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Wo der Steinbock grüßt ...

Von Karin Haas   29.August 2020

Der 2132 Meter hohe Berg Pilatus nahe Luzern weist nicht nur die steilste Zahnradbahn der Welt und ein historisches Hotel in Gletscher-Augenhöhe auf. Man staunt auch über Steinbockherden und lässt sich auf halbem Wege in zwischen Bäumen aufgehängten Zelten in den Schlaf schaukeln. Früher mag es hier wie in "Little China" gewesen sein, doch in Zeiten von Corona hat man den Parade-Berg am Vierwaldstättersee für sich. So wenig überlaufen wird man nie wieder so viel Schweiz bekommen.

Dies sehr zum Leidwesen der Schweizer Uhrenhersteller wie etwa Bucherer. Am Schwanenplatz in Luzern war der Quadratmeter-Umsatz der Luxusmarke ähnlich hoch wie am Times Square in New York. Mit Betonung auf "war". Denn die Busse mit asiatischen Gästen bleiben aus. Weshalb die Uhreninstitution ihr Geschäft in der Pilatus-Bergstation derzeit gar nicht aufsperrt. Da es am Pilatus, auf dem einst Drachen gelebt haben sollen, was ihm den Beinamen Drachenberg einbrachte, viel frische Luft und neue Attraktionen gibt, kann dem Virus im Urlaub eine lange Nase gedreht werden. Zumal in den Bergbahnen (wie in allen öffentlichen Verkehrsmitteln in der Schweiz inklusive Schiffen) eine strenge Maskenpflicht gilt.

Fräkmüntegg heißt in bestem Schweizerisch die in 1470 Metern Seehöhe gelegene Mittelstation auf dem Weg auf den Drachenberg. Dort hat sich der größte Hochseilpark der Zentralschweiz an den Bäumen festgekrallt. Zehn Parcours von leicht für Kinder bis schwer für Gleichgewichts-Geübte warten darauf, sicher mit Karabiner und Klettergurt bezwungen zu werden. Der Höhepunkt lauert auf einer Plattform hoch oben auf einem Baumwipfel, der mutig über ein schwankendes Stahlseilgeflecht und eine mehr als instabile Hängeleiter erreicht werden muss. 20 Meter freier Fall und eine Extra-Dosis Adrenalin winken dem Mutigen, der sich dort in die Tiefe stürzt.

Wo der Steinbock grüßt ...
Luzern liegt am Vierwaldstättersee. Die Kapellbrücke mit Wasserturm ist das Wahrzeichen der Stadt.

Drachensprung im freien Fall

Er wird auf den letzten fünf Metern gebremst und von einer Matte sicher empfangen. Dragon-Jump (Drachensprung) wird Marketing-bewusst die Mutprobe genannt. "Spring, Sarka, spring", ruft die Instruktorin vom sicheren Boden aus. Sarka Risch, die Marketingmanagerin der Pilatus Bahnen AG, hatte sich bereits Monate zuvor in die schwindelnde Tiefe gestürzt. Doch heute scheint ihr so gar nicht danach zu sein. Die sportlich-durchtrainierte junge Frau sitzt auf der Plattform und baumelt mit den Füßen. "Spring", ermuntert die Instruktorin in schwerem Klettergeschirr ein letztes Mal. Dann klettert sie nach oben und stößt Sarka (die sicher unten ankommen wird) ins Leere. So an die fünf Mal pro Tag muss dem Mut so nachgeholfen werden. Denn von der Plattform hoch oben auf dem Baum gibt es kein Zurück auf die Hängebrücke.

Weniger mutbehaftet und für alle ist der "Dragon Ride". Er wird, aufgehängt im Gurtsitz, auf einer Schiene absolviert und bietet zwei Minuten flotte Talfahrt. Für wirklich jede Altersgruppe lockt ein netzumhüllter Baumwipfelpfad.

Zurück zur absoluten Mutprobe, dem Dragon Jump im freien Fall. Lachen löst die Spannung, und der Duft von Gegrilltem lockt auf die Terrasse des Bergrestaurants Fräkmüntegg. Dort werden jene, die den Berg ab 17 Uhr für sich allein haben, mit einem Barbecue verwöhnt, bevor sie in ihre Baumzelte schlüpfen.

Abenteuer Baumzelt

Umgerechnet 130 Euro für Erwachsene kostet der Spaß inklusive Berg- und Talfahrt, Kletterpark von 17 bis 20 Uhr ohne "gemeinem Bergvolk", Gegrilltes so viel man will und Frühstück (www.pilatus.ch/entdecken/tree-tents-fraekmuentegg). Die Zelte sind ein Abenteuer. Textile Nuss-Schalen für maximal drei Personen hängen in luftiger Höhe auf "Slack Lines" zwischen Bäumen. Slack Lines sind jene "schwingenden Packgurte", auf denen man sonst balanciert. Schlafsack und Matte werden bereitgestellt. Der Eintritt in den Schlafbereich gestaltet sich als Sprung nach oben. Das kann als Bauchfleck mit Nasenradierer auf dem Zeltboden enden. Dann platziert man sich am besten in der Mitte. Sonst ist die Tendenz, schaukelnd in eine Ecke zu rollen, zu groß.

Nach dieser Baumzelterfahrung ist man nicht nur leicht seekrank nach schwankendem Schlaf, sondern weiß auch um die Segnung einer Stirnlampe in schwarzer Nacht. Morgens verlässt man die Behausung wie ein Seemann nach Fahrt auf rauer See. Das Gleichgewicht ist wieder im Lot, bis die Bahn beginnt, Menschen nach oben zu schaufeln.

Queen Victoria ließ sich zum Gipfel tragen

Dann heißt es zum Mund-Nasen-Schutz greifen und den Pilatus mit der "Luftseilbahn" (wie die Schweizer sagen) ganz zu erklimmen. Queen Viktoria hat sich tragen lassen, allerdings von einem Esel. Vielleicht heißt die Bergspitze auch deshalb "Esel" . Vom historischen Hotel Pilatus Kulm, das den Charme der vorigen Jahrhundertwende versprüht, lässt sich der Gipfel auf einem vielfach gesicherten Weg gefahrlos besteigen. Die in den Berg gesprengte "Drachengalerie" bietet ein auch mit dem Kinderwagen erfahrbares Hochgebirgserlebnis.

Die Aussicht ist mit Steinböcken garniert. Diese wurden vor mehr als 50 Jahren, nachdem sie im Alpengebiet fast ausgestorben waren, hier wieder angesiedelt. Heute sind die mehr als 100 behörnten Exemplare eine At

traktion und mangels natürlicher Feinde das Gegenteil von scheu. Sie lassen sich auch von Hunderten klickenden Kameras und Entzückungsrufen aus wenigen Metern Entfernung nicht stören.

Fotopirsch mit Steinbock-Scout

Einzig Paragleiter können Steinböcke in Raserei versetzen. Der über Gipfel streichende Schatten erinnert sie an den Anflug von Adlern, die nach ihren Kitze krallen wollen. Dieses Szenario doziert in geduldig-langsamem, Schriftdeutsch-verbrämtem Schwyzerdütsch der Steinbock-Scout Walter Wallimann. Der pensionierte Wildhüter, wohnt am Fuße des Pilatus und leitet die Steinbock-Safaris. Er spürt die edlen Tiere auch dann auf, wenn sie sich nicht im Nahbereich präsentieren.

Auf dem Weg zum Tomlishorn, ein Prachtgipfel unweit der Bergstation und dank eines ausgebauten Weges von jedem erreichbar, gibt es auch anderes alpines Anschauungsmaterial. Der Weg dorthin ist ein alpiner botanischer Garten, bestückt mit Beschreibungstafeln. Man staunt über langsporniges hahnenfußblättriges Hasenohr, rundköpfige Rapunzel, quirlblättriges Läusekraut, Distel-Würger und vielgestaltiges Berufskraut.

Hochalpiner Sonnenaufgang

Das macht hungrig. Dem Bauchknurren kann auf der Terrasse des Hotel Pilatus Kulm abgeholfen werden. Gourmets buchen eine Nacht. Dann steht ihnen auch ein Dinner im historischen Queen-Victoria-Saal offen, für das es als Entree etwa Käse-Zwiebelquiche mit Bauernspeck, marinierte Melonenwürfel, Salat mit Croutons, Kräuter-Couscous und Fladenbrot vom Grill gibt. In den königlichen Genuss kommen auch Gäste, die im benachbarten und preislich günstigeren Hotel Bellevue nächtigen, das den speziellen Charme der 1960er-Jahre versprüht und ebenfalls der Pilatus Bahnen AG gehört. Den hochalpinen Sonnenaufgang gibt es da wie dort als Draufgabe.

Verlassen sollte man den Pilatus mit der Zahnradbahn. Mit der Präzision eines Uhrwerks überwindet die steilste Zahnradbahn der Welt 48 Prozent Gefälle, und das seit 1889. Man entsteigt ihr in Alpnachstad. Der Weg zurück nach Luzern ist am lustvollsten per Schiff zu überwinden. Die Fahrt über den Vierwaldstättersee ist im sogenannten "Swiss Travel Pass", einer tollen Erfindung der Öffi-geübten Schweiz, enthalten. Der vereint, tageweise buchbar, Bahn, Bus, Straßenbahn, Schiff und Seilbahnen und bietet überdies freien Eintritt in mehr als 500 Schweizer Museen. Grüezi und Uf Wiederluege mitenand!

Schweiz, einmal anders

Hotel und Steinbock-Safari: Am 7./8. Oktober, 14./15. Oktober und 21./22. Oktober ist heuer noch die Steinbock-Safari am Pilatus möglich. Ab 311 Euro gibt es Berg- und Talfahrt, Apero mit Steinbock-Vortrag, Vier-Gang-Menü, Nächtigung, etwa im Hotel Pilatus Kulm, morgendliche Fotopirsch mit Scout, Frühstück und Steinbockbuch.

  • www.pilatus.ch/entdecken/steinbock-safari

Bequem reisen: Luzern erreicht man mit dem Zug mit einmaligem Umsteigen in Zürich mehrmals täglich ab Linz, und das mit Sparschiene bis Zürich ab 19 Euro. Bequemer geht es mit dem Night-Jet. Oder man nimmt einen Flug ab Wien (Swiss, knapp eineinhalb Stunden, ab 280 Euro hin und retour).

Weitere Infos: Schweiz Tourismus, Schwindgasse 20, 1040 Wien, 0800 100 200 30 (kostenlos)

  • www.myswitzerland.com
  • www.luzern.com
  • www.pilatus.ch
  • www.swisstravelsystem.com
  • www.oebb.at/sparschiene
Wo der Steinbock grüßt ...
Alphornbläser vor dem Hotel Bellevue am Berg Pilatus
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