Pranger 2.0
Anhand der medialen Präsenz und auch der möglichen Folgen, die von der Lehrerbewertungs-App verursacht wurde, ist erkennbar, welche Berufsgruppe eine starke Standesvertretung hat.
Für uns Ärzte ist es schon lange so, dass auf diversen Plattformen Bewertungen erfolgen, allerdings ohne dass es zu einer öffentlichen Diskussion kommt.
Das für mich Bemerkenswerte dabei ist, dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird. Derjenige, der hier öffentlich be- bzw. auch verurteilt wird, unterliegt selbst in der Regel strengen Vorschriften bezüglich Datenschutz (DSGVO) und muss bei Verfehlungen mit empfindlichen Strafen rechnen. Umgekehrt scheint es in die andere Richtung „Narrenfreiheit“ zu geben. Das hat, so wie es teilweise betrieben wird, nichts mit Feedback oder konstruktiver Kritik zu tun. Abgesehen davon gibt es heute für berechtigte Beschwerden entsprechende Stellen, die zur Aufklärung und Problemlösung berufen sind. Neben dem persönlichen Aspekt – von Kränkung bis hin zu beruflichen Nachteilen – kommt für mich aber auch noch ein gesellschaftlicher Aspekt hinzu.
Die Möglichkeit, in Sekundenschnelle unreflektiert, vielleicht aus einer Emotion heraus anonym und folgenlos „Urteile“ zu sprechen, ist einem normalen Miteinander sicher nicht förderlich und löst in der Regel auch keine Probleme. Wir haben gesellschaftlich eigentlich die Zeiten von Pranger und Blockwart hinter uns, und nur weil es neu verpackt und in Form einer hippen „App“ daherkommt, ist es im Kern um nichts besser.