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Tradition in vier Akten im Bayernland

24.August 2019

Gesellen auf der Walz

"Heute wird nicht gearbeitet, wir bringen unseren Freund nach Hause", sagt Jonas Bauschke, der mit drei Kameraden den Schatten einer Metzgerei in Bad Tölz für die Mittagsrast gewählt hat. Normalerweise lässt sich der 25-jährige Tischler gern anheuern, wenn sich solche Gelegenheit bietet. Nachfrage gebe es genug, auch hier in Bad Tölz, wie der 26-jährige Steinmetz Mirco König aus seiner Erfahrung plaudert. "Sie sehen ja, dort oben wird gepflastert, die haben uns schon gefragt, ob wir arbeiten möchten." Tagelöhner seien sie nicht, eher reisende Gesellen auf der Walz. Sie leben von der Hand in den Mund, ziehen von Ort zu Ort und schlafen oft unter freiem Himmel. "Unterwegs sind wir mindestens drei Jahre und einen Tag", sagt Jonas, der aus Braunschweig stammt und nach seiner Wanderschaft einen Meisterbetrieb gründen möchte.

Um überhaupt als Wandergeselle unterwegs sein zu dürfen, werden von der Vereinigung "Rechtschaffene fremde Wandergesellen" uralte Regeln befolgt, die schon an die 700 Jahre alt sein dürften: Der Wandergeselle muss ausgelernt, ledig, kinderlos, unbescholten und schuldenfrei sein. Als Zeichen der Zugehörigkeit und der "Ehrbarkeit" tragen die Gesellen lederne Krawatten. Zehn bis 20 Kilometer legen die Burschen im Schnitt täglich zurück, einer genauen Reiseroute folgen sie nicht. Wer sich von ihnen zunftgerecht verabschieden möchte, ruft ihnen "fixe Tippelei" zu und erhält dafür als Antwort: "Fix bedankt!"

Alles aus einer Hand: Kloster Ettal

700 Jahre ist es her, dass Kaiser Ludwig von Bayern auf einem damals wichtigen Handelsweg zwischen Augsburg und Venedig ein Engel im Benediktinergewand erschienen sein soll. Was war seine Reaktion? Er gründete in Ettal an der Rottstraße ein Kloster, das bis heute floriert. Die Ortschaft Ettal ist mit 800 Bewohnern nicht gerade groß, ihr Benediktinerkloster mit den 32 Mönchen und den 170 Mitarbeitern ist aber ein bedeutender Wirtschaftsfaktor in der gesamten Region im oberbayrischen Landkreis Garmisch-Partenkirchen. Fast ist es ein Rundum-Versorgungsbetrieb, wenn man die Brauerei, die Destillerie, die Käserei, die Jagd, das Gymnasium und den Vier-Sterne-Hotelbetrieb betrachtet.

Aus aller Welt fahren Touristen hinauf auf das knapp unter 1000 Meter gelegene Ettal, um neben der guten Luft die wunderbare Landschaft unter der Zugspitze zu genießen und natürlich auch einen Blick in die großartige Stiftskirche mit der über 60 Meter hohen Kuppel zu werfen, die ein Österreicher aus dem nahe gelegenen Tiroler Ort Reutte ausgemalt hat. Vorne am Altar, ganz klein, aber zentral positioniert, steht die Statue der angeblich wundertätigen Madonna, das Zentrum für alle Pilger nach Ettal. Dass das Kloster heute noch existiert, verdankt es ausgerechnet einem Protestanten. Der Industrielle Theodor Baron von Cramer-Klett ermöglichte nach der Säkularisierung im 19. Jahrhundert durch großzügige Spenden die Wiederansiedelung der Benediktiner.

Berühmte Namen stehen inzwischen wieder auf der Gästeliste: Konrad Adenauer war da, Theodor Heuss ebenso, zuvor aber auch Hermann Göring. Das Klosterhotel Ludwig der Bayer verweist darüber hinaus auf Richard Strauss als Gast, dessen Musik bei einem Festival im Klosterhof aufgeführt wird.

Rockstar Peter Maffay wird ebenfalls immer wieder in Ettal gesehen, und auch Thomas Gottschalk suchte hier bereits Einkehr. Möglichkeiten zur Meditation lassen sich zuhauf finden in diesem bayrischen Eck, zu dem auch der berühmte Pfaffenwinkel gehört. Als berühmtestes Kleinod ist hier die Wieskirche in Steingaden zu nennen, eine ungewöhnlich prächtig ausgestattete Wallfahrtskirche aus der Zeit des Rokoko im 18. Jahrhundert.

Tradition in vier Akten im Bayernland
Ein Muslim auf der Bühne der Oberammergauer Passionsspiele: Cengiz Görür als Zeichen der Öffnung.

Heikle Passionsspiele in Oberammergau

Wohin sind die legendären Südtiroler Schnitzer früher gegangen, wenn sie ihre Figuren bemalt haben wollten? Nach Oberammergau, weil dort Spezialisten dafür zu finden waren.

Touristen erfahren diesen Umstand so ziemlich als Erstes, wenn sie vor einem der Oberammergauer Häuser stehen, in denen noch Schnitzkunst erzeugt und reichlich gekauft wird. Bekannt ist der Ort, in dem 5000 Personen wohnen, vor allem aber durch seine Passionsspiele.

Nächstes Jahr, 2020 (von 16. Mai bis 4. Oktober), ist es wieder so weit und fast die gesamte Gemeinde fiebert bereits darauf hin. Alle zehn Jahre wird gespielt, und das schon seit dem Jahr 1634. Damals wütete die Pest in der Region, und die Bürger von Oberammergau gelobten die Aufführung der Passionsgeschichte, wenn die Pest verschwindet. Die Pest verschwand, und es wird bis heute gespielt.

Wer welche Rolle erhält, entspricht einem strengen Codex. Die Darstellerin der Maria müsse zum Beispiel unverheiratet, unter 25 und jungfräulich sein. Da die Spiele früher stark im Einfluss des nahen Klosters Ettal standen, waren nur Spieler katholischen Glaubens auf der Bühne zu sehen. 1987 dann die markante Wende: Christian Stückl wurde im Alter von 27 Jahren Spielleiter der Passionsspiele.

Der gelernte Holzbildhauer, in München inzwischen Assistent bei Theatergrößen wie Volker Schlöndorff, reformierte die Spiele in seiner Heimatgemeinde grundlegend. "Mich interessiert nicht das Glaubensbekenntnis, sondern, ob jemand spielen kann", sagt er und engagierte flugs einen in Oberammergau lebenden Muslim für die Spiele im Jahr 2000 als Pilatus-Darsteller. "Damals gab es eine Unterschriftenliste des Pfarrers gegen mich, der Muslim spielte trotzdem, und er ist jetzt technischer Direktor meines Theaters in München."

Eine halbe Million Menschen erwartet Oberammergau für die Spiele im nächsten Jahr, ihnen wird eine wettersichere Halle geboten, in der 5000 Personen Platz finden. Auf der Bühne stehen 2300 Akteure. Der internationale Zustrom hat vor 100 Jahren begonnen, als Thomas Cook die erste Marketingkampagne startete. "Wir spielen nicht die letzten fünf Tage des Jesus, sondern versuchen seine Botschaft umzusetzen", sagt Christian Stückl, der von purer Tradition wenig hält: "Man muss lebendige Geschichten erzählen", und er lässt auch aktuelle politische Aspekte einfließen: "Jesus wäre für und nicht gegen Flüchtlinge gewesen." Dass Stückl 12 Jahre lang Regisseur des Salzburger Jedermanns gewesen ist, hat der Berühmtheit seiner Oberammergauer Spiele sicher nicht geschadet, aber sein engagierter Stil hat nicht nur Freunde gefunden: "Es gibt schon auch Leute hier, die den Stückl hassen", wie ein Taxifahrer unumwunden zugibt.

Ein Museum für eine Kultfigur

Traditionen müssen nicht unbedingt Jahrhunderte alt sein. In Bad Tölz widmet sich ein erst fünf Jahre altes Museum einer Tradition, die auf das Jahr 1996 zurückgeht. Damals erschien zum ersten Mal eine Folge des "Bullen von Tölz". Die Krimis mit dem beliebten und beleibten Ottfried Fischer und seiner resoluten Mama (Ruth Drexel) zogen jeweils bis zu 600.000 Zuseher in ihren Bann und tun es teilweise noch heute, wenn Fernsehsender die Nachtstunden mit amüsanter Unterhaltung überbrücken wollen.

"Oft wurde ich gefragt, wo sich denn die Drehorte befinden", sagt der Uhrmacher Peter Seidl, "weshalb ich mich entschloss, im oberen Stock meines Mietshauses an der Isar ein Museum einzurichten." Seidl kennt den Bullen von Tölz in- und auswendig, er weiß über jede Szene Bescheid und hat im Museum ständig Videos der Serie laufen. "Neben den unverwechselbaren Hauptdarstellern macht den Erfolg des Bullen von Tölz aus, dass kleinere Rollen einfach von Stadtbewohnern übernommen wurden", meint er, "dadurch ist der Film so authentisch."

Tatsächlich findet sich beim Gang durch die schöne bayrische Stadt vieles so, wie man es im Film gesehen hat. 2009 wurde die Produktion der Serie eingestellt, im Bad Tölzer Museum lebt die Erinnerung daran aber munter weiter.

Mehr Informationen finden Sie auf diesen Webseiten:
www.germany.travel
www.passionsspiele-oberammergau.de

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25. April 2024