. Wir müssen die Lehrer auf diese Herausforderungen vorbereiten, damit sie auch wieder gerne unterrichten.

Warum haben Schulen diese Probleme?

Weil muslimische Familien Schulen oft geringschätzen. Stellen Sie sich mal vor, viele Familien wollen oder können nicht das nötige Geld für einen Schulausflug aufbringen, andererseits schicken sie ihre Kinder in den Ferien auf eine Koranschule oder geben viele tausend Euro für eine Hochzeit aus. Diese Probleme müssen offen mit den Eltern und Lehrern angesprochen werden.

 

Uniprofessor Ednan Aslan darüber, wie die Integration von Flüchtlingen aus muslimischen Ländern funktionieren kann:

Professor Aslan über die neue Studie „Muslime in Österreich und Islam europäischer Prägung“:

Über die salafistischen Bewegungen in Brüssel und die Auswirkungen auf Österreich:

„Herr Professor Aslan, haben Sie Angst vor diesen ultrakonservativen Muslimen?“:

 

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