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Die "Mutter der Pille" ist ein Mann

Von Sabine Novak und Clemens Thaler, 10. Juni 2015, 00:04 Uhr
Die "Mutter der Pille" ist ein Mann
Die Pille verhalf dazu, dass Fortpflanzung und Sex getrennt wurden. Bild: dpa-Zentralbild/Jörg Lange

Carl Djerassi: Der österreichisch-amerikanische Chemiker erzeugte 1951 erstmals Hormone im Labor, die als Verhütungsmittel eingesetzt wurden. In Österreich wurde die Pille 1962 zugelassen.

  • Der österreichisch-amerikanische Chemiker Carl Djerassi erzeugte 1951 erstmals Hormone im Labor, die als Verhütungsmittel eingesetzt wurden.
  • In Österreich wurde die Pille 1962 zugelassen.

Die "Mutter der Pille" ist ein Mann

 

In seiner Autobiografie schreibt der in Wien geborene Chemiker Carl Djerassi: "Ich bin die Mutter der Pille." 1951 synthetisierte er das Schwangerschaftshormon Gestagen und schuf damit die Grundlage für das Verhütungsmittel. Er entwickelte die Pille zusammen mit den Bostoner Pharmakologen Gregory Pincus und John Rock. Der chemische Erfinder des weltweit verbreiteten Verhütungsmittels starb im Jänner des heurigen Jahres 91-jährig in San Francisco an einem Krebsleiden.

"Pille nicht gegen Kinder"

In Österreich wurde die Pille 1962 zugelassen. So konnten die Frauen erstmals selbst bestimmen, wann und wie viele Kinder sie bekommen wollten – eine sexuelle Befreiung. "Die Pille ist nicht gegen Kinder, sondern für erwünschte Kinder. Fortpflanzung und Sex wurden getrennt. Es hat die Machtverhältnisse verändert. Früher war es der Mann, der gesagt hat, ob man heiratet, wann und wo man Geschlechtsverkehr hat", sagte Djerassi im OÖN-Interview.

Immer mehr Frauen schluckten das Verhütungsmittel, was Anfang der 1970er-Jahre zum sogenannten Pillenknick führte. Die Zahl der Geburten brach deutlich ein. Weltweit wird das Dragee mittlerweile von mehr als 100 Millionen Frauen eingenommen.

"Die Pille war ein Produkt ihrer Zeit, es war genau der richtige Zeitpunkt. Ohne Hippiekultur, Drugs, Rock’n’Roll und den Anfang der feministischen Bewegung wäre sie undenkbar. All das hat mit sexueller Freiheit, die manche Promiskuität nennen würden, zu tun", so der Chemiker. Anders als die Pillen der ersten Generation, die noch ein hoch dosierter Hormon-Cocktail waren, sind die heutigen Präparate wesentlich niedriger dosiert. Ohne Nebenwirkungen ist die Pille aber nach wie vor nicht.

Die Pille gilt als eines der sichersten Verhütungsmittel. Der Pearl-Index der Methodensicherheit (bei idealer Anwendung) liegt bei 0,3, was bedeutet, dass von 1000 Frauen, die sie ein Jahr lang schlucken, etwa drei schwanger werden. 

„Ich hasse das Wort Anti-Baby-Pille“
»Geistig fühle ich mich so fit wie ein 45-Jähriger«: Carl Djerassi im Gespräch mit OÖNachrichten-Redakteur Clemens Thaler. Bild: Wakolbinger

Interview

"Ich hasse das Wort Anti-Baby-Pille"

Im März 2012 war Djerassi bei einem Symposium in Gmunden zu Gast. OÖN-Redakteur Clemens Thaler führte mit dem damals 88-Jährigen ein Exklusiv-Interview:

  1. Herr Professor, vor 60 Jahren haben Sie den Grundstein zur Erfindung der Anti-Baby-Pille gelegt. Würden Sie sie noch einmal erfinden?

    Ja. Nennen Sie mir einen Grund, warum man das nicht tun sollte? Allerdings hasse ich den Ausdruck Anti-Baby-Pille, den es nur auf Deutsch gibt. Die Pille ist nicht gegen Kinder, sondern für erwünschte Kinder. Fortpflanzung und Sex wurden getrennt. Ohne Verhütung hätten wir jetzt in katholischen Familien nicht durchschnittlich nur 1,5 Kinder.
  2. Sie haben oft betont, am meisten hat Sie überrascht, wie schnell die Frauen die Pille akzeptiert und angenommen haben. Warum?

    Weil das Konzept so revolutionär war. Es hat die Machtverhältnisse verändert. Früher war es der Mann, der gesagt hat, ob man heiratet, der vorschlägt, wann und wo man Geschlechtsverkehr hat. Nun hatte, was Sex und Fortpflanzung betrifft, es zum ersten Mal die Frau in der Hand. Sie konnte entscheiden. Das war vielleicht das Wichtigste von allem.
  3. Thema des Symposiums in Gmunden ist „Das neue Alt“, die tiefgreifenden Veränderungen durch die demografische Entwicklung und den technologischen Fortschritt. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen?

    Es gibt eine Trennung zwischen geriatrischen und pädiatrischen Ländern. Österreich zum Beispiel ist geriatrisch, bald sind 20 Prozent der Einwohner älter als 65 Jahre. In Japan werden in 40 Jahren 40 Prozent älter als 65 sein. Auch in Österreich gibt es diese Tendenz. Mit einer Ausnahme: die Immigration. Nehmen wir das Beispiel Bulgarien: Dort haben wir die gleiche Anzahl Kinder, durchschnittlich 1,5, doch bald werden dort 35 Prozent über 65-Jährige sein. Denn die gut Ausgebildeten und Feschen emigrieren, weil Bulgarien ein armes Land ist.
  4. Sie sind 88 Jahre alt, sind noch immer sehr aktiv und reisen um die Welt. Sind Sie selbst der Prototyp des neuen „Alten“?

    Teilweise schon. Wahrscheinlich habe ich auch gute Gene. Wichtig ist, dass man nicht nur körperlich aktiv bleibt, sondern vor allem geistig. Das sieht man auch bei Dirigenten, die oft einen Tag vor ihrem Tod noch dirigierten. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, halte ich mich für 45. Durch die neuen Technologien und Medien ist es sogar einfacher geworden, aktiv zu bleiben – man kann zu Hause arbeiten.
  5. Sie werden von den einen für den Verfall der Moral verantwortlich gemacht, oder als Mann gefeiert, der Frauen unkomplizierten Sex ermöglicht hat. Schmeichelt Ihnen beides?

    Weder schmeicheln noch beleidigen. Das ist für mich nicht relevant. Die Pille war ein Produkt ihrer Zeit, es war genau der richtige Zeitpunkt. Wäre die Pille 15 Jahre später erfunden worden, würde es sie heute nicht geben. Ohne Hippiekultur, Drugs, Rock ’n’ Roll und den Anfang der feministischen Bewegung wäre sie undenkbar. Alle haben mit sexueller Freiheit, die manche Promiskuität nennen würden, zu tun. Die Angst vor der ungewollten Schwangerschaft bedeutete Kontrolle.
  6. In einem Interview haben Sie gemeint, am Ende werden Verhütungsmittel unnötig sein, weil sich Menschen Spermien und Eier in einer Bank auf Eis legen können und sich anschließend sterilisieren. Sind wir schon auf dem Weg dahin?

    Qualitativ sind wir schon auf dem Weg dahin, quantitativ noch nicht. Als junge Frau würde ich mir meine Eier im Alter von 22 bis 25 Jahren einfrieren lassen – als Versicherung. Die meisten gebildeten Frauen bekommen jetzt mit 30 Jahren oder älter Kinder. Mit 35 sind aber 90 Prozent ihrer Eier verloren. Österreich, Deutschland und Italien sind die konservativsten Länder in Europa, was In-vitro-Fertilisation betrifft. Dadurch fördert man nur In-vitro-Tourismus. Wer es sich leisten kann, der fliegt jetzt mit „Niki“ nach Belgien und lässt es dort machen. Und bestimmt Zeitpunkt und Auswahl von Eizelle und Spermium. Ich halte die präimplantive genetische Diagnose, um Krankheiten wie Morbus Down auszuschließen, für intelligenter als die Fruchtwasser-Untersuchung, wo die Frau im Nachhinein entscheidet, ob sie abtreibt oder nicht.
Die "Mutter der Pille" ist ein Mann
Bild: APA

Zahlen und Fakten

Zahlen und Fakten
 

  • 1957: Das erste Präparat wurde in Amerika als Mittel gegen Menstruationsbeschwerden verkauft. Die amerikanische Frauenrechtlerin Katharine McCormic hatte rund zwei Millionen Dollar aus ihrem Vermögen für die Entwicklung der Pille ausgegeben.
     
  • 1960: Am 23. Juni erfolgte dann die offizielle Zulassung als Verhütungsmittel und am 18. August kam in Amerika „Enovid“ als erste Antibabypille auf den Markt. Damit erfüllte sich Sigmund Freuds Traum, Geschlechtstrieb und Fortpflanzung voneinander zu trennen.
     
  • 1961: Die Pille gab es nun ab 1. Juni auch in Deutschland und ein Jahr später wurde sie in Österreich zugelassen.
     
  • 1968: In seiner Enzyklika Humanae vitae vom 25. Juli vertrat Papst Paul VI. die Meinung, „dass jeder einzelne eheliche Akt nur dann sittlich ist, wenn er für die Weitergabe des Lebens offen bleibt“.
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1  Kommentar
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Gugelbua (31.935 Kommentare)
am 10.06.2015 09:02

Die Pille war der und ist der Schlüssel zur Emanzipation von Frauen!
deswegen wird sie ja von Frauen unterdrückenden Ländern und Religionen verdammt.
Wie weit die Zunahme von Krebs (weil chemisch) damit verbunden ist wird leider verschwiegen.
Die Indianer in Äquator kannten den "pflanzlichen" Wirkstoff der auch eine Schwangerschaft verhindert schon immer!
Es ist eine Nebenerscheinung von einem Tee den die Frauen/Männer zur Erntezeit tranken oder deren Blätter kauten um gestärkt für die Arbeit zu sein.
Dies hat sich ein kluger Kopf zu eigen gemacht !

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