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Achtung, Smartphone-Zombies!

Von Martina Mara   22.Juni 2019

In Moskau und Köln gibt es Bodenampeln, die Smartphone-Nutzer von unten vor nahenden Straßenbahnen warnen. In Stockholm hat ein Künstler Verkehrsschilder aufgestellt, die Autofahrer à la Wildwechsel auf kreuzende Displayversunkene hinweisen. In Honolulu muss mit einer Geldstrafe rechnen, wer beim Überqueren einer Straße auf ein elektronisches Gerät schaut.

Mit der Invasion der sogenannten Smartphone-Zombies, kurz Smombies, die ständig auf ihr Handy starren und die wohl so genannt werden, weil sie ihren Pendants aus dem Horror-Genre in Bewegungsdynamik und äußeren Leistungskennzeichen nicht ganz unähnlich sind, gehen Städte unterschiedlich um. Das Phänomen gibt es allerdings weltweit und in beachtlichem Ausmaß. Davon zeugen neben Ergebnissen aus Verkehrsstudien auch Hoppala-Videos im Internet, in denen Smombies mit Laternenmasten kollidieren oder kopfüber in Mülltonnen kippen.

"You’re just too good to be true, I can’t take my eyes off of you" – das Liebeslied aus den 1960ern scheint der passende Soundtrack für unsere handyfixierte Gegenwart zu sein. Hätte die Linzer Landstraße "Smombie Lanes" wie in Xi’an: Ich gebe zu, ich müsste mich selbst oft dort einreihen. Meint man es sehr gut mit uns Smombies, könnte man ins Treffen führen, dass sich unsere erdzugewandten Nasen zumindest keinen Sonnenbrand holen. Als Hauptmotiv für notorisches Smombietum geht der UV-Schutz aber eher nicht durch.

Warum es vielen Menschen tatsächlich so schwer fällt, zumindest während des Gehens auf Apps, E-Mail und Messenger zu verzichten, untersuchten kürzlich deutsche Forscher rund um den Medienpsychologen Markus Appel. Unabhängig von Geschlecht und Alter hat sich dabei die sogenannte "Fear of Missing Out" – die Angst, etwas zu verpassen – als wesentlicher Faktor herausgestellt, und zwar speziell im sozialen Sinn. Je mehr sich jemand sorgt, von zwischenmenschlichen Interaktionen und Beziehungen ausgeschlossen zu werden, desto eher holt er selbst während kurzer Fußwege das Handy aus der Tasche, um eine SMS zu schreiben oder Facebook zu checken.

Entgegen des Eindrucks, den sie nach außen erwecken, dürften viele Smartphone-Zombies de facto also auf der Suche nach sozialem Anschluss sein. Die interpersonelle Kollision als milde Form des Smombie-Unfalls hat demnach eine nicht zu unterschätzende Funktion: Stoßen am Gehsteig die richtigen zwei Smombies zusammen, lässt sich ihr Kontaktbedürfnis vielleicht sogar ohne weiteren Blick aufs Handy stillen.

Martina Mara ist Professorin für Roboterpsychologie an der JKU. E-Mail: mara@nachrichten.at Twitter: @MartinaMara

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