Keine Lehre mehr für Asylwerber? EU-Richtlinie könnte Verordnung kippen

07.Dezember 2018

Das Bundesgericht argumentiert mit der EU-Aufnahmerichtlinie, die besagt, dass Asylwerbern spätestens neun Monate, nachdem sie ihren Antrag gestellt haben (wenn über diesen noch nicht entschieden worden ist), "ein effektiver Zugang zum Arbeitsmarkt" zu gewähren ist.

In einem Urteil vom 25. Juni schreiben die Richter, dass die Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes, aufgrund denen einem Asylwerber vom AMS keine Beschäftigungsbewilligung erteilt wurde, "nicht anzuwenden ist, weil sie geltendem EU-Recht widerspricht". Das AMS bekämpfte dss Urteil nicht. Es ist rechtskräftig.

Wie kann es sein, dass eine Richtlinie aus Brüssel österreichisches Recht außer Kraft setzt? "Wenn eine Richtlinie hinreichend konkret formuliert ist, ist diese Bestimmung vorrangig vor entgegenstehendem innerstaatlichen Recht anzuwenden", erläutert JKU-Europarechtsinstitutsvorstand Franz Leidenmühler. Nachsatz: "Aus Sicht des EU-Rechts sind das völlig korrekte und vorbildhafte Urteile gewesen."

Strittig sei dann nur noch, was die einzelnen Staaten unter einem "effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt" verstehen. "Die Lehre für junge Asylwerber pauschal zu verbieten ist aber jedenfalls kein effektiver Zugang zum Arbeitsmarkt", argumentiert Leidenmühler. "Die derzeitige Regelung scheint unionsrechtswidrig zu sein", sagt Integrationslandesrat Rudi Anschober (Grüne).

Angesichts der in den vergangenen Monaten gehäuften Fälle von Abschiebungen von Asylwerbern in Lehre sagt Anschober: "Es versteht doch niemand, dass bestens integrierte Menschen ohne Rücksicht – vielleicht noch in ein ihnen fremdes bzw. kriegsgeschütteltes Land – abgeschoben werden."

EU-Kommission prüft Umsetzung

Derzeit prüft die EU-Kommission die Umsetzung der Aufnahmerichtlinie in den Mitgliedsstaaten. Ein Ergebnis dieser Prüfung steht noch aus. "Es wäre für mich sehr überraschend, wenn die Kommission feststellen würde, dass diese Richtlinie von Österreich ausreichend umgesetzt wurde. Denn Asylverfahren dauern aktuell vielfach länger als neun Monate, und ein Arbeitsmarktzugang ist nach der Abschaffung des Zugangs für Asylwerber zu Lehrlingsmangelstellen praktisch nicht mehr gegeben", sagt Anschober. (hip)