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Wo zwölf Monate Weihnachten ist

Von Manfred Lädtke, 03. Dezember 2022, 09:00 Uhr
Wo zwölf Monate Weihnachten ist
Es weihnachtet sehr: Vorfreude auf das Fest im Weihnachtsdorf in Rothenburg ob der Tauber Bild: Deutsches Weihnachtsmuseum

Es werde Licht! Aber nicht zu hell. Energiemangel dimmt in eher finsterer Zeit auch den weihnachtlichen Lichterglanz. Im deutschen Weihnachtsdorf von "Käthe Wohlfahrt" in Rothenburg ob der Tauber gehen jedoch auch in diesem Jahr die Lampen nicht aus. Dort herrscht im festlichen Schein von 122.000 LED-Lämpchen das ganze Jahr über Vorfreude auf den Heiligen Abend

Weihnachtliches Ambiente ohne stimmungsvolle Beleuchtung? Undenkbar für Harald Wohlfahrt, der seit 32 Jahren deutsche Weihnacht von Innsbruck bis Pittsburgh, von Heidelberg bis Bethlehem in die ganze Welt exportiert. Das ewige Lichtermeer aus Ökostrom gehöre zu seiner Ladeninszenierung. Schon vor Jahren habe er den Energieverbrauch drastisch gesenkt, erklärt der Sohn des Gründerpaares Wilhelm und Käthe.

Nicht nur im Winter, wenn’s mal schneit, auch bei 36 Grad Sommerhitze tummeln sich Weihnachtsjunkies und Touristen aus Europa und Übersee in der ständigen Vertretung des deutschen Weihnachtsmannes. Ein mit Geschenken bepackter Oldtimerbus vor der Ladentür ist Hingucker und beliebtes Fotomotiv.

Felicitas Hoeptner, eine von weltweit 280 Beschäftigten und die gute Fee im Stammhaus des Käthe-Wohlfahrt-Unternehmens, klingelt mit dem Glöckchen: "Dorfführung." Im Eingangsbereich mit allerlei festlichem Krimskrams noch eine Treppe hinabsteigen und … wow! Willkommen in der auf Hochglanz polierten Weihnachtswelt. In vier "Dorfvierteln" glitzert und glimmert es auf 1000 Quadratmetern Verkaufsfläche. "Look, wonderful!", schwärmt Kate aus Bristol vor tickenden Kuckucksuhren. Derweil zieht es Töchterchen Poppy hinüber zu kunstvoll bemalten Nikoläusen, drolligen Räuchermännchen, Nussknackern, Rauscheengeln, Adventkalendern und filigranen Kunstwerken aus Holz, Glas oder Zinn.

Einem älteren Herrn haben es poetisch gestaltete figürliche Winterszenen angetan: "Limitierte Editionen", sagt Felicitas Hoeptner stolz. Viele Unikate werden in der hauseigenen Künstlerwerkstatt gefertigt. Da sei jedes Ohr, jede Pupille eines Püppchens filigran geschnitzt, bemalt und geklebt.

Wo zwölf Monate Weihnachten ist
Diese Spieldose mit biblischer Szene und Weihnachtslied ist dem Original aus den 1950er Jahren nachempfunden. Bild: Deutsches Weihnachtsmuseum

Dann führt die Kulturwissenschafterin und PR-Frau auf den "Dorfplatz". Eingerahmt von verschneiten Fachwerkhäuschen und Türmchen leuchten von einem mächtigen 5,70 Meter hohen Baum 122.000 Lichter in die Glückseligkeit. Wonderful Christmas Time. In Schaufenstern und Auslagen gibt es mit 30.000 Artikeln das volle Dekoprogramm. Christbaumschmuck, Schwibbögen, Kugeln, Tischdekos, Waldmännchen, Spieldosen …

Mit einer Musikspieldose aus dem Erzgebirge hatte 1964 alles angefangen, erzählt Hoeptner. Bei ihrer Flucht 1956 aus Sachsen hatten Käthe und Wilhelm Wohlfahrt ein Exemplar mit nach Westdeutschland genommen. Sieben Jahre später luden die Wohlfahrts eine amerikanische Offiziersfamilie zum Weihnachtsfest ein, die das Stück ganz besonders "lovely" fand. Wilhelm wollte seinen Freunden ein Exemplar schenken. Als er sich auf die Suche nach einer Spieldose machte, traf er auf einen Großhändler. Der verscherbelte seine Ware aber nur im Zehnerpack. Wilhelm griff trotzdem zu. Den Rest verkaufte er an Haustüren der Wohnblöcke schwäbischer US-Kasernen. Die Nachfrage nach dem Symbol deutscher Weihnachtstradition war so groß, dass selbst unter dem Jahr Sortimente aus dem Erzgebirge Keller und Wohnung des Ehepaares bis unters Dach füllten und weitere Schmuckstücke aus dem Osten hermussten. Auf Wohltätigkeitsbasaren für stationierte Soldaten wechselte die Ware dann den Besitzer.

Wo zwölf Monate Weihnachten ist
Stille Romantik in der Altstadt Bild: Willi Pfitzinger

Ein scheinbar unwirtschaftliches Geschäft gab den Impuls für einen profitablen und krisensicheren Dauerläufer durch die Jahrzehnte. Weil der Vater damals in einem großen Unternehmen arbeitete, wurde die Firma auf den Namen seiner Ehefrau eingetragen. Später sprach sich die Geschäftsidee "Käthe Wohlfahrt" bis zu den Scouts von Harrods in London oder Kaufhäusern in Paris und Tokio herum.

Als Erinnerung an die Heimat blieb die alte Original-Spieldose in Familienbesitz. Nachbildungen sind mit einem Schweizer Musikwerk erhältlich. Aber nicht immer. Pech für zwei Kunden aus dem Burgenland. Die begehrten Automaten füllen wieder im Advent die Regale, erfahren sie von einer Verkäuferin. Hat da etwa ein Promi alles eingesackt? An Prominenz fehlt es in der Herrengasse 1 nämlich keineswegs. Karlheinz Böhm absolvierte in dem Erlebnisfachgeschäft seine Weihnachtseinkäufe, und Whoopy Goldberg und Arnold Schwarzenegger erlebten unter dem Sternenhimmel der Christmas-Wunderwelt ebenso ein weihnachtliches Wohlgefühl wie andere Größen aus dem Showgeschäft.

Wo zwölf Monate Weihnachten ist
Der Weihnachtsmann als Rockstar Bild: Deutsches Weihnachtsmuseum

Extra-Toilette für Hoheiten

Tauchen Stars und Sternchen meistens inkognito auf, fahren gekrönte Häupter aus dem Morgenland oder Asien oft mit einem halben Dutzend Limousinen vor. Und weil ja Weihnachten ist und man einer kaufkräftigen Prinzessin ohnehin nichts abschlagen darf, wird im Weihnachtsdorf für eine Hoheit auch schon einmal eine Extra-Toilette eingerichtet sowie dem Wunsch nach einem eigenen Bad entsprochen.

Mittlerweile ist auch die Kundschaft aus Österreich auf ihre Kosten gekommen. Anstelle einer Spieldose tut es auch der Rocking-Weihnachtsmann mit Gitarre. Der gibt zwar keinen Ton von sich, sieht aber cool aus. Schnell noch die Baumspitze, ein paar Räucherkerzen, die feierliche Tischdecke, zwei Weihnachtsgurken aus Glas und Bienenwachskerzen ins Körbchen. Der Gatte zahlt, die Dame lächelt zufrieden: "Dankschön. Wiederschau’n."

Böige Winde treiben immer wieder Schauerwolken über das mittelalterliche Städtchen mit seinen lediglich 11.000 Einwohnern aber fast zwei Millionen Besuchern im Jahr. Manchmal kommen Gäste nur, um sich aufzuwärmen, zu schauen, zu staunen, oder sie zücken ihr Handy, hat Felicitas Hoeptner beobachtet. "No pictures, please", werden sie dann von Verkäuferinnen freundlich gebeten. Kaum haben die sich umgedreht, macht’s klick.

Wiener Weihnachtsmann?

Will Kundschaft all die Ware zwischen Kostbarkeit, Rarität und Nippes historischen Ursprüngen zuordnen, ist sie eine Etage höher im Weihnachtsmuseum richtig. In der Dauerausstellung sind weihnachtliche Sitten, Gebräuche und Entwicklungen in mehreren Sprachen nachvollziehbar. Das thüringische Lauscha sei die Wiege des gläsernen Weihnachtsschmucks, liest eine Holländerin und kommentiert: "Ik hou van glaskunst." (Ich liebe Glaskunst) Als sich eine Industrie auf die Produktion der Dekorationen spezialisierte, formulierte 1893 eine Zeitung: "Der Baum muss glänzen, glitzern, funkeln, blenden, dass einem die Augen übergehen."

Wo zwölf Monate Weihnachten ist
Nostalgischer Bus vor dem deutschen Weihnachts-Hotspot Bild: Deutsches Weihnachtsmuseum

Da strahlte nicht nur der Weihnachtsmann. Wer nun meint, der Rauschebart im roten Gewand sei eine Erfindung von Coca-Cola, der glaubt auch an den Weihnachtsmann. Von vielen märchenhaften Erklärungen zur Herkunft des alten Kerls favorisiert das Museum eine Zeichnung des in Österreich geborenen Moritz von Schwind. Der hatte 1847 in einer Münchener Zeitschrift unter dem Titel "Herr Winter" eine Bildergeschichte mit dem Bärtigen in Bärenstiefeln und langem Mantel veröffentlicht. Für Coca-Cola sei das der Prototyp für die spätere Werbefigur gewesen. Der Weihnachtsmann ist also ein Münchener. Oder ein Wiener.

Reise-Infos

Das Weihnachtsdorf mit Museum ist täglich von 10 bis 18, sonntags von 11 bis 17 Uhr geöffnet und nur ca. einen Kilometer vom Bahnhof entfernt. kaethe-wohlfahrt.com

Informationen zu Rothenburg ob der Tauber: rothenburg.de

Bahnanreise: Linz–Nürnberg–Dombühl–Rothenburg, Fahrzeit: 4 Stunden, 56 Minuten

Unterkunft:

Weihnachtsmarkt: Seit rund 500 Jahren gibt es den Reiterlesmarkt. Er zählt zu den schönsten Weihnachtsmärkten Deutschlands. Der Hüttenzauber auf dem Marktplatz endet am 23. Dezember.

Auch einen Besuch wert: Das Kriminalmuseum in Rothenburg zählt zu den am meisten besuchten Ausstellungshäusern in Deutschland. kriminalmuseum.eu

Probieren: Rothenburger Schneeballen aus Mürbteig. Festtagsgebäck wahlweise mit Mandelsplitter, Schokoladenguss, Puder- oder Zimtzucker.

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2  Kommentare
2  Kommentare
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teja (5.843 Kommentare)
am 04.12.2022 18:22

Wunderschön das Rotenburg ob der Tauber. Auch in Bozen ist ein Weihnachtsmarkt ganzjährig geöffnet.

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Gugelbua (31.882 Kommentare)
am 03.12.2022 14:32

Da überkommt einem das Gruseln 😶

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