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"Traut's euch was!"

Von Christoph Zöpfl   06.Juni 2020

Die "Panamericana" von Feuerland bis nach Alaska gilt als eine der Traumstraßen unserer Erde. Sie befeuert Aussteiger- und Abenteurer-Fantasien und war auch im Kopfkino des Linzers Oskar Lehner jahrzehntelang eine Vision. Ein Geographie-Professor, dessen Beruf eine Berufung gewesen sein muss, hatte ihm sehr bald eine Art "Panamericana-Fernweh" eingeimpft. Erst spät, nach einem sehr spannenden Berufsweg, der den studierten Juristen nach 16 Jahren als Universitätsprofessor in Linz für weitere 23 Jahre als Troubleshooter der Vereinten Nationen an zahlreiche gefährliche Hotspots der Welt führen sollte, wurde die Fernreise auf der "Panamericana" endlich vom Wunschdenken in die Wirklichkeit übertragen.

Extrem-Radfahrer Michael Strasser hat diesen 23.000-Kilometer-Trip unlängst in 83 Tagen absolviert. Oskar Lehner war nicht mit dem Radl, sondern einem optimal auf diesen Einsatz zurechtgeschneiderten Toyota Landcruiser unterwegs und hat sich rund drei Jahre für diese Route (zahlreiche Umwege inklusive) Zeit gelassen. Damit kommt man natürlich nicht wie das radelnde Wadl-Wunder Strasser ins Buch der Rekorde, dafür hat der inzwischen 64-jährige Globetrotter aus Linz einen Erfahrungsschatz geborgen, in dem zahlreiche Edelsteine funkeln. Einer davon heißt Ursula Forster.

Die wiederaufgeflammte Jugendliebe Lehners hat sich 2017 ziemlich spontan und wagemutig als Quereinsteigerin dem Projekt angeschlossen. Nach dem Ende der "Panamericana"-Reise haben die beiden heuer im Februar kurz vor dem Corona-Lockdown in Micheldorf wieder ihr privates Basislager aufgeschlagen. Ihre Reise ist aber noch nicht vorbei, denn ein Ruhestand im "Home, sweet home" ist eher denkunmöglich. Spätestens Anfang 2021 soll der Landcruiser wieder zum Raumschiff werden, mit dem man neue Erlebniswelten entdecken möchte. Der Kompass wird auf den Osten ausgerichtet, statt der "Panamericana" wird die Seidenstraße richtungsweisend sein.

"Traut’s euch wås!"
Hoch hinaus: Lehner und Forster auf dem Gipfel des Cotopaxi in Ecuador (5897 m)

Seesäcke statt Schalenkoffer

"Er hat mir zwei Seesäcke überreicht und gesagt: Nimm bloß keinen Schalenkoffer mit, für so was gibt es keinen Platz." So erinnert sich Ursula an ihren Einstieg in ihre neue Lebenswelt zurück. Oskar hatte bereits im Dezember 2016 nach dem Ende seines Berufslebens und der Erneuerung seiner Hüften seinen "Panamericana"-Trip gestartet. Im Juli 2017 unterbrach er die Fernreise kurz für einen Heimaturlaub und schilderte in einem Vortrag im engeren Bekanntenkreis im Klublokal seines Gleitschirmfliegervereins Skybird Kremstal in Micheldorf seine Eindrücke. Im gemütlichen Gasthof Veits war damals auch Ursula dabei, mit der Lehner in der längst verjährten Jugendzeit einmal "getechtelt und gemechtelt" hatet. Es sollte nichts "Ernstes" daraus werden, man schlug verschiedene Wege ein, ohne sich jedoch ganz aus den Augen zu verlieren.

Im Sommer 2017 war Oskar geschieden, Ursula verwitwet und plötzlich ein mehr oder weniger weißes Blatt vorhanden, auf dem ein neuer Lebensentwurf skizziert werden konnte. Ursula nahm Oskarsheruasforderndes Angebot, "ein Stück mitzureisen", an, flog dem Globetrotter im Oktober nach und landete schließlich mit zwei Seesäcken als Gepäck in Peru. Zwei Wochen lang stand die damals 51-Jährige, die sich vorher nie als Rucksacktouristin oder gar Abenteurerin versucht hatte, irgendwie unter Schockstarre. "Es war ein Kulturschock, ich habe mich als Beiwagerl gefühlt und mich immer wieder gefragt: ,Um Gottes willen, was habe ich jetzt getan?’", sagt sie und lacht. Der Wagemut, sich auf diesen Selbsterfahrungstrip an der Seite von Oskar einzulassen, sollte zur vielleicht besten Investition ihres Lebens werden.

Ursula fasst den Neustart rückblickend daheim im schmucken Wohnzimmer ihres Hauses in Micheldorf, das nach der Corona-Pause von einem Bilderbuch-Garten umrahmt wird, so zusammen: "Das alles war eine sehr große Herausforderung für mich. Weil Oskar so viele Interessen hat, habe ich viele für mich ganz neue Aktivitäten wie das Tauchen, das Reiten oder das Gleitschirmfliegen gelernt. Es hat sich wirklich ausgezahlt und es macht Spaß. Das ist meine Botschaft, vor allem an die Frauen: Traut‘s euch wås!"

"Ihr habt nichts gesehen!"

Und was sich die beiden Fernreisenden alles getraut haben ... Neben zahlreichen hohen Bergen wurde auch ein Sechstausender bestiegen. Hoch zu Ross (bzw. Maultier) haben sie in 15 Tagen in Mexiko die "Ruta de la Plata" bewältigt. In Yucatan wurde in Cenoten getaucht. Mit den Banden von Drogen-Kartellen haben sie sich arrangiert (die Losung lautete: "Was immer ihr gesehen habt, ihr habt nichts gesehen!").

"Traut’s euch wås!"
Flusswandern: Die Tour auf dem Blackstone River in Kanada hätte fast ein böses Ende genommen.

Im nördlichen Kanada gerieten sie nach einer Kanu-Tour am Blackstone River in Lebensgefahr – der vermeintlich relativ kurze Rückweg erwies sich als unglaublich kräfteraubende Tortur. Das Satellitentelefon streikte, den Akkus des GPS-Geräts ging der Saft aus, Ursula und Oskar erreichten ihre körperlichen Grenzen und waren schließlich zu erschöpft, um sich vor Bären oder anderen Gefahren der Wildnis zu fürchten … Am Ende fand man dann doch den Weg in die Zivilisation zurück. Diese Odyssee sollte der gefährlichste Abschnitt einer einzigartigen Reise gewesen sein.

Sonst waren die beiden jedoch meist darauf bedacht, nur ein kontrolliertes Risiko einzugehen. Der vielsprachige Oskar ist aufgrund seiner beruflichen Erfahrungen als UNO-Mitarbeiter in Krisenherden wie Somalia, Afghanistan, Tadschikistan oder Sierra Leone ohnehin der ziemlich beste Weltreisende, den man sich vorstellen kann. Zumindest hat sich Ursula anfangs darauf verlassen. Was Oskar im Nachhinein so relativiert: "Sie hat daran geglaubt, dass ich mit jeder Situation fertig werde. Das stimmt natürlich nicht. Aber ich hab immer so getan, als ob."

Was kostet die Welt?

1500 Euro sind beim Globetrotter-Reise-Budget pro Monat zu zweit als Minimum halbwegs realistisch. Oskar Lehner und Ursula Forster haben häufig Trekking-Touren bei lokalen Anbietern gebucht, um Land und Leute möglichst authentisch zu erfahren. Es gibt auch Low-Budget-Tramper, die mit fünf Euro pro Tag kalkulieren oder immer wieder Stopps einlegen, um mit Gelegenheitsjobs Geld zu verdienen. Entlang der „Panamericana“ wird es übrigens immer teurer, je weiter man in den Norden kommt.

Das wichtigste Werkzeug für einen Globetrotter ist laut Oskar Lehner die Sprache. Die Fähigkeit, mit den Einheimischen zu kommunizieren, ist nicht nur eine Bereicherung, sie ist auch eine entscheidende Hilfe, wenn es darum geht, wichtige Informationen zu bekommen und Risiken zu vermeiden.

Die Wahl des Verkehrsmittels ist natürlich auch sehr wichtig. Die Faustregel: Je mehr Komfort, desto weniger Erlebniswert. Im Vergleich zu luxuriösen Wohnmobilen war Lehners bewusst mit alter, aber konventionell reparierbarer Technik ausgestatteter Landcruiser sehr spartanisch, dafür war man bei der Routenwahl sehr flexibel. Außerdem gilt: Wer langsamer reist, sieht mehr. Man könnte auch sagen: Nicht der Weg ist das Ziel, sondern der Umweg.

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