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71 tote Flüchtlinge: Mordanklage gegen Schlepper

Von nachrichten.at/apa, 04. Mai 2017, 13:34 Uhr
In diesem Lkw wurden die Leichen von 71 Flüchtlingen gefunden.  Bild: APA/ROLAND SCHLAGER

KECSKEMET. Fast zwei Jahre nach dem Flüchtlingsdrama auf der Ostautobahn (A4) im Burgenland mit 71 Toten wird gegen die elf Schlepper Anklage wegen Mordes und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung erhoben.

Ungarn macht elf Schleppern den Prozess Nach dem schrecklichen Erstickungstod von 71 Flüchtlingen, deren Leichen 2015 in einem an der Ostautobahn (A4) bei Parndorf abgestellten Kühl-Lkw entdeckt worden sind, wird elf Schleppern in Ungarn der Prozess gemacht. Die Oberstaatsanwaltschaft des Komitats Bacs-Kiskun hat am Donnerstag Anklage wegen "qualifizierten Mordes" und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung erhoben. 

Das Verfahren wird im Juni am Gerichtshof Kecskemet beginnen. Mit einem Urteil ist erst Ende des Jahres zu rechnen, sagte Gerichtssprecherin Anett Petroczy. Die Medienkonferenz des Gerichts fand im Anschluss an die Veröffentlichung der Anklage durch Oberstaatsanwalt Laszlo Nanasi statt. Chef der Schlepperbande ist laut Anklage ein 30-jähriger Afghane, der nicht nur die Gelder kassierte, sondern gemeinsam mit einem 31-jährigen Bulgaren und einem 51-jährigen bulgarisch-libanesischen Staatsangehörigen von Februar bis August 2015 die Fahrten organisierte. 

Seit Juni 2015 schleppten sie verstärkt Flüchtlinge von Serbien über Ungarn nach Österreich bzw. Deutschland. 31 solcher Fahrten konnte die Staatsanwaltschaft in Ungarn nachweisen. Auf diese Weise wurden mehr als 1.200 Menschen nach Westeuropa geschleppt, während die Bande insgesamt 300.000 Euro kassierte. Meist verwendeten sie Lieferwagen, die für den Personentransport völlig ungeeignet waren, "geschlossen, dunkel und luftlos", beschrieb es die Staatsanwaltschaft. Die Flüchtlinge waren "unter überfüllten, unmenschlichen und qualvollen Umständen gereist". Es gab Fahrten, wo an die 100 Menschen in ein Fahrzeug gepfercht wurden. Begleitet wurden die Schleppungen von sogenannten "Vorläuferwagen". 

Staatsanwaltschaft rekonstruierte die Fahrt

Wie dramatisch die Fahrt am 26. August 2015 nach Österreich war, zeigt die Rekonstruktion der ungarischen Staatsanwaltschaft. Um 5.00 Uhr wurden die 71 Flüchtlinge - 59 Männer, acht Frauen und vier Kinder - bei Morahalom an der serbisch-ungarischen Grenze in den Kühl-Lkw gepfercht. Die Menschen sollten über mehrere ungarische Autobahnen nach Österreich geschleust werden. Das Schwerfahrzeug, das aus Kecskemet stammt, wurde von einem 25-jährigen Bulgaren gefahren, begleitet von einem 38-jährigen Landsmann, der in einem "Vorläuferwagen" voraus fuhr. 

Bereits nach einer halben Stunde Fahrt machten die in den Lkw gepferchten Flüchtlinge lauthals darauf aufmerksam, dass sie keine Luft mehr bekamen. Sie klopften und hämmerten gegen die Wände und schrien verzweifelt. Das hörten die beiden Bulgaren, berichteten dem afghanischen Chef telefonisch darüber, doch der wies sie an, weder den Wagen zu stoppen noch die Türen zu öffnen. Die 71 Menschen erstickten qualvoll in dem Lkw noch auf ungarischem Staatsgebiet. Innerhalb von drei Stunden waren alle Flüchtlinge tot, wie die Staatsanwaltschaft ausführte. Als die beiden Bulgaren die österreichische Grenze überfuhren, stellten sie den Kühlwagen auf der A4 bei Parndorf ab und flüchteten mit dem Vorläuferwagen nach Ungarn. 

Nächste Fahrt nur einen Tag später

Obwohl alle 71 Flüchtlinge bei der Fahrt ums Leben kamen, organisierte die Schlepperbande nur einen Tag später ohne Skrupel eine weitere Fahrt mit Migranten in einem Kühllastwagen. Wieder waren 67 Menschen ohne Luftzufuhr in dem Wagen eingepfercht. Nur durch viel Glück überlebten die Flüchtlinge die Fahrt, weil sie die Tür des Laderaums mit den Füßen auftraten. 

Neun mutmaßliche Schlepper - ein Bulgare wurde erst vor kurzem festgenommen - warten in der Untersuchungshaft auf den Prozessbeginn im Juni. Gegen zwei weitere Bandenmitglieder wurde Anklage in Abwesenheit erhoben. Gegen vier Angeklagte, die an der tödlichen Schleppung beteiligt waren, wurde eine lebenslange Zuchthausstrafe beantragt, der Antrag gegen die anderen Beschuldigten umfasste eine befristete Zuchthausstrafe sowie die Abschiebung aus Ungarn. Für den Prozess sind laut Gericht Kecskemet 30 Verhandlungstage anberaumt. Im Juni sind zunächst sechs Verhandlungstage geplant. Im Juli und August werden an drei weiteren Verhandlungstagen Zeugen aussagen. Im September kommen beim Prozess die Sachverständigen zu Wort. Ein genauer Prozesstermin wurde bei der Pressekonferenz des Gerichts nicht genannt.

284 Zeugen bei Verhandlung am Wort 

Bei dem Prozess gegen die mutmaßlichen Schlepper im A4-Flüchtlingsdrama, der in Kecskemet für 30 Verhandlungstage anberaumt ist, werden 284 Zeugen befragt. Zudem werden 15 Sachverständige ihre Expertise abgeben, berichtete die ungarische Nachrichtenagentur MTI.

Die Chronologie des Falles: 

27. August 2015 - In einem in einer Pannenbucht der A4 bei Parndorf im Burgenland abgestellten Kühl-Lkw werden 71 Leichen gefunden. Die geschleppten Flüchtlinge waren in dem luftdicht abgeschlossenen Laderaum am Vortag auf ungarischem Staatsgebiet erstickt. Unter den Toten sind vier Kinder. 

28. August 2015 - Die Behörden geben die noch am Vortag erfolgte Festnahme von vier Männern in Ungarn bekannt. Es handelt sich um drei Bulgaren und einen Afghanen mit ungarischer Identitätskarte. 

29. August 2015 - Die vier Verdächtigen werden in der ungarischen Stadt Kecskemet in Untersuchungshaft genommen. In der folgenden Nacht wird in Ungarn ein fünfter Verdächtiger festgenommen. Es handelt sich um einen weiteren Bulgaren. Unter den Beschuldigten befindet sich der Fahrer des Lkw. Die österreichischen Behörden gehen davon aus, dass Ungarn die Tatverdächtigen ausliefern wird. 

4. September 2015 - Der damalige Landespolizeidirektor und nunmehrige Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) gibt bekannt, dass die erstickten Flüchtlinge aus Syrien, dem Irak und Afghanistan kamen. Außerdem berichtet er, dass es 81 Menschen ebenfalls am 27. August gelungen sei, sich in der Nähe von Parndorf aus einem Lkw und einer lebensbedrohlichen Situation zu befreien. Für die Schleppung sei dieselbe Tätergruppe verantwortlich wie im Fall der erstickten Flüchtlinge.

11. September 2015 - Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt gibt unter Berufung auf ein Gutachten bekannt, dass die 71 Flüchtlinge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bereits auf ungarischem Staatsgebiet gestorben sind. 

8. Oktober 2015 - Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt teilt mit, dass sie das Strafverfahren an die ungarischen Behörden abtreten möchte. Diese prüfen den Antrag und stimmen vier Wochen später zu. 

26. November 2015 - Burgenlands Landespolizeidirektor Doskozil gibt in Eisenstadt bekannt, dass 70 der 71 Flüchtlinge identifiziert worden sind. 21 stammten aus Afghanistan, 29 aus dem Irak, 15 aus Syrien und fünf aus dem Iran. 

12. Oktober 2016 - Die ungarische Polizei gibt bekannt, dass die Ermittlungen vor dem Abschluss stehen. Acht Beschuldigte befinden sich in U-Haft, gegen drei weitere Verdächtige wurden internationale Haftbefehle erlassen.

7. April 2017 - Die Polizei in Ungarn gibt den Abschluss der Ermittlungen bekannt. Weiterhin befinden sich acht Männer in U-Haft, ein weiterer Verdächtiger wird gesucht. Die Staatsanwaltschaft hat nun maximal 60 Tage Zeit, um über eine Anklageerhebung zu entscheiden. 

4. Mai 2017 - Die Oberstaatsanwaltschaft des ungarischen Komitats Bacs-Kiskun gibt bekannt, dass gegen elf Verdächtige aus Afghanistan, Bulgarien und dem Libanon Anklage wegen Mordes und Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung erhoben wurde. Neun Beschuldigte befinden sich in Untersuchungshaft, gegen zwei weitere Männer wird in Abwesenheit Anklage erhoben.

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8  Kommentare
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Superheld (13.120 Kommentare)
am 04.05.2017 14:45

Bis zu diesem schrecklichen Vorfall wurde in unserem Rechtssystem die Schlepper mehr oder weniger verschont, erst danach wurde beim Gesetz nachgeschärft.

In in der Presse und speziell bei rot-grünen Ansprachen konnte man oft von sogenannten Fluchthelfern lesen.

Heute denken viele hoffentlich anders über diese grausame Industrie, welche Flüchtlingen mit dem Wecken falscher Hoffnungen das letzte Geld aus der Tasche zieht.

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pepone (60.622 Kommentare)
am 04.05.2017 15:13

Superheld

Richtig ..

aber diese Schlepperindustrie gibt es schon VIELE Jahren und wird mehr oder weniger auch solange schon von der Politik " geduldet ", sowohl von der Westliche als Ausländische Politik !

und eines sollten wir NICHT vergessen :
die Gauner sind IMMER SCHNELLER als die Anderen ...IMMER !

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jamei (25.498 Kommentare)
am 04.05.2017 18:09

...es hat sich nur verlagert - vom Ersticken zum Ertrinken...

vom Pizza-Auto zum Gummiboot mMn.

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dachbodenhexe (5.667 Kommentare)
am 04.05.2017 14:34

Den Menschen muß vor Ort geholfen werden, dann sparen sie sich die gefährliche Flucht und sie können auch in dem Land bleiben das ihrer Kultur entspricht also Hilfe zur Selbsthilfe.
Dies würde nur positive Aspekte für die (Wirtschafts)-Flüchtlinge haben. Negative jedoch für die Flüchtlingsindustrie also alle die daran Geld verdienen oder für anderweitig strategisch agierenden Organisationen und Menschen.

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pepone (60.622 Kommentare)
am 04.05.2017 15:08

dachbodenhexe

du schreibst mir aus der Seele ..
genau so " wäre " es richtig wenn VOR Ort geholfen wird.

aber wie ich schon oft geschrieben habe , VIELE Staaten der Welt halten ihre Versprechungen NICHT ein da sie die Summen für Entwicklungshilfe NICHT spenden traurig
ganz zum Gegenteil sie verscharren die EU subventionierte Überproduktion auf die Märkte und ruinieren dort ALLES ! traurig

Heute bekam ich die Broschüre vom Entwicklungshilfeklub an denen ich seit Jahren regelmäßig spende. Da wird minutiös aufgeführt WOFÜR sie das gespendete Geld ausgeben .
das ergibt Sinn und macht Freude . zwinkern

https://entwicklungshilfeklub.at/service/kontakt/

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keinLehrer (928 Kommentare)
am 04.05.2017 14:05

Wann werden in Österreich die staatlichen Schlepper (Politiker) von 2015/16 angeklagt. Ach die werden doch einen Orden bekommen.

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jago (57.723 Kommentare)
am 04.05.2017 14:43

Ein Sicherheitsventil zulöten, damit es nicht mehr so lästig pfeift grinsen

Um Himmels Willen, und ich Idiot zerreiß mich für die Demokratie traurig

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honkey (13.643 Kommentare)
am 04.05.2017 14:02

Traurig! Und nach wie vor floriert die Schlepperei!

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