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Putsch im Livestream: Sind Zivilisten die neuen Krisenreporter?

Von Martina Mara, 19. Juli 2016, 00:04 Uhr

This revolution is not being televised. It’s being tweeted" – "Diese Revolution wird nicht im Fernsehen ausgestrahlt. Sie wird getwittert", schrieb Twitter-User @Amirmizroch in der Nacht von Freitag auf Samstag über den versuchten Militärputsch in der Türkei.

Er traf die mediale Lage auf den Punkt. Denn als das Aufeinanderprallen von Putsch und Protestbewegung gegen Mitternacht seinen traurigen Höhepunkt erreichte, gab es in den ORF-Kanälen keine Livebilder aus Istanbul oder Ankara zu sehen, keine Kommentare, keine Augenzeugenberichte. Stattdessen flimmerten Uraltfolgen von CSI NY und Columbo über den Schirm. Klar, es war spät. Aber angesichts der dramatischen Entwicklungen fühlte sich das trotzdem stark nach Sendepause an. Nicht nur österreichische Medienrezipienten verzogen sich daher schnell auf Facebook und Twitter. Dort gab es Information, in Wort und Bild, als Video- und Tonmitschnitt, in Echtzeit, vielleicht sogar zu viel davon. Hunderte Menschen in der Türkei umgingen die zeitweiligen Sperren sozialer Medien und nutzten ihre Handykameras, um der Welt zu zeigen, was rund um sie gerade passierte. Via Facebook Live oder Periscope, den Streaming-Dienst von Twitter, sah ich mit an, wie F16-Kampfjets bedrohlich nah über Wohngebäuden flogen, wie das türkische Parlament von einer Explosion erschüttert wurde, wie sich Erdogan-Anhänger zu Dutzenden vor Panzer warfen. Wie auf Menschen geschossen wurde.

Angst, Aufruhr, Gewalt – von Zivilpersonen über Handynetz und Glasfaser live in mein Wohnzimmer gebracht. Die Instrumente mobiler Digitalkommunikation erschaffen eine neue Generation von Vor-Ort-Reportern. Wie beim türkischen Putschversuch, wie in jüngster Vergangenheit auch schon bei polizeilichen Gewaltakten gegenüber Schwarzen oder Terroranschlägen sind es Betroffene und Beobachter, die mit Handyvideos jenes Dokumentationsmaterial liefern, über das die Welt redet. Doch was bedeutet es für uns als Publikum, wenn wir anrollende Panzer plötzlich durch die Augen Betroffener sehen, wenn wir ihre besorgten Stimmen hören? Was macht diese vollkommene Unmittelbarkeit mit uns?

Eines ist klar: Die traditionelle Schleusenwärter-Funktion professioneller Redaktionen fällt hier so gut wie weg. Es gibt kaum mehr Filter, die darüber entscheiden, welche Szenen zugemutet werden können und welche Standpunkte für ein ausgewogenes Gesamtbild nötig sind. Dafür fällt auf der anderen Seite aber auch die Abstraktion der Anonymität weg, die uns das Nachvollziehen entfernter Ereignisse oft so schwer macht. Livestreams sind eine hochemotionale, drastische, subjektive Form der Berichterstattung. Im besten Fall führen sie zu mehr Mitgefühl.

 

Martina Mara ist Medienpsychologin und forscht am Ars Electronica Futurelab zu Mensch-Roboter-Beziehungen.

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4  Kommentare
4  Kommentare
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pepone (60.622 Kommentare)
am 19.07.2016 13:58

im Artikel :
Livestreams sind eine hochemotionale, drastische, subjektive Form der Berichterstattung. Im besten Fall führen sie zu mehr Mitgefühl.

Ja richtig , aber auch zu mehr WAHRHEIT !
Siehe die Polizisten Morde in USA die LIVE gefilmt wurden und somit die Trickserei der Polizei aufgedeckt wurde !
Alleine dafür haben sich die Livestreams gelohnt !

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Gugelbua (31.906 Kommentare)
am 19.07.2016 11:03

Auch Erdogan hats begriffen, die Waffe Internet ist ein "Wunder Gottes" grinsen

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pepone (60.622 Kommentare)
am 19.07.2016 13:16

Gugelbua

so is es ...
und er hat die Socialmedien VOLL genützt um sein A...zu retten !

Schon vor einiger Zeit hatte ich geschrieben dass Reporter KEIN Kameramann und Microfonhalter mehr brauchen !
Ein Smartphone genügt ,und es gibt schon viele Journalisten die es so machen .
siehe die Reportage des ARD über die Tat in Nizza.

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pepone (60.622 Kommentare)
am 19.07.2016 13:17

für das Volk sollte Internet begrenzt sein , aber für den Despot FREI , so sieht Erdogansche Gerechtigkeit aus ! traurig

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