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Drei Monate Corona: Eine Bilanz

Von Alexander Zens   20.Juni 2020

Auf die Frage, mit welchen Problemen im Immobilienbereich während der vor gut drei Monaten begonnenen Corona-Zeit am meisten zu kämpfen war bzw. ist, nennen sowohl Eigentümervertreter als auch Mieterschützer als Erstes das Thema Geschäftsräume und Gastronomieflächen – weil diese wochenlang nicht oder eingeschränkt genutzt werden konnten. In den meisten Fällen sei es gelungen, eine für beide Seiten gut lebbare Lösung der Mietzinsstundungen zu vereinbaren, sagt Mario Zoidl, Obmann der Fachgruppe der Immobilien- und Vermögenstreuhänder in der Wirtschaftskammer Oberösterreich: "Die Vermieter hatten durchwegs Verständnis für die Lage der Mieter."

"Nach unserer rechtlichen Einschätzung haben betroffene Mieter eine Chance auf Mietzinsminderung bzw. -entfall", sagt dagegen Nicole Hager-Wildenrotter, Landesgeschäftsführerin der Mietervereinigung. Diese Einschätzung würden viele andere Experten und damals auch das Justizministerium teilen. "Viele Vermieter haben diese Meinung in der Praxis aber nicht geteilt und den Mietern lediglich eine Stundung angeboten." Einige Mieter haben aber offenbar dennoch zumindest teilweise nicht gezahlt. Es bleibe abzuwarten, ob es eine Klagswelle geben werde und wie die oberstgerichtliche Einzelfallentscheidungen aussehen werden, sagt Hager-Wildenrotter.

Zoidl weist darauf hin, dass das Problem nicht vorbei sei, weil der Konsum noch nicht vollständig zurückgekehrt sei. Finanzielle Sorgen von Geschäftsraum- oder Gastronomieflächen-Mietern seien letztlich ebenso stark wie Sorgen der Vermieter, "denn nicht wenige bestreiten ihren Lebensunterhalt aus den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung." Mitunter drohe bei schlechter Konjunktur ein längerer Vermietungsleerstand.

Im Bereich Wohnen sieht Zoidl eine "gute Lösung für alle Beteiligten", weil die Verlängerung befristeter Mietverträge, die in der Corona-Zeit abgelaufen sind, und die Stundung der Wohnungsmieten von April bis Juni bis zum Jahresende gesetzlich ermöglicht wurden. Hager-Wildenrotter betont aber, dass es für viele Mieter auch nicht einfach sein werde, bis Jahresende drei offene Monatsmieten anzusparen. Auch hier befürchte man rechtliche Auseinandersetzungen ab Jänner 2021. Während des Lockdowns war es schwierig, Wohnungen zu besichtigen bzw. umzusiedeln. "Die Corona-Zeit hat gezeigt, dass es vielen Personen dank der Unterstützung der Immobilienmakler gelungen ist, ein dringendes Wohnbedürfnis, das aufgrund geänderter familiärer oder finanzieller Rahmenbedingungen entstanden ist, zu stillen", sagt Zoidl. Die vor Corona diskutierte Einführung des Bestellerprinzips hätte dies erschwert.

Für die Mieterschützer ging es in der Beratung auch um Nachbarschaftskonflikte. Weil aufgrund der vielen Zeit, die Familien zu Hause verbrachten – privat, beruflich und in Ausbildung –, "Lärmimmissionen von Nachbarn viel häufiger und deutlicher wahrgenommen wurden", wie Hager-Wildenrotter sagt. Aufgrund der angespannten Allgemeinsituation und sozialer Sorgen seien "die Nerven vieler Anrufer blank gelegen. Wir haben versucht, mit Zuhören und Appellen beizutragen, die schwierige Zeit zu bewältigen."

Die Lehren aus der Krise

Mario Zoidl, Obmann der Fachgruppe der Immobilientreuhänder

  • Ein guter und laufender Kontakt zum Mieter ist in guten wie in schlechten Zeiten ratsam, um die jeweilige Situation des anderen zu verstehen.
  • Vereinbarungen zwischen Mieter und Vermieter bezüglich Mietzinsreduktionen und Aussetzungen der Miete hat es in besonderen, aber auch normalen Zeiten immer schon gegeben, denn dies schweißt zusammen, oftmals zu einer guten nachhaltigen Partnerschaft im Vermietungsgeschäft. Ich bin überzeugt, jeder Vermieter ist bereit, für eine gewisse Zeit Nachlässe in der Miete und Pacht zu geben, um die Mieter für bessere Zeiten zu stärken.
  • Kaution auf dem Sparbuch: Es gibt auch noch das Instrument der Kaution, welche eine Mietzinsrücklage darstellt. Genau für solche Zeiten der wirtschaftlichen Not wurde sie geschaffen und sie kann mit Zustimmung verwendet werden.

Nicole Hager-Wildenrotter, Geschäftsführerin der Mietervereinigung

Nicole Hager-Wildenrotter
  • Die Goldene Regel, wonach die maximalen Wohnkosten inkl. Miete, Betriebs- und Heizkosten, Strom und bestenfalls auch Haushaltsversicherung pro Monat nur ein Drittel des gemeinsamen Haushaltseinkommens betragen, sollte von Mietern mehr denn je beherzigt werden.
  • Besonders Familien mit minderjährigen Kindern sollten bei der Wohnungssuche darauf achten, dass Bewegungsräume im Freien in unmittelbarer Umgebung zur Verfügung stehen. Wohnungen mit Terrasse oder Balkon mindern das Gefühl des „Eingesperrt-Seins“.
  • Es braucht klare vertragliche Regelungen, dass im Falle einer Seuche und damit verbundener eingeschränkter Brauchbarkeit oder Unbrauchbarkeit von Geschäftsräumen Anspruch auf Mietentfall bzw. -reduktion besteht, und eine klare Definition, wann man von eingeschränkter Brauchbarkeit sprechen kann.
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24. April 2024