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Wilde Erdbeer-Schlucht: Mallorca abseits der Massen

Von Christian Schreiber, 01. Mai 2022, 14:00 Uhr
Wilde Erdbeer- Schlucht
Kleiner Mensch, große Felsen Bild: Schreiber

Mallorca abseits der Massen auf dem neuen Schmugglerweg entdecken. Die "Ruta del Contraban" führt ins Gebirge und mitten hinein ins mallorquinische Leben. Man trifft auf Einheimische und entdeckt fantastische Aussichtspunkte.

Die Erdbeeren wachsen auf Bäumen. Mit einem Stock schaffen wir es, eine reife Frucht zu angeln. Sie ist innen leicht matschig, aber süß. Der Erdbeerbaum "Madroño" ist nicht die einzige Überraschung bei unserem Mallorca-Trip. Wir begegnen fast ausschließlich Einheimischen, wohnen in kleinen Hotels und Gästehäusern, essen in Restaurants, in denen die Bedienung nur spanisch spricht und keine deutschen oder englischen Speisekarten ausliegen. Wir wandern sorglos durch die Berge, stoßen auf Aussichtspunkte, die bis dato nur ein paar wilde Ziegen für sich entdeckt haben, und fragen uns schon bald: Wo sind die 14 Millionen Touristen, die jährlich die Insel stürmen, wenn nicht gerade Pandemie ist? Jedenfalls nicht hier in der Tramuntana, dem wilden und ursprünglichen Gebirge, das den Unesco-Welterbe-Status trägt.

Um den Trubel herum

Natürlich gibt es auch in den Bergen Hotspots mit großen Parkplätzen und Menschen, die sich vor billigen Imbissbuden drängen. Aber unsere Tour führt stets um den Trubel herum. Wir wandern auf der "Ruta del Contraban", dem Schmugglerweg, der sich zwischen Valldemossa und Lluc an der Nordküste schlängelt. Es ist ein ständiges Auf und Ab. Einmal sind wir dem Wasser, dann wieder dem Himmel ganz nah. Der 80-Kilometer-Trip ist aufgeteilt auf fünf Etappen. Man braucht schon Kondition, um auch einmal zwei Stunden lang aufzusteigen. Das Gepäck haben wir mit dem Bus vorausgeschickt. Nur ein kleiner Tages-Rucksack klebt schweißnaßt am Rücken.

Wilde Erdbeer- Schlucht
Die Nordküste Mallorcas Bild: ASI

Hingegen hatten die Schmuggler, die hier vor 50 Jahren noch unterwegs waren, angeblich 60, 70 Kilo auf dem Rücken. Wer wissen will, warum sich damals Fischer aufmachten, um Pakete voller Kaffee oder Tabak oder Autoersatzteile von großen Kähnen abzuholen, die nachts vor Mallorca ankerten, der landet bei Franco und seiner Diktatur der Mangelwirtschaft. Die Menschen auf der Insel waren noch ärmer als jene auf dem Festland. In einer Schmuggelnacht konnten sie einen ganzen Monatslohn verdienen. Die Sache war professionell organisiert: Wenn die Fischer in den kleinen Buchten fern der Dörfer ankamen, warteten Bauern und Burschen. Sie packten die Ware auf den Rücken und trugen sie in Verstecke.

Auch wir stoßen auf kleine Erdhöhlen, welche die Schmuggler nutzten. Sie hängten die einzelnen Dosen an lange Seile und ließen sie in die Tiefe hinab. Solche Plätze findet nur, wer die richtigen Begleiter hat. Wir sprechen von einem echten Insider, einem Guide, der die ehemaligen Schmuggler besucht und nach einigen Runden Schnaps ihr Vertrauen gewonnen hat, ihre Sitten kennt und fließend mallorquinisch spricht. Kurzum: einen wie Hendrik Uhlemann, einen waschechten Sachsen, der mitten in der Pampa Mallorcas wohnt.

Vor 16 Jahren kam der Ingenieur auf die Insel. Es sollte ein kurzer Aufenthalt werden, denn eigentlich wollte Hendrik weiter nach Südamerika, um als Entwicklungshelfer zu arbeiten. Er fing als Installateur an, baute dann Solaranlagen – bis ihn ein Burnout flachlegte und er begann, die Bergwelt zu erkunden, um wieder auf die Füße zu kommen. Mittlerweile ist er verheiratet, hat zwei Kinder und kann sich nichts Besseres vorstellen, als Menschen auf einsamen Pfaden über die Insel zu lotsen. Die Schmugglertour führt durch die Wald- und Bergwelt Mallorcas und immer wieder mitten hinein ins mallorquinische Leben und seine Küche.

Wilde Erdbeer- Schlucht
Die Felsformationen im Torrent de Pareis sind eindrücklich. Bild: Schreiber

Best-of an Aussichtspunkten

Schon bald nach dem Start in Valldemossa ist die Wandergruppe verzückt. Im "Restaurante Can Costa" steht der Koch am offenen Feuer und grillt Fleischstücke, die kaum auf den Teller passen. Es sind nur einheimische Gäste da, die "Caragols" und "Frito Mallorquin" bestellen und dann gekochte Schnecken aus ihren Häusern holen, ehe sie sich den Eintopf mit Leber schmecken lassen. Als wir um eine deutsche Speisekarte Karte bitten, zuckt der Kellner nur mit den Schultern. Hendrik übersetzt und wir diskutieren nach dem köstlichen Essen, welcher der schönste Aussichtspunkt war. Eine Einigung ist nicht möglich, aber wir legen zumindest eine Top-5-Liste des Tages an, die auch Hendrik wohlwollend abnickt.

Der 43-Jährige hat die Schmugglertour zusammen mit dem Wanderreisen-Veranstalter ASI aus Innsbruck ausgearbeitet. Wer nicht in der Gruppe losziehen will, bucht eine individuelle Tour. Es gibt verschiedene Schwierigkeitsgrade, man kann die Tagesetappen auch verkürzen. Transfers und Hotels sind inkludiert. Wer allein unterwegs ist, erhält die GPS-Daten und eine 60 Seiten dicke Wegbeschreibung mit Fotos. Denn auf Mallorca existieren nur wenige ausgeschilderte oder markierte Routen.

Wie wichtig ein Guide sein kann, merkt man im Torrent de Pareis. Die bekannteste Schlucht Mallorcas ist eine Herausforderung für Wanderer. Der Start im Örtchen Sa Calobra ist gemächlich, die Schuhe versinken im Kies, Singvögel zwitschern gute Laune von den Bäumen, und in den Tümpeln, die ganzjährig am Rande der Schlucht stehen, schnappen Fische nach Mücken. Bald ist nur noch das Meckern der Ziegen zu hören, die in den steilen Felswänden stehen, während wir über die ersten Felsbrocken klettern, die so groß sind wie Kleinbusse.

"Aufm Popo drüberrutschen"

Wir zwängen uns durch Spalten, stemmen uns mit den Füßen von Felsvorsprüngen ab und greifen mit den Fingern in kleine Löcher in den Steinen, um uns nach oben zu ziehen. Obwohl Hendrik die Schlucht schon zigmal durchquert hat, muss auch er stets nach dem besten Weg suchen, aber er weiß, wie man die Schlüsselstellen angeht. "Aufm Popo drüberrutschen", ruft der 43-Jährige, wenn die Füße wieder einmal zu kurz sind, um von einem Felsen herrunterzukommen.

Die Wanderung ist nur zwischen April und Oktober möglich. Im Herbst und Winter rauscht das Wasser durch die Schlucht und schleift den Kalkstein in unermüdlicher Arbeit rund. Als Regen einsetzt, werden die runden Steine plötzlich gefährlich rutschig, manchmal hat man das Gefühl, auf Schmierseife zu stehen. Wir müssen leider umkehren, denn die schierigeren Steilstufen und Kletterstellen liegen noch vor uns.

Bad im Meer bei Mondschein

Zurück im überlaufenen Sa Calobra treten wir sofort die Flucht in die Nachbarschlucht Cala Tuente an. Die Badegäste haben sich längst verabschiedet. Es gibt hier nur ein Restaurant. Es gehört Jaume Celiá. Um 17 Uhr schließt er sein Lokal und schickt die letzten Ausflügler zurück in ihre Bettenburgen nach Palma. In seinem Gästehaus gibt es nur zehn Schlafplätze – und die gehören heute Nacht uns. Eine ganze Bucht für uns allein.

Die Sonne schickt einen letzten Gruß, während wir die Badesachen überstreifen und ins Meer steigen. Ja, es wird kitschig, denn der Mond taucht zum Finale auf und leuchtet uns den Weg zurück ins Gästehaus, wo Jaume Tortilla und Tomatensalat zubereitet hat. Sein Vater war Busfahrer, als Kind durfte er manchmal mitkommen, wenn die Tour nach Cala Tuente ging. Damals nahm er sich fest vor, hier ein Hotel aufzumachen. Sein Vater gab ihm den Rat mit auf den Weg, einen Baum zu pflanzen. Es wurde ein Erdbeerbaum. Er steht in der Bucht, und manchmal kommen neugierige Wanderer und naschen von seinen süßen Früchten.

Wissenswertes

  • Schlafen: Entlang des Schmugglerweges gibt es viele Unterkünfte von einfach bis luxuriös. Durch eine besonders schöne und einsame Küstenlage besticht das „Continental“ in Valldemossa (de.hotelcontinentalvalldemossa.com).
    Noch einsamer geht es im Gästehaus „Es Vergeret“ in der Bucht Cala Tuent zu (esvergeret.com).
    Trubel herrscht in Port Soller, dafür bietet das „Esport“ historisches Ambiente der Extraklasse (hotelesport.com).
  • Essen: Eine junge Familie hat dem Restaurant „Can Costa“ bei Valldemossa neues Leben eingehaucht. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, alte mallorquinische Rezepte zu bewahren und serviert den Gästen authentische Gerichte, die man in den großen Hotels vergeblich sucht. cancostavalldemossa.com/home-de
  • Tipps: Zur Orientierung empfiehlt sich eine Wanderkarte (z. B. „Mallorca – Alle Wege in der Serra Tramuntana, map solutions 17,80 Euro). Von einer ganz neuen Seite lässt sich die Inseln bei einer Schifffahrt erleben. Entlang der Felsenküste geht es zum Beispiel von Cala Tuent nach Port Soller (barcoscalobra.com).
  • Preisbeispiele: ASI Reisen bietet die Ruta del Contraban als Kleingruppenreise mit Guide oder individuell mit GPS und Tripnotes an. Gruppenreise mit 6 Nächten inkl. Flug ab 1350; individuell ab 695 Euro (ohne Flug). rutacontraban.com
  • Nähere Informationen: illesbalears.travel/de/baleares
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