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Wohin es die Profis zieht

Von Roland Kastler und Gunter Hamader   09.Mai 2020

Gotland in unseren Herzen

Grundsätzlich reise ich am liebsten themenbezogen, soll ich mich aber für eine Region entscheiden, weist mein Herz eindeutig nach Norden. Hier findet man eine Vielzahl fantastischer Naturräume vor, vom Wattenmeer und den grandiosen Dünen Dänemarks bis zu den Schärengärten Finnlands und Schwedens sowie den atemberaubend schönen Fjordlandschaften Norwegens. Bestimmt von riesigen Grundgebirgsstrukturen, kann man dort noch heute die dramatischen Ausformungen der Eiszeit – mittlerweile in Kulturlandschaften eingebettet – nachvollziehen.

Ich bereise Skandinavien seit Jahrzehnten, aber die Naturphänomene, die sich noch eindrucksvoller gestalten, je weiter man nach Norden vordringt, faszinieren mich immer wieder aufs Neue: Die endlosen Weiten Lapplands, wo der Horizont kontinuierlich zum Greifen nah erscheint, das Durchdringen der Baumgrenze, die Ausläufer spektakulärer Gletscher, das Erlebnis der "Mitternachts- sonne"…

Abseits davon gilt es in Skandinavien eine reiche Kulturgeschichte zu entdecken: Von der Bronzezeit bis zur Gegenwart zeugen Tausende von Runen- und Schiffssteinsetzungen, die überragenden Skulpturen Thorvaldsens, Milles’ oder Vigelands bzw. die weltberühmten Arbeiten von Zorn, Munch und Jean Sibelius vom Beitrag des Nordens zu den europäischen Kulturwelten.

Erfreulicherweise ist an manchen Stellen in Skandinavien eine besondere Fülle dieser "nordischen" Eigenschaften präsent – zum Beispiel auf der Insel Gotland. Im legendären Ursprungsland der "Goten" finden wir eine einzigartige Dichte bronze- und eisenzeitlicher Gräberfelder sowie Bildsteine mit Darstellungen aus der nordischen Mythologie vor. Fantastische Silber- und Goldschätze weisen auf die Bedeutung Gotlands für das weitreichende Handelsnetz der Wikinger hin. Darüber hinaus gilt Visby, die Hauptstadt Gotlands, als eigentlicher Ursprung und "Königin" der Hanse, was zahlreiche mittelalterliche Kirchen, eine vollständig erhaltene Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert sowie eine der schönsten Altstädte Europas mit prächtigen Bürgerhäusern eindrucksvoll widerspiegeln.

Die ganze Insel Gotland und deren Nachbarinsel Fårö begeistern zudem mit einzigartiger Natur: Die bizarren Kalklandschaften fesselten einst auch Ingmar Bergman, der sie nicht nur als Drehort mehrerer Filme wählte, sondern hier auch seinen letzten Lebensmittelpunkt fand.

Liebste Reiseziele in Europa: Am meisten zur Ruhe komme ich auf den Nordfriesischen Inseln, am willkommensten fühle ich mich im ehemals österreichischen Teil der Ukraine, in Galizien und der Bukowina, am spannendsten finde ich eine "keltische Spurensuche" im Raum Frankreich-Deutschland-Österreich.

Liebstes Reiseziel in Österreich: Im Winter das Lesachtal, wo nachhaltiger Tourismus vorbildhaft verwirklicht wird, im Sommer die alte Sommerfrischeregion an der Südbahnstrecke Semmering – Rax – Schneeberg, wo einst schon Sigmund Freud und Arthur Schnitzler ihre Urlaube verbrachten.

Liebstes Reiseziel in Oberösterreich: Ich werde mir meiner Wurzeln immer mehr bewusst und schätze das Mühlviertel sehr, sei es zum Langlaufen oder Wandern auf den Spuren von Adalbert Stifter.

Offene Traumreise: Der silberne Ring um St. Petersburg mit den einstigen finnischen und schwedischen Gründungen am Ladogasee und in Nowgorod und von dort weiter Richtung Süden – wie einst die Wikinger – nach "Byzanz".

Für den Tourismus wünsche ich mir sehr, dass sich der nachhaltige und qualitätsvolle Tourismus durchsetzen wird, mit einer starken Betonung des subjektiven Erlebens im Sinne einer Innenschau (Zeit für Selbstreflexion und philosophische Betrachtungen, z.B. im Hinblick auf die Menschen und das Wesen der bereisten Länder).

 

Das Gute liegt oft nah

Zahlreiche Reisen führten mich in meiner langjährigen Reisebürolaufbahn in faszinierende Länder unterschiedlicher Kontinente. Eine besondere Traumreise zu benennen fällt schwer – überall auf der Welt, damals wie heute, begegnete ich interessanten, freundlichen Menschen, machte Bekanntschaft mit fremden Kulturen und versuchte, sie zu verstehen. Diese horizonterweiternden und positiven Erfahrungen flossen nicht selten in Projektausarbeitungen für das OÖN-Leserreisen-Angebot ein, darunter erfolgreiche Dauerrenner wie Kuba von Ost bis West oder Japan zur Kirschblüte.

Doch besonders nah ist mir ein lohnendes Reiseziel, das in angemessener Distanz zu Oberösterreich liegt und möglicherweise schon in Kürze wieder bereist werden kann. Eine Region, mit der ich tief verwurzelt bin und wohin es mich immer wieder zieht, stammt doch meine Familie mütterlicherseits aus Bingen am Rhein. Von der Terrasse meiner Großeltern eröffneten sich wunderbare Blicke auf die gegenüberliegende Rheinseite zu den charakteristisch steilen Weinhängen bis nach Rüdesheim und hinauf zum bekannten Niederwalddenkmal.

Seit 2002 UNESCO-Weltkulturerbe

Seit 2002 ist der Rheingau ab Bingen und Rüdesheim das Kronjuwel unter den deutschen Weintourismusregionen und Eingangstor zum UNESCO-Weltkulturerbe „Oberes Mittelrheintal“. Von hier bis nach Koblenz säumen circa 40 Burgen den Fluss. Gut ausgebaute Wanderwege führen dorthin. Bequemer ist es, die Landschaft an Bord eines der zahlreichen Ausflugsschiffe vorbeiziehen zu lassen.

Auf den Spuren Hildegards

Magnet ist der sagenumwobene und von Dichtern wie Heinrich Heine vielbeschriebene Loreley-Felsen, den man in einem einstündigen Aufstieg auch bezwingen kann. Wer sich der Benediktinerin, Äbtissin, Dichterin und Universalgelehrten Hildegard von Bingen näher widmen möchte, ist in der Abtei St. Hildegard in Eibingen gut aufgehoben. Hier beginnen nicht nur schöne Wanderungen entlang des Hildegardwegs inmitten von Weinbergen, die Abtei verfügt über ein Gästehaus und ein Klosterweingut mit sehr guten Riesling-Weinen: zum Beispiel dem „Benedictus“, einem Rheingau-Riesling aus dem Jahr 2018, Spätlese feinherb – ein Glas dieses eleganten, fruchtigen Weins genießt man gerne.

Mein anziehendster Platz in Oberösterreich ist dort, wo ich wohne, am Almfluss. Hier sind Entspannung und genießerische Ruhe fast garantiert, ein Kraftplatz, ideal zum Wiederaufladen leerer Batterien. Der tägliche Spaziergang in den Almauen entlang des glasklaren Wassers dieses sanften Gebirgsflusses, der sich vom Almsee durch das Almtal zieht und schließlich nach 52 Kilometern beim Almspitz in die Traun mündet, erfreut Collie-Hündin „Alma“ und ihr Herrl gleichermaßen.

Wünsche für den Tourismus: Die Corona-Erkrankungszahlen gehen aktuell erfreulich zurück. Bei aller weiterhin gebotenen Vorsicht bin ich zuversichtlich, dass durch verbesserte Schnelltests schon in absehbarer Zeit, zumindest ab der zweiten Sommerhälfte, Reisen in viele Länder wieder möglich werden können. Sich frei zu bewegen und zu reisen ist ein ureigenes menschliches Grundbedürfnis. Der Tourismus und seine Wertschöpfungsketten schaffen Millionen Arbeitsplätze, somit stellt sich auch eine soziale Frage. Aber wir sind dringend zu einem viel bewussteren Umgang mit ökologischen Ressourcen aufgerufen. Reisen als reines Konsumgut ist out.

Mein persönlicher Wunsch in absehbarer Zeit ist, noch einmal den wunderbaren Iran zu bereisen. Bei meinem letzten Besuch im Jahr 2008 sah es so aus, als würde sich das Land demokratisch öffnen, die Menschen haben sich gefreut und waren voll Hoffnung – leider war das Gegenteil der Fall.

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28. März 2024