Von Häusern, Städten und Raketen
LINZ. Interview mit der Linzer Architektin Birgit Kornmüller über den Wert alter Substanz, den architektonischen Blick in alle Richtungen und ideale städtische Räume
Birgit Kornmüller führt gemeinsam mit Gerald Zehetner das 2010 in Linz gegründete Büro Bogenfeld Architektur mit aktuell zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Ein Schwerpunkt des Teams liegt auf dem Bauen im Bestand. Kornmüller studierte in Graz Architektur und ist unter anderem Vorstandsmitglied der Kammer der ZiviltechnikerInnen und ArchitektInnen für Oberösterreich und Salzburg.
OÖNachrichten: Wie beginnt bei Bogenfeld die architektonische Arbeit an einer konkreten Aufgabe?
Birgit Kornmüller: Am Anfang steht die Frage: Was ist bereits da? Wie sieht die Aufgabenstellung aus und gibt es, zum Beispiel in einer Wettbewerbsauslobung, Aspekte, die vom Auftraggeber womöglich nicht bedacht wurden. Das Nachdenken über die Aufgabenstellung hinaus führt oft zu überraschenden Ergebnissen und besseren Entwürfen.
Dazu gehört Mut.
Ja. Das Korsett für die Planung sollte idealerweise von vornherein nicht zu eng sein, um kreativ arbeiten zu können. Außerdem ist es nicht unbedingt automatisch teurer, etwas anders zu denken und Alternativen zu entwickeln.
Welche Rolle spielt der Kontext ganz konkret? Also das, was Sie zu Beginn vorfinden.
Zunächst: Es gibt keine Bauaufgabe, die ohne Kontext ist. Es ist immer etwas da: Stadt, Ort, Landschaft, Menschen, eine Geschichte. Uns ist deshalb – nennen wir es einmal so – autistische Architektur völlig fremd. Also ein Bauen, das sich selbst genügt und keine Rücksicht nimmt. Deshalb lieben wir vor allem einfache, zeitlose Bauten, die sich über lange Zeiträume bewähren und sich einfügen. Diese zu realisieren, ist komplex genug.
Wo liegen beispielsweise in Linz die aktuellen Probleme?
Man sieht es in den Städten vor allem bei den Erdgeschoßzonen. Hier werden Nebenräume wie Fahrrad- oder Müllraum angesiedelt. Ansonsten schotten sich die Gebäude gerade dort, wo Öffnung und Kleinteiligkeit wichtig wären, hermetisch ab. Außerdem verlieren wir in diesen Bereichen mehr und mehr den menschlichen Maßstab aus den Augen. Es dominieren geschlossene Wandfronten und immer größer werdende Tiefgaragenzufahrten, also dunkle Löcher. Lebendige Straßenräume entstehen so nicht. Manche Bereiche in Linz, wie die Wiener Straße, werden – drastisch formuliert – vernachlässigt. Aber gerade dort, an den Rändern, muss man sich besonders anstrengen und investieren, um Impulse zu setzen.
Ein weiteres Reizwort in Linz: die Abrisskultur. Wie schätzen Sie die Situation ein?
Vor dem Hintergrund der Klimadiskussion sind Abriss und weitere Versiegelung, zum Beispiel durch Tiefgaragen, nicht mehr zu verantworten. Hinzu kommt, dass mit jedem Abriss ein Stück Identität verloren geht. Was dann stattdessen kommt, ist meistens keine städtebauliche Verbesserung, da vor allem die private Wirtschaftlichkeit die Neubauten bestimmt. Dies merkt man Linz an, wenn man aufmerksam durch die Straßen geht. Aus diesen Gründen sollte der Bestand deutlich mehr geschützt werden.
Gibt es weitere Verbesserungsmöglichkeiten für die Baukultur der Landeshauptstadt?
Die Wettbewerbskultur ist hier eher bescheiden. Grundsätzlich sollten qualitätsvolle Wettbewerbe mit der Kammer koordiniert werden. Dies garantiert eine gute Durchführung und das Beachten der notwendigen Standards. Die intensive planerische Auseinandersetzung aller Beteiligten – gerade im Vorfeld – mit der Bauaufgabe ist in Wettbewerben deutlich höher als bei anderen Vergabeformen. Weiterhin fördern Wettbewerbe die Transparenz und sind im besten Sinne demokratisch.
Wenn man träumen dürfte: Wie sähe Ihr idealer Stadtraum aus?
Zunächst bräuchten wir eine Stadtpolitik, die selbstbewusster auftritt und Ideen liefert für das, was wünschens- und vor allem lebenswert wäre. Das Ziel müssten Stadträume sein, durch die wir uns gerne bewegen und die den dafür nötigen Platz und die nötige Sicherheit – zum Beispiel für Fußgänger, Kinder oder Radfahrer – bieten. Es geht um ein Miteinander, bei dem das Auto nicht länger der dominierende Part ist. Außerdem sollte die Stadt wieder als Lebensraum und nicht als Konsumraum oder Durchzugsort verstanden werden. Das ist längst auch ökonomisch überfällig. Heute ist man als Stadt nur konkurrenzfähig, wenn man attraktiven, familientauglichen Lebensraum bietet. Mit guten Planungen und qualitätsvoller öffentlicher Architektur könnte eine Stadt wie Linz Vorbilder für eine bessere Entwicklung liefern. Alles den Privaten zu überlassen, ist sicher zu kurz gedacht. Vielleicht müssen die Verantwortlichen wieder mehr zu Fuß durch die eigene Stadt gehen. Dann würden sie Qualitäten entdecken, das Bewusstsein schärfen und bemerken, dass das alles eigentlich keine Raketenwissenschaft ist.
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Zukunft sicheres Bauen können sich doch die Wenigsten leisten😉
und wenn ich das Bild mit der versiegelten Fläche ansehe meine ich "nichts dazu gelernt"