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Zu Besuch in der Welt von Nebra

Von Klaus Buttinger, 11. Juli 2021, 11:00 Uhr
Zu Besuch in der Welt von Nebra
Das rekonstruierte Ringheiligtum von Pömmelte. Es hat ähnliche Abmessungen wie Stonehenge. Bild: Ronald Brutter

Eine archäologische Zeitreise zur Aunjetitzer Kultur. Startpunkt ist die fantastische Ausstellung in Halle (Saale), welche die prägende Phase in der Entwicklung europäischer Gesellschaften vor rund 4000 Jahren beleuchtet.

Am Anfang stand ein Krimi: 1999 gruben zwei Sondengeher auf dem Mitterberg illegal einen Schatz aus und verkauften ihn an einen Hehler. Gut zwei Jahre später gelingt es dem Direktor des Landesmuseums für Vorgeschichte in Sachsen-Anhalt, Harald Meller, den bronzenen Fund während einer fingierten Verkaufsaktion an sich zu bringen. Die Verkäufer werden dabei von verdeckten Ermittlern verhaftet und später gerichtlich verurteilt. Zwanzig Jahre nach der Aktion zeigt das Museum nun erneut die Himmelsscheibe, die als Entdeckung des Jahrhunderts in Europa gilt, im Kontext von zwei Jahrzehnten Forschung an der bis dato ältesten konkreten Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte.

Wie darf man sich das Leben in der Frühbronzezeit vorstellen? Keineswegs streiften wilde Horden durch Mitteleuropa. Vielmehr entwickelte sich aus den spätsteinzeitlichen Vorläufern der Glockenbecher- und Schnurkeramikerkulturen die Aunjetitzer Kultur, was aufgrund genetischer Befunde jüngst bestätigt wurde. Der Name stammt von einem Ort nahe Prag, wo ein Bronzeschatz ausgegraben wurde. Die Aunjetitzer Kultur dürfte sich von Nordostdeutschland bis nach Niederösterreich erstreckt und von 2300 v. Chr. bis etwa 1600/1500 v. Chr. gedauert haben. Gegen Ende wurde der Hort von Nebra, wie der Fund bezeichnet wird, auf dem nahen Mitterberg begraben, wo er mindestens 3500 Jahre in der Erde zubrachte.

Zu Besuch in der Welt von Nebra
Der Fund, der den historischen Horizont eröffnete: die Himmelsscheibe von Nebra sowie Schwerter, Äxte und Armreifen aus Bronze. Bild: Ronald Brutter

Die Macht ist eine Scheibe

"Wer die Himmelsscheibe besaß und wusste, wie er sie zu lesen hatte, konnte den Jahreskalender für seine Mitmenschen vorgeben, hatte Macht über die Zeit," sagt Alfred Reichenberger, stellvertretender Direktor des Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle an der Saale. Er ist sichtlich stolz über die neue Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit dem British Museum erfolgt. Damit wird auf den verbindenden, europäischen Aspekt der damaligen Kulturen verwiesen. "Das Gold auf der Himmelsscheibe stammt aus Cornwall, das Kupfer aus Salzburg", sagt Reichenberger. Damit nicht genug der frühen Verbindungen. Mittlerweile ist nachgewiesen, dass die einstigen Handelsbeziehungen von England und dem Baltikum bis nach Kreta, Ägypten und in den Libanon reichten. Die Gegend um Halle mit ihrer ehedem fruchtbaren Schwarzerde, den reichen Salzquellen und den Flussverbindungen wuchs zu einem ersten staatsnahen Gebilde mit stehendem Heer. "Die Handelsstraßen waren die Flüsse. Wer den Handel kontrollierte, wurde reich, das hieß, er hatte Metall", erklärt Reichenberger. "Und nicht nur Waren wurden transportiert, auch Handwerkswissen und Mythologien."

Um 1900 vor unserer Zeitrechnung entstanden in der brettelebenen Mittelelbe-Region riesige Fürstengräber, deren Hügel gewaltige Wahrzeichen und Orientierungspunkte waren. Ebenso wie die weit und breit einzige nennenswerte Erhebung, der Brocken (1141 Meter) im Harz. Steht man auf dem Mitterberg, der Fundstelle der Himmelsscheibe, und visiert damit die untergehende Sonne und den Brocken an, lassen sich die Sonnwenden ablesen. Aus der Darstellung des Voll- und Sichelmondes und der Sternansammlung dazwischen (die Plejaden) kann die Notwendigkeit eines Schaltmonats herausgerechnet werden. All das wird im Museum und im Besucherzentrum "Arche Nebra" nahe der Fundstelle feinst aufbereitet.

Zu Besuch in der Welt von Nebra
Das Besucherzentrum „Arche Nebra“ nahe der Fundstelle der Himmelsscheibe greift architektonisch deren Sonnenbarke auf. Bild: Ronald Brutter

Im dortigen Planetarium bekommt man die Funktion der Himmelsscheibe einleuchtend erklärt. Warum sie vergraben wurde, darüber lässt sich nur mutmaßen. Mike Evers, Öffentlichkeitsarbeiter in der Arche Nebra, koordiniert die touristischen Angebote rund um Halle, genannt die Himmelswege (siehe Kasten): "Irgendetwas muss sich vor 3500 Jahren verändert haben, die Handelsbeziehungen dürften unterbrochen worden sein", sagt er. Möglicherweise hängt das mit der Explosion des Vulkans auf der griechischen Insel Santorin zusammen, die in die Mitte des 15. Jahrhunderts v. Chr. datiert wird. Santorin war ein zentraler Trittstein im damaligen internationalen Handel. Die riesige Eruption könnte aber auch das Klima in Europa verschlechtert und den Niedergang der Aunjetitzer Kultur eingeleitet haben.

Ringheiligtümer à la Stonehenge

Selbst lösten die Aunjetitzer ebenfalls Vorgängerkulturen ab, zu ersehen an den Ringheiligtümern jener Tage. Das auf Pfählen und Wällen bestehende in Pömmelte gilt als hölzerne Entsprechung des englischen Stonehenge, es verfügt sogar über ähnliche Dimensionen. Wozu es diente? Wohl der Sonnenbeobachtung, aber nicht nur, wie der Grabungsleiter in Pömmelte, Matthias Zirm, sagt: "Man muss sich das wie eine Kirche im Mittelalter vorstellen. Die hatte nicht nur rituelle Funktion, sondern es wurden dort auch Feste gefeiert, darum herum Märkte abgehalten, auch Heiratsmärkte. Es war ein kultureller Mittelpunkt." Mit den aufkommenden Aunjetitzern ist der Kult um das Ringheiligtum Pömmelte obsolet geworden, es wurde abgebaut, der Kult zog nach Schönebeck, wo wieder ein Ringheiligtum eröffnet wurde. Es ist allerdings noch nicht ausgegraben. Die Ausgrabungen in Pömmelte legten 80 bis 130 Häuser – aus dem Mittelneolithikum bis zur späteren Eisenzeit – frei. "Eine extrem große Siedlung, die größte nördlich der Alpen in der Frühbronzezeit", sagt Zirm.

Noch zu einem Niedergang der größeren Art. Die Rückreise von Halle führt über den Harz, in die entzückende Uni-Stadt Göttingen nach Nördlingen. Dort führt der Geologe Stefan Hölzl das Rieskrater-Museum. Vor 15 Millionen Jahren ging hier ein Asteroid mit einem Kilometer Durchmesser nieder. Er war 70.000 km/h schnell und schlug mit der Energie von 100.000 Hiroshima-Bomben einen Krater von 25 Kilometer Durchmesser.

In der Folge entstand diverses Impaktgestein wie Suevit, sogar Diamanten. Astronauten der Apollo-Missionen 14 und 17 übten im Impakt-Museum das Erkennen solcher Gesteine und die Probenentnahme. Jedenfalls lohnt der Stopp in Nördlingen. Ein solches Ereignis derart hervorragend aufbereitet, ist weltweit einzigartig.

Archäologische Funde

Ausstellung: „Die Himmelsscheibe von Nebra – Neue Horizonte“, Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale), bis 9. Jänner 2022, Tel. 0049-345 52 47-30, landesmuseum-vorgeschichte.de

Himmelswege:
Arche Nebra, himmelsscheibe-erleben.de
Ringheiligtum Pömmelte, ringheiligtum-poemmelte.de
Sonnenobservatorium Goseck, himmelswege.de
Planetarium Halle, planetarium.halle.de

RiesKraterMuseum Nördlingen, 0049-90 81/84 710, rieskrater-museum.de

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Autor
Klaus Buttinger
Redakteur Magazin
Klaus Buttinger
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