Kaiserkult im Palais – wer bietet mehr ?

Von Martin Dunst   20.April 2013

Ein Sisi-Portrait von Franz Xaver Winterhalter, glänzende Orden, goldene Manschettenknöpfe des Kaisers, selbst eine Haarlocke des Langzeitherrschers über Österreich-Ungarn kommt am Donnerstag, 25. April bei der Kaiserhaus-Auktion im Palais Dorotheum in Wien unter den Hammer.

Der Auktionator muss nicht befürchten, dass er auf Bildern, Schmuck, royalen Alltags- und Gebrauchsgegenständen sitzen bleiben wird. Der Kaiser-Kult lebt. Das Interesse an Kaiserin Sisi ist nach wie vor enorm. Manche Stücke, ob Büste oder Trinkbecher, werden um bis das Zehnfache ihres Ausrufepreises an Käufer, Sammler und Liebhaber in die ganze Welt gehen. Was für die einen unter den Begriff Ramsch fallen würde, hat für andere den Wert einer Reliquie.

Im Vorjahr ging eine Reit-Unterhose von Kaiser Franz Joseph I. um satte 6.000 Euro weg. Begonnen hatte der Bieterreigen bei 1.000 Euro. Nach abgelegter Unterwäsche eines Otto-Normalbürgers würde kein Hahn krähen, geschweige denn irgendjemand Geld bezahlen. Doch bei den alten Habsburgern gelten andere Gesetze – obwohl Historiker alle verklärte Nostalgie längst entzaubert haben, der glänzende Lack aus der vermeintlich guten alten Kaiserzeit längst abgeblättert sein müsste.

„Die Sissi-Filme mit Romy Schneider, Musicals, neue Bücher halten das Interesse hoch“, sagt Dorotheum-Kaiserhaus-Experte Georg Ludwigstorff. Vor allem Japaner, Chinesen, Amerikaner, Süddeutsche und Norditaliener seien neben den Österreichern an den Habsburger-Hausratsgegenständen interessiert. Dazu kommt, dass diese Stücke rar werden, viele Habseligkeiten in Museen ausgestellt sind. „Der Markt wird immer kleiner und enger, die Preise für gewisse Objekte steigen massiv.“

Wer gibt nun mehrere tausend Euro für ein Teeservice des Kaisers oder ein Mini-Portrait von Kaiserin Elisabeth aus, ersteigert einen Orden zum Preis einer Nobelkarosse? „Die Kunden sind nicht unbedingt Monarchisten, sondern historisch interessierte Personen, Sammler, oder Vertreter von Museen“, sagt Ludwigstorff. Es gebe darüber hinaus Bieter, die infiziert seien von den Sissi-Filmen „und die Kaiser und Kaiserin beinahe wie Popstars verehren.“ Eine Haarlocke seiner Majestät Franz Joseph I. ist für solch eingefleischte Fans wohl das Nonplusultra. Versteigert wird des Herrschers Haarpracht zusammen mit einem Portrait seines Leibkammerdieners Eugen Ketterl aus dessen Nachlass das hochwohlgeborene Haupthaar stammt.

Ein Blick durchs Schlüsselloch

Der Hofbedienstete Ketterl verfasste nach dem Tod des Monarchen seine Memoiren mit dem Titel. „Der alte Kaiser wie nur einer ihn sah“. Leicht glorifizierend, wie es seiner Stellung geziemt, aber mit witzigen Zwischentönen, schildert Ketterl den Alltag bei Hof und die Gepflogenheiten des Herrschers. Zu seinem Personal soll der Kaiser stets respektvoll und nachsichtig gewesen sein. Da war es auch nicht weiter tragisch, dass Ketterl bei der ersten Begegnung mit seinem künftigen Dienstherrn hochgradig nervös war Er schreibt: In meiner maßlosen Erregung streckte ich dem Kaiser die Hand entgegen. Den Regenten schien dieser Fauxpas zu amüsieren und er schüttelte, entgegen der Etikette, die ihm dargeboten Hand kräftig.

Ketterl schildert seinen Herrn als Frühaufsteher, der täglich um 3.30 Uhr geweckt werden wollte und sich zu allererst nach dem Wetter erkundigte. Modernes Gerät, wie ein Wasserklosett oder ein Telefon, billigte der Kaiser – wenn überhaupt – dann nur widerwillig. Franz Joseph trug gerne Uniform, legte auf zivile Kleidung keinen Wert. „Was den Anzug anlangt, so muss ich schon tun, was der Ketterl sagt, der versteht mehr als ich, was zusammenpasst“, hat der Kaiser einst zu seiner Freundin Katharina Schratt gesagt.

„Franz Joseph war sicher kein Sonnenkönig, der auf Prunk Wert gelegt hat. Er lebte relativ einfach und bescheiden“, bestätigt Ludwigstorff. Einen gewissen Kult um seine Person dürfte er dennoch schon zu Lebzeiten gepflegt haben. Die Versteigerungen persönlicher Gegenstände aus dem Hause Habsburg sind keine neuzeitliche Marotte. Solche Auktionen gab es bereits zu Lebzeiten des Kaisers.

So ist es zu erklären, wie Leibkammerdiener Eugen Ketterl ganz legal an goldene Manschettenknöpfe seines Herrn oder eben besagte Locke gekommen ist. Er versah diese Wertgegenstände mit Echtheitszertifikaten, brachte sie unters Volk, konnte auf diese Weise sein Einkommen aufbessern. In seinem Buch schreibt der Leibkammerdiener: Trotz seiner Sparsamkeit trug jedoch Franz Joseph niemals reparierte Sachen. Die ausgemusterten Wäschestücke wurden mit einem Stempel versehen. Um Weihnachten herum gab es immer eine große Auktion, und nicht nur Socken und Hemden, auch Bürsten, Kämme, Schwämme, Seifenreste und sogar des Kaisers alte Zahnbürsten fanden reißenden Absatz.

Ketterl berichtet über Anekdoten und Hoppalas genauso wie über die kleinen Schwächen des Regenten, zum Beispiel das Rauchen, seine Beziehung zur Kaiserin, Dienstreisen, Audienzen und Essgewohnheiten.

Als Franz Joseph 1916 stirbt, hat sein Leibkammerdiener das Gefühl „von einem Verwandten Abschied nehmen zu müssen.“

Der Schauplatz der aktuellen Kaiserhaus-Versteigerung, das Palais Dorotheum in der Wiener Innenstadt, ist selbst eng mit der Person Franz Joseph verbunden. Der Kaiser hatte den Neubau im ersten Wiener Bezirk in Auftrag gegeben und eröffnete ihn persönlich im Jahr 1901. Verabschiedet hat er sich wohl mit seinem Standardsatz: „Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut!“