Ute Bock - eine Kämpferin ist 70

Von nachrichten.at/bk   27.Juni 2012

Von Beruf Erzieherin wurde Ute Bock durch ihren Einsatz für Asylwerber und Flüchtlinge bekannt, so auch mit dem von ihr in Wien gegründeten Verein „Flüchtlingsprojekt Ute Bock“, der Asylwerber mit Wohnraum, Kleidung, Kursen und der Vermittlung von juristischer und medizinischer Hilfe unterstützt. In Oberösterreich ist Bock auch vielen durch das Timelkamer  Benefizfestival „Bock Ma’s“ ein Begriff.

Feiern wolle sie ihren Geburtstag eher nicht, sagt sie dem ORF. Doch für die, die dennoch feiern wollen, hat sie einen Tipp: Am Freitag wird in der Zohmanngasse in Wien-Favoriten ein Flüchtlingsheim offiziell eröffnet.

Das Leben einer Kämpferin der Menschlichkeit

Nach der Matura bewarb Ute Bock sich auf Wunsch ihres Vaters bei der Gemeinde Wien um eine Stelle, wo die Arbeitsplätze als sicher galten. Ohne weitere Ausbildung wurde ihr als einzige Möglichkeit die Arbeit als Erzieherin angeboten. Von 1962 bis 1969 war sie im städtischen Heim in Biedermannsdorf tätig, danach wechselte sie als „Heimmutter“ in das Gesellenheim Zohmanngasse im 10. Wiener Gemeindebezirk.

1976 wurde sie Leiterin des Heimes, das zunehmend als „letzte Station für schwierige Fälle“ galt. Mit Beginn der 1990er-Jahre schickte das Jugendamt vermehrt ausländische Jugendliche, anfangs Flüchtlinge der Jugoslawienkriege, später auch aus Afrika, in das Heim in der Zohmanngasse. Häufig waren das Jugendliche, die keine Bundesbetreuung, also keine staatliche Unterstützung erhielten. Bock bemühte sich, ihnen Deutschkurse, Gelegenheitsjobs und Schlafplätze auch außerhalb des überfüllten Heimes zu vermitteln. Damit einher ging ihr zunehmendes Engagement für Asylwerber.

Verhaftung wegen Bandenbildung

Im Herbst 1999, wenige Tage vor der Nationalratswahl in Österreich, wurde von der Polizei im Rahmen der umstrittenen „Operation Spring“ im Haus in der Zohmanngasse eine Razzia durchgeführt. Etwa 30 Jugendliche afrikanischer Herkunft wurden wegen des Verdachts von Drogenhandel festgenommen und Bock wegen Bandenbildung und Drogenhandels angezeigt und für einige Zeit vom Dienst suspendiert. Die Anklage wurde später fallengelassen, allerdings wurde ihr verboten, weiter afrikanische Asylwerber in der Zohmanngasse unterzubringen.

Bock auf Bier

Im Jahr 2000 ging Bock in Pension und kümmerte sich von da an ständig um das von ihr initiierte Projekt „Flüchtlingsprojekt Ute Bock“. Mit 21. Mai 2002 wurde der Ute Bock Verein – Wohn- und Integrationsprojekt gegründet. Das Selbstverständnis des Vereines basiert auf vier Grundsätzen: Er ist konfessionell und parteipolitisch unabhängig, will die Rechte und Kompetenzen von Flüchtlingen stärken, tritt für die Bekämpfung aller Formen von Rassismus und Diskriminierung ein und bietet seinen Klienten einen einfachen Zugang zu Hilfsleistungen. Bald entstanden rund um den Verein verschiedene Initiativen, um Spenden zu lukrieren. 2003 gab es in 70 Wiener Lokalen die Aktion „Bock auf Bier“ (2007 als „Bock auf Bier reloaded“ wiederholt), bei der ein Aufschlag von 10 Cent auf den Bierpreis zweckgebunden an den Verein ging. Ebenfalls 2003 fand erstmals die seither jährlich wiederholte Veranstaltungsreihe „Bock auf Kultur“ mit zahlreichen Benefizkonzerten und -lesungen und weiteren Aktionen bekannter Kulturschaffender statt. In Oberösterreich veranstaltete der Kulturverein Sozialforum Freiwerk über mehrere Jahre das Benefiz-Kulturfestival „Bock Ma's“.

Ute Bock – die Netzwerkerin

Unterstützt von einem Netzwerk überwiegend ehrenamtlicher Helfer organisierte Bock nun private Wohngemeinschaften und Familienwohnungen, die sie mit Hilfe von Spenden und aus eigener Tasche finanzierte und betreute. In ihrem Wohnprojekt stellte sie bald rund 100 Wohnungen für über 300 Menschen aus mehr als 20 Ländern bereit, die, ohne Unterstützung von staatlicher Seite, obdachlos wären. Zum Konzept gehört, den Bewohnern „das Gefühl zu vermitteln, nach einer oft langen Zeit der Flucht und Unterbringung in Flüchtlingslagern und -heimen wieder in eigenen vier Wänden leben zu können“, betont sie. Weitere rund 1000 obdachlose Asylwerber haben im Rahmen eines Post- und Meldeservices ihre Zustelladresse, eine Voraussetzung etwa für den Schriftverkehr mit Behördenstellen, beim Verein Ute Bock. Daneben hilft der Verein, auch in Kooperation mit NGOs, juristische Beratungen für die Flüchtlinge zu organisieren, betreibt eine kostenlose Kleidungsausgabe und vermittelt im Rahmen eines Bildungsprogramms verschiedene Kurse (Deutsch, Alphabetisierung, Informationskompetenz usw.).

Rettung des Vereins

2005 bekam der Verein, gefördert vom Fonds Soziales Wien des Magistrats der Stadt Wien, erstmals ein eigenes Büro. Mit Unterstützung auch mehrerer Unternehmen, die als Sponsoren Sachspenden bereitstellten, wurde Anfang 2006 ein Beratungszentrum in der Großen Sperlgasse im 2. Wiener Gemeindebezirk eingerichtet. 2008 stand Bocks Verein finanziell vor dem Aus, wurde aber von dem Unternehmer Hans Peter Haselsteiner substantiell unterstützt. Haselsteiner kaufte über seine Privatstiftung Concordia auch 2011 das Gebäude des ehemaligen Gesellenheimes in der Zohmanngasse von der Stadt Wien und finanzierte Renovierung und Umbau, um es Bocks Verein als Wohnheim zur Verfügung zu stellen. Im Mai 2012 bezog der Verein das Haus mit Wohnraum für rund 70 Flüchtlinge und Platz für Beratungseinrichtungen, wo nun auch Bock in einer kleinen Wohnung lebt.

Filmproduktionen

Das Leben von Ute Bock ist auch in zwei Filmproduktionen dokumentiert. Der österreichische Filmemacher Houchang Allahyari hat sie zusammen mit seinem Sohn Tom-Dariusch Allahyari in den Jahren 2008 und 2009 mit der Kamera bei der täglichen Arbeit begleitet. Der Dokumentarfilm „Bock for President“ wurde bei den Studierendenprotesten im Winter 2009 im besetzten Audimax der Universität Wien als Vorpremiere erstmals gezeigt. Die offizielle Premiere fand dann etwas später im Rahmen der Viennale im Künstlerhaus-Kino statt.

2010 widmete Houchang Allahyari sich erneut mit einem Filmprojekt dem Leben Ute Bocks. In dem Spielfilm Die verrückte Welt der Ute Bock wirken unter anderem Josef Hader, Karl Markovics, Viktor Gernot, Andreas Vitasek, Julia Stemberger, Dolores Schmidinger, Peter Kern und Alexander Pschill mit. Gezeigt werden die Arbeit Bocks, die auch als sie selbst darin zu sehen ist, und die Geschichten von Menschen mit denen sie dabei zusammentrifft, von den Flüchtlingen, die sich selbst spielen, bis zu den Polizisten.