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Hitler hätte sicher Freude gehabt

Von Roman Sandgruber   09.Juni 2020

Der an altdeutschen Formen orientierte Entwurf entspricht recht genau Hitlers architektonischen Prämissen, und auch die  dafür vorgesehene, üppige Geldsumme von fünf Millionen Euro  orientiert sich an Denkweisen des Dritten Reichs.

Hitler dachte bei seinem Geburtshaus nie an den Wiedererkennungswert des Bauwerks. Der war für ihn uninteressant. Er hatte keine Erinnerung an das Aussehen des Hauses und hätte auch keine haben können, verbrachte er doch nur die ersten drei oder vier Monate seines Lebens darin und verließ Braunau mit seiner Familie im dritten Lebensjahr. Die nächsten Jahre, bis er mit 18 Jahren von Oberösterreich nach Wien zog, verbrachte er in Passau, Fischlham/Hafeld, Lambach, Leonding, Linz und Steyr. Also viele "Hitler-Gedenkorte" im Land!

Braunau spielte für Hitler keine reale Rolle, sondern eine höchst symbolische. Daher verpackte er seine Geburt in Braunau gleich im ersten Satz von "Mein Kampf" als Resultat der von ihm so oft zitierten "Vorsehung": "Liegt doch dieses Städtchen an der Grenze jener zwei deutschen Staaten, deren Wiedervereinigung mindestens uns Jüngeren als eine mit allen Mitteln durchzuführende Lebensaufgabe erscheint! … In diesem von den Strahlen deutschen Märtyrertums vergoldeten Innstädtchen, bayerisch dem Blute, österreichisch dem Staate nach …"

Eine ähnliche Symbolik hat Hitler ein paar Zeilen später auch für Passau verwendet. Während er seine Geburt in Braunau zur großdeutschen Fügung stilisierte, maß er der Zeit in Passau eine andere Bedeutung zu: jene seiner ersten kindlichen Sozialisation im Deutschen Reich. In "Mein Kampf" schrieb er: "Mein Deutsch der Jugendzeit war der Dialekt, den auch Niederbayern spricht; ich vermochte ihn weder zu vergessen, noch den Wiener Jargon zu lernen." Hitler ging es um die Symbolik der Orte Braunau und Passau, nicht um das konkrete Aussehen des Hauses. Die Geburt in Braunau sollte ihn schon als Kind als den von der "Vorsehung" bestimmten Schöpfer und Vollender des großdeutschen Traums erscheinen lassen. Hitler orientierte sich da wie so oft an Christus und an den Evangelien. Er, der sich Zeit seines Lebens lieber als Baumeister statt als Politiker sehen wollte, orientierte seine Architekturvorstellungen an klassizistischen Fassaden, oberösterreichischen Vierkanthöfen und altdeutschen Bürgerhäusern.

Die Absicht der Architekten, das ominöse Geburtshaus in ein altdeutsches Stadthaus zurückzubauen, die Biedermeierfassade zu entfernen, die Doppelgiebel wieder herzustellen, Altstadtfenster einzusetzen, so einen Anklang an ein altdeutsches Feeling herzustellen und das Gebäude damit "in das historische Ensemble" einzugliedern, erinnert fatal an das Dritte Reich.

So wollte auch der "Baumeister" Hitler überall das Land umbauen: in Braunau, Fischlham, Lambach, Linz und vielen anderen Orten. Man könnte fast vermuten, die Architekten Marte & Marte hätten, bevor sie ihren Entwurf ablieferten, schnell die noch vorhandenen nationalsozialistischen Bau- und Umbaupläne für Braunau eingesehen. "Die demokratische Kultur eines Landes erkennt man am Umgang mit seiner Geschichte", sagte der Innenminister Karl Nehammer bei der Präsentation des Entwurfs: "Denn nur wer seine Vergangenheit kennt, kann die Zukunft gestalten", fügt er noch hinzu.

Wenn auch noch der Gedenkstein entfernt wird, der an Hitlers furchtbares Erbe erinnert, hätte die Republik 75 Jahre nach der Befreiung von seinem Terrorregime die Erinnerung daran nicht nur "neutralisiert", sondern recht biedermännisch entsorgt.

Roman Sandgruber ist emeritierter Professor für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Linzer JKU und Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Er arbeitet an einem Buch über Hitlers Vater, das 2021 erscheinen wird.

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25. April 2024