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Über die Trockenbrotscharte zum Kaiserschmarrn

Von Stefan Kalmar   26.September 2020

Wir hielten Rast auf 2200 Meter Seehöhe. Der Almrausch stand Mitte Juli in dieser Höhe noch in voller Blüte, das Gras war weich und saftig grün und passende Felsblöcke lagen herum zum Anlehnen. Wir schauten hinunter auf den oberen Landawirsee. Der blaue Himmel spiegelte sich darin und ein paar Schäfchenwolken. Wir tranken Quellwasser und aßen trocken gewordenes Brot aus dem selten gewordenen Tauernroggen. Rundum zum Wohlfühlen also. Reiner Zufall, dass der Übergang ins Ennstal just Trockenbrotscharte heißt.

Über die Trockenbrotscharte zum Kaiserschmarrn
Vom Oberen Landwirsee über den Gipfel des Pietrach zur Trockenbrotscharte

Brotneid – von wegen lammfromm

Bisher dachte ich, Schafe wären lammfromm, ein bisschen belämmert und bedürften des sprichwörtlichen guten Hirten. Aber diese waren anders. Nicht nur die drei schwarzen. Etwa hundert Meter oberhalb quert eine kleine Herde den Steilhang. Kaum hören wir es bimmeln, kommen sie auch schon angetrabt, erst langsam und dann immer schneller. Wir springen auf, halten das Brot über unsere Köpfe – zu spät, wir werden gestoßen und gequetscht und müssen uns vom Proviant trennen. Der Papiersack wird zum Glück nicht gefressen und nach vollbrachter Tat mit einer Hinterlassenschaft versehen. Ich habe zum Gedenken eine Steinpyramide darüber errichtet. Wir befinden uns auf dem Arnoweg. Entlang des Zentralalpenkamms öffnen sich großartige Ausblicke. Am Giglachsee mit der gleichnamigen Hütte haben wir die Dachstein-Südwand vor der Nase. Das Bild in der Abendsonne wird bleiben. Bis zum Sepp auf der Landawirseehütte sind es gut sechs Stunden Gehzeit hinauf und hinunter durch ein Amphitheater aus schroffem Fels und Schuttkaren. Früh aufstehen schont den Kreislauf, je höher oben, umso weniger Schatten. Dafür hat der Sepp eine ausgiebige Kasknödelsuppe.

Über die Trockenbrotscharte zum Kaiserschmarrn
Gefräßige Schafherde auf dem Arnoweg

Märchenhafte Bergwildnis

Gegen Sonnenaufgang thront der Hochgolling, mit 2862 Metern der höchste Berg im Lungau sowie der gesamten niederen Tauern. Die tausend Meter hohe Nordwand ist eine bedeutende Klettertour, der "Normalanstieg" über den brüchigen, ausgesetzten Grat respektgebietend. Die von den Schladminger Tauern nach Süden ziehenden Täler und Gebirgsrücken bestehen allesamt aus dunklem, wasserreichem Urgestein, und die Vegetation erreicht große Höhe. Von den steilen Hängen rauschen Wasserfälle und in den bis tief zwischen den Bergen ebenen Tälern schlängeln sich türkisblaue Bäche. Blumenwiesen und malerische Gruppen von Erlen begleiten das völlig lautlose Strömen. Höchstens der Sprung einer Forelle erzeugt ein leises Glucksen. Wer am Arnoweg vom Sepp hinunter ins Göriachtal steigt, wird genüsslich im kalten Wasser waten und bei der Hansal-Hütte den Kaiserschmarrn zum Nachtisch bestellen.

Die etwa zehn Kilometer langen Täler werden von Bussen mit Haltestellen bei den Hütten und am Beginn von Wanderwegen erschlossen. Das Panorama lässt sich also auch ohne Anstrengung genießen. Der Wanderweg verläuft parallel durch Wald und Wiesen meist abseits der Straße. Die seitlich abzweigenden Pfade führen jäh bergan in eine Art Zauberwald mit dicken Moospolstern, mannshohem Farn und vermodernden Resten von Baumriesen. Wiederholt queren wir steile, feuchte Rinnsale, welche nach einem Unwetter zu unüberwindlichen Hindernissen anschwellen können. Über der Baumgrenze warten sagenumwobene Bergseen, Gipfel und Almen. Zu all den Sagen verweisen vor Ort hübsche Stelen auf das Buch "Lungauer Sagenschatz", einer Art Gedächtnis der Region.

Zur Granglitzalm führt der Arnoweg als bequemer Forstweg. Das Hüttendorf liegt an der Baumgrenze auf 2000 Meter Höhe. Die Almhütten bieten fantastische Fernsicht und werden auch vermietet. In den vergangenen Jahren wurde der Nachfrage von Bikern Rechnung getragen – 44 Ladestationen wurden installiert, 17 Genussstrecken und die "Lungau extrem" wurden geschaffen. Die Strecke vom Göriachtal über die Granglitzalmen und die Wildbachhütte ins Lessachtal ist eine von ihnen.

Tradition und Kultur

Wo die Täler sich zur zentralen Hochfläche des Lungau weiten, repräsentieren häufig traditionelle Erbhöfe Bauernglück und – Stolz. Die Blumenpracht auf dem nahezu schwarz gedunkelten Holz bedeutet von Generation zu Generation einen Halbtagsjob für die jeweilige Großmutter. Hinzu kommen die typischen Bauerngärten mit den zwischen Kräutern und Gemüse wuchernden Blumen. Geradezu verliebt sind die Lungauer in ihre jahrhundertealten Getreidespeicher, die "Troadkästen" – ein extra Aufputz für die prachtvoll restaurierten Ortskerne.

Der Musiksommer St. Leonhard steht ab heuer unter der Schirmherrschaft von Professor Klaus Albrecht Schröder, dem Generaldirektor der Wiener Albertina. Die spätgotische Wallfahrtskirche St. Leonhard gibt den Rahmen für hochkarätige Konzerte. Der Bogen spannt sich von der Renaissance bis zur Wiener Klassik, von der zeitgenössischen Adaption bis zum Grenzlandchor Arnoldstein.

Über die Trockenbrotscharte zum Kaiserschmarrn
Marktgemeindeamt in Mauterndorf

Natur und Naturprodukte

Von der Bushaltestelle Hoislalm im Riedingtal bringt uns ein steiler Forstweg zur Franz-Fischer-Hütte inmitten bizarrer, kahler Gipfel aus hellem Kalkfels. Das Mosermandl beherrscht mit 2680 Metern die nördliche Talseite und wir wandern unterhalb der kilometerlangen Kare. Gegenüber auf der Südseite liegt der Riesenbuckel vom Weißeck, ein 2700 Meter hoher, kaum strukturierter und völlig kahler Gipfel. Der Arnoweg verläuft nahezu in gleicher Höhe auf ebenem, paradiesischen Almboden.

Das Bild ist gemäldereif: Sanft schwingen Wälder und Kuppen von den Almen ins weite blaue Tal und fern leuchten die Gletscher der Hochalmspitze. Vor uns liegt eine ganze Wiese voll Enzian, voll blauer Kelche, in denen die Augen ertrinken, und Dutzende Meter weite Matten von Almrausch. Trotzdem, Almrauschhonig ist selten. Im Lungau gibt es etwa 180 Imker. Rupert hatte sein erstes Bienenvolk mit vierzehn. Sein Vater hatte Bienen und auch schon der Großvater. 2018 war das schlechteste Jahr, seit er mit der Imkerei begonnen hat. Bis heute weiß niemand, auch die Wissenschafter nicht, warum. Wir sprechen über die Varroamilbe und das Bienensterben und darüber, dass er sich mit Erfolg an die Vorgaben des Obmanns hält, manche Imker aber dazu anderer Meinung sind. Ich unterhalte mich darüber mit Edi Hötzer vom Bauernladen am Marktplatz in Tamsweg. "Ma bringt net drei Bauern unta an Huat", sagt er. Offenbar ist das bei den Imkern noch schwieriger.

Der Laden bietet eine Vielfalt von Produkten und Qualitäten verschiedener Hersteller. Brot aus dem gut zwei Meter hoch wachsenden Tauernroggen zählt zum besten.

Beim Club Tatort in Tamsweg ist der Name Programm. Vor dem Montanmuseum Bundschuh, einem aufgelassenen Hochofen, treffen wir eine Gruppe junger Leute in grünem Tatort-T-Shirt. Sie sind gut drauf, weil sie Gelegenheit haben etwas aufzustellen, und zwar Kohlenmeiler unter Anleitung von Peter Moser. Einer raucht bereits. Das Handwerk war schwierig zu erlernen, erinnert sich Peter. Der Einheimische Köhler war schon lange tot und seine Frau sagte nur: "Ich weiß gar nix. Ich bin froh, dass er weg ist. Immer hat er gestunken und war dreckig". Hans Wieser aus der Kalten Kuchl wiederum sagte: "Ich kann dir gar nix sagen. So ein Meiler hat menschliche Züge. Jeder ist anders. Du musst selbst draufkommen". Auf der Rückseite der T-Shirts steht: "Lasst uns Taten setzen".

Wege und Hütten

Der Arnoweg: Der Rundwanderweg führt in alle Landschafts- und Klimazonen Salzburgs, vom lieblichen Mattsee bis zum vergletscherten großen Wiesbachhorn mit 3564 Metern Höhe. Und er berührt kunsthistorische Juwele wie die Kirche St. Leonhard aus dem Spätmittelalter in Tamsweg.

Berghütten:
Zaunerhütte: Familie Kremsner, 0650/3870063, zauneralm@aon.at;
Wildbachhütte: Familie Kocher, 0664/4107513, kochjako@yahoo.de;
Franz-Fischer-Hütte: Evelyn Faber, 0664/75090769, franzfischerhuette@gmx.at;
Landawirseehütte: Josef Schiestl, 0676/7785375, landawirseehuette@gmx.at;
Giglachseehütte: Familie Pekoll, 0664/9088188, giglachseehuette@aon.at

Literatur: Rother Wanderführer: Arnoweg, Clemens Hutter

Info: lungau.at; tourismuslungau.at;
Heimatmuseum Tamsweg: museumsportal.com

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29. März 2024