Die DSGVO und ihre unvermuteten Profiteure
Es ist ein bisschen, als würde Donald Trump die Hauptrolle in einem von ihm finanzierten Fernsehspot für die Gleichbehandlungsanwaltschaft spielen:
Da hat Facebook doch tatsächlich Werbeanzeigen für die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geschaltet. In zahlreichen Tageszeitungen waren die ganzseitigen Inserate abgedruckt. "Neue EU-Gesetzgebung bedeutet mehr Datenschutz für dich" lautete der Slogan, darunter das blaue Facebook-Logo. Fast so, als wäre das Social-Media-Unternehmen, dessen Finanzierungsmodell bekanntlich auf dem nicht immer ganz transparenten Handel mit Personendaten aufbaut(e), nicht Zielscheibe, sondern Initiator des verschärften Datenschutzgesetzes. Angesichts dessen, dass Mark Zuckerberg gerade kommende Woche – jener Woche, in der die DSGVO in Geltung tritt – vor dem EU-Parlament zur Cambridge-Analytica-Datenaffäre aussagen soll, entbehrt das nicht eines gewissen Humors.
Aber was für ein Marketing-Coup! Sich nun, in der Gunst der DSGVO-Stunde, als großer Wächter der Privatsphäre zu inszenieren. Und was für eine Chuzpe, Hunderttausenden Usern ein Feature zur automatischen Gesichtserkennung unterzujubeln. Die Pop-up-Infos zu den neuen Datenschutzoptionen, die allen europäischen Facebook-Nutzern kürzlich eingeblendet wurden, umfassten mitunter nämlich folgende Passage: "Die Gesichtserkennung ist für dich derzeit deaktiviert. Wähle ‚Akzeptieren und fortfahren‘ aus, um (…) zuzustimmen, dass Facebook deine Gesichtserkennungsdaten nutzen darf." Wer die Funktion bisher deaktiviert hatte und sich nur halbgenau durch die Infofenster klickte, hat Facebook – anlässlich der DSGVO – vielleicht sogar die Nutzung noch weiterer Daten erlaubt.
Trotzdem dürfte Facebook vorerst zumindest imagemäßig aus der DSGVO profitieren. Daneben gibt es viele weitere unvermuteter Profiteure, die aus den neuen Auflagen Kapital schlagen. (Selbsternannte) DSGVO-Experten, die Online-Kurse, Beratungsdienste oder das Aufsetzen "abmahnsicherer" Verträge um oft unverschämt hohe Summen anbieten, schießen wie die Schwammerl aus dem Boden. Sie verdienen ihr Geld mit der Unsicherheit, befeuern die Panik, die kurz vor dem Umsetzungsstart der neuen Verordnungen vor allem bei Selbstständigen, kleinen und mittleren Unternehmen vorherrscht. Die DSGVO, die in vielen Punkten eine gute Sache ist, bekommt damit einen sehr unsympathischen Beigeschmack, der eines ihrer größten Probleme zeigt: Offenbar hat man es in den zwei Jahren, in denen die neuen Datenschutzregeln eigentlich bereits in Kraft sind, nicht geschafft, verständlich zu kommunizieren, wen sie wann überhaupt betreffen.
Martina Mara ist Professorin für Roboterpsychologie an der JKU. Twitter: @MartinaMara. E-Mail: mara@nachrichten.at