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Zu den Bohnen gezoomt

Von Bärbel Schwertfeger   20.Februar 2021

"Wir erleben gerade die dritte Kaffeewelle in Indien", sagt Bala. "Zurzeit kreieren junge Unternehmer neue und ausgefallene Kaffeemarken." So gibt es organisch angebauten und vogelfreundlichen Kaffee, im Weinfass gereifte Bohnen oder Röstungen mit Geschmacksrichtungen wie Green Apple oder Tropical Fruits. "Die indischen Kunden sind heute recht anspruchsvoll und kultiviert", sagt Bala, der seit mehr als fünf Jahren als Guide für Gully Tours in Südindien arbeitet.

Jede der Touren steht unter einem anderen Thema. Da geht es um den Gewürzhandel oder die über 2000-jährige Geschichte der Juden in Fort Kochi im Bundesstaat Kerala, die Ursprünge und Einflüsse der indischen Küche, das Wirken der Sultane von Mysore im 18. Jahrhundert oder die Geschichte des Kaffees in Indien.

Weil die Touren wegen der Corona-Pandemie derzeit nicht möglich sind, werden sie per Zoom angeboten. Mehr als 500 Interessierte aus aller Welt haben schon teilgenommen. Unterhaltsam, untermalt mit Fotos und kurzen Videosequenzen, erzählt Bala, wie der Kaffee nach Indien kam. Diesmal sind Greg aus Australien, Liza aus Toronto, Victoria aus London sowie einige Inder dabei.

Begonnen hat alles mit dem Sufi Bala Budan, der im 16. Jahrhundert auf seiner Rückreise von Mekka aus der jemenitischen Hafenstadt Mocha sieben Kaffeebohnen nach Indien schmuggelte, was damals bei Todesstrafe verboten war. Die pflanzte er in den Chandragiri Hills im damaligen Staat Mysore an, dem heutigen Karnataka mit der IT-Metropole Bangalore. Heute wird Kaffee vor allem in den drei südlichen Bundesstaaten Karnataka, Kerala und Tamil Nadu angebaut. Der Gebirgszug der Western Ghats, der sich durch den Süden Indiens zieht, bietet ideale klimatische Bedingungen: Temperaturen von 18 bis 25 Grad, viel Regen und viel Sonnenlicht. Mit 348.000 Tonnen ist Indien der siebtgrößte Kaffeeproduzent weltweit.

In Indien wächst die Kaffeepflanze im Schatten hoher Laubbäume und nicht in großen Plantagen in der Sonne. Er reift daher langsamer und das herabfallende Laub liefert natürlichen Dünger. "Wir haben hier keine Monokultur", sagt Bala. "Neben den Kaffeesträuchern wachsen Orangen- oder Jackfruit-Bäume sowie verschiedene Gewürze wie Pfeffer oder Kardamom und verleihen den Bohnen ein besonderes Aroma."

Kaffee mit Ingwer

Im 18. Jahrhundert wurden in Indien die in Europa beliebten Kaffeehäuser populär. Den Kaffee trank man damals auch mit Ingwer, Palmzucker oder Ghee, geklärter Butter. Lange Zeit war der Anbau in der Hand von Kleinbauern. Ende des 19. Jahrhunderts kamen europäische Pflanzer und kommerzialisierten den Kaffeeanbau. 1890 gab es im Staat Mysore 800 Plantagen in europäischem Besitz. Manche, wie das 1864 gegründete Harley Estate, existieren noch heute.

Per Schiff wurde der Kaffee damals in rund sechs Monaten um das Kap der Guten Hoffnung nach Europa transportiert. Als 1850 der Suezkanal eröffnet wurde, verkürzte sich die Transportzeit enorm, was den Geschmack veränderte. Daraufhin simulierte man die lange Seereise und lagerte die Bohnen in Hallen in der Meeresluft an der südwestlichen Malabarküste. So entstand der Monsun Malabar Kaffee.

Treffpunkt der Kommunisten

In Fort Kochi stehen noch heute etliche der alten Lagerhallen. Einige wurden restauriert und werden als Galerien, Restaurants oder Antiquitätenläden genutzt. Nach der Unabhängigkeit Indiens 1947 wurden die Kaffeehäuser zum beliebten Treffpunkt der Kommunisten und Sozialisten, und so entstanden die bis heute von Kooperativen geführten und äußerst beliebten Indian Coffee Houses, eine Kette von günstigen Restaurants mit rund 400 Filialen.

Die zweite Kaffeewelle kam in den 1990er-Jahren, als sich Indien dem internationalen Markt öffnete und immer mehr Inder im Ausland arbeiteten. So lernte auch der 2019 verstorbene V. G. Siddhartha die in Asien verbreiteten Coffee Shops kennen und startete seine erste Filiale Café Coffee Day in Bangalore. "Da war eine Tasse Kaffee zwar enorm teuer, aber dafür konnte man auch das Internet nutzen", erinnert sich Bala. Viele Inder hätten bis heute eine sehr emotionale Beziehung zu Café Coffee Day. "Hier traf man sich zum ersten Date und feierte seinen Geburtstag", so der Guide. Inzwischen gibt es auch in Indien zahlreiche internationale Kaffeehausketten wie Starbucks oder Costa Coffee. Gleichzeitig entdecken immer mehr Inder wieder die Vorzüge ihres eigenen Kaffees.

Info: Gully Tours (gully.tours/virtual-tours) bietet Zoom-Touren in Südindien an. Sie dauern 90 Minuten inkl. einer halbstündigen Fragerunde. Die englischsprachigen Touren kosten rund 7 Euro. Eine private Tour kann man ab 50 Euro buchen. Mit den Einnahmen werden auch lokale Guides unterstützt, die aufgrund der Corona-Pandemie nicht arbeiten können. Die nächste Indian-Coffee-Story-Tour gibt es am 13. März. Am 27. Februar geht es bei "Cutting Chai – The Indian Tea Story" um den indischen Tee.

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25. April 2024