Corona-Rituale
Das Herzeigen, Wegstrecken oder gegenseitige Berühren diverser Körperregionen ist integraler Bestandteil von Begrüßungsritualen auf der ganzen Welt. Maori in Neuseeland drücken zum Gruß traditionell ihre Nasen aufeinander. Tibetische Mönche präsentieren sich wechselseitig ihre Zungen. In Südamerika und Mitteleuropa werden gern Bussis verteilt. In den USA umarmt man sich.
Und dann ist da natürlich noch der vergleichsweise fade, aber interkulturell populäre Händedruck. Als Anti-Coronavirus-Maßnahme gibt es derzeit in vielen Ländern Bemühungen, körpernahe Sozialgebräuche einzuschränken. Bei öffentlichen Veranstaltungen finden sich häufig illustrierte Anweisungen zur Unterlassung von Umarmungen und Händeschütteln. Sogar die katholische Kirche Österreichs hat kürzlich dazu aufgerufen, dem Kirchenbanknachbarn beim "Friede sei mit Dir" lieber nur mehr freundlich zuzunicken, anstatt ringsum Handshakes zu verteilen. Für das Ablegen von Geldscheinen ins Spendenkörbchen gibt es aktuell noch keine neuen Empfehlungen. Der tröpfchenlastige Einsatz von Mund oder Nase ist dabei aber jedenfalls zu vermeiden, was natürlich auch außerhalb der Kirche und im Allgemeinen ohnehin für die überwiegende Mehrzahl sozialer Situationen gilt.
Nun, da das Coronavirus bei uns angekommen ist und zumindest nicht gleich morgen wieder verschwinden wird, ist es womöglich an der Zeit für etwas, das sich Sozialphobiker eigentlich immer schon wünschen: neue, berührungsreduzierte Gesellschaftsrituale.
Im Internet kursieren bereits zahlreiche kreative Vorschläge für Alternativen zu Küsschen oder Händedruck. Sehr virusschutzkonform erscheint zum Beispiel die japanische Verbeugung im transparenten Kunststoffvollvisier (auf sozialen Plattformen gesichtete Modelle reichen von Stirn bis Oberschenkel). Lustiger und alltagstauglicher ist allerdings der aus China stammende "Wuhan Shake", bei dem zur Begrüßung anstatt der Handflächen die (beschuhten) Fußinnenseiten geschüttelt werden. Online ebenfalls ein Ding: der informelle "Ellbow Bump", bei dem man lässig die Ellbogen aneinanderschlägt. Die allersicherste Option ist und bleibt jedoch der rituelle Nullkontakt durch Zuhausebleiben. Hierbei können neue Technologien durchaus hilfreich sein.
Drohnen senden Echtzeitbilder von draußen, Videosysteme wie Skype oder Facetime unterstützen bei der Kommunikation. Oder kennen Sie den Film "Surrogates" mit Bruce Willis, in dem die Menschen aus Sicherheitsgründen nur mehr Roboternachbildungen ihrer selbst auf die Straßen schicken?
Keine Sorge – so weit ist die Technik zum Glück noch lange nicht.
Martina Mara ist Professorin für Roboterpsychologie an der JKU. E-Mail: mara@nachrichten.at Twitter: @MartinaMara