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"Nächstes Jahr in Jerusalem!"

Von Hannes Fehringer   20.Juli 2019

L’Shana Haba’ah B’Yerushalayim" – diesen Segensspruch vergisst selbst ein atheistischer Jude nicht beim Jom Kippur zu sagen, dem höchsten Fest im Jahreskreis. Der Glückwunsch ist nichts anderes als das Versprechen eines Wiedersehens: "Nächstes Jahr in Jerusalem!" Generationen von Juden haben einander "L’Shana Haba’ah" zugesprochen, ohne Aussicht darauf, dass es angesichts der Vertreibung des Volkes über den ganzen Erdball eines Tages verwirklicht würde. "Dieser Wunsch im Herzen hat das jüdische Volk tausende Jahre zusammengehalten", sagt Meira Niv, Museumsdirektorin und unsere Reiseleiterin.

Heutzutage ist ein Treffen in Jerusalem keine große Herausforderung. Die staatliche israelitische Fluglinie "El Al" fliegt nunmehr an zwei Wochentagen Linie von Salzburg nach Tel Aviv. Sollte ein Abflugtermin auf einen Samstag, den jüdischen Sabbat, fallen, bleiben die Maschinen der "El Al" am Boden. Dann springt die "Sun d’Or", eine hundertprozentige Tochtergesellschaft, ein, womit die "El Al" das Ruhegebot eingehalten hat.

Die Destination Tel Aviv mit der Kennung "TLV" auf der Schleife des von Sicherheitsleuten der Airline schon am Salzburger Flughafen geöffneten und auf gefährliche Gegenstände gecheckten Koffers ist die Mittelmeerstadt voller Lebenslust, Sonnenstrand und Partyspaß in den vielen Lokalen. Es würde aber zu weit gehen, die Stadt, die ihr Gesicht den 4000 in der Bauhaus-Architektur gestalteten Häusern verdankt und die in den späteren Jahren mit kleineren Wolkenkratzern aufgestockt wurde, als Tollhaus zu betrachten.

"Nächstes Jahr in Jerusalem!"
Tanzunterhaltung im ehemaligen Bahnhof Jerusalem, wo die Restaurants Fusionsküche mit asiatischen Köstlichkeiten bieten.

Schauplatz Rothschild-Boulevard

Dafür hat sich entlang des Rothschild-Boulevards, der mit seinen mit Bäumen bepflanzten Fahrbahnteilern die Stadt quert, zu viel von Tragweite ereignet – beispielsweise am 14. Mai 1948 im damaligen Kunstmuseum der Stadt: In einem Saal mit zwei großen Flaggen mit Davidstern und einem großen Porträtbild des österreichischen Publizisten und Begründers des Zionismus, Theodor Herzl, stand David Ben Gurion von dem Tisch vor 400 geladenen Gästen auf und verkündete die Unabhängigkeit des Staates Israel. Den Sabbat, der zwei Stunden später begann, verbrachte die junge Nation, die von den USA und der Sowjetunion zur Stunde anerkannt wurde, in Verdunkelung. Nach Mitternacht, als das Mandat der Briten von den Vereinten Nationen über Palästina ablief, starteten Kampfflugzeuge der Ägypter die ersten Angriffe auf den jungen Staat, der sich in dem ersten arabisch-israelischen Krieg, der bis 1949 dauerte, behaupten musste. Zuvor war auch der jüdische Freiheitskampf nicht frei von fürchterlichen Bluttaten. Am 22. Juli 1946 hatten radikale Juden das Hotel King David in Jerusalem in die Luft gesprengt. Bei dem Terroranschlag starben 91 Menschen.

Einen Großteil des Landes hatten die jüdischen Siedler der Wüste abgerungen, die Grundstücke wurden von wohlhabenden Unterstützern von Herzls Idee eines "Judenstaates", wie Edmond James de Rothschild (1845–1934), gekauft und zur Kolonisierung bereitgestellt. "Wo man heutzutage den Rothschild-Boulevard entlangschlendert, waren vor 100 Jahren noch Sanddünen", erklärt Meira.

Auf dem Mittelstreifen des Rothschild-Boulevards, mit seinem üppigen Baumbestand eigentlich ein Park inmitten der Verkehrsadern, stellte die Filmemacherin Daphni Leef am 14. Juli 2011 ein Zelt auf und campierte dort, weil sie sich eine Wohnung nicht mehr leisten konnte. Ihre Lebensumstände teilte sie ihrem Freundeskreis auf Facebook mit, was zum Auslöser von Massenprotesten gegen die für die unteren Schichten und fortschreitend auch für den Mittelstand zu teuren Lebensmittelpreise und Wohnungsmieten wurde. Binnen weniger Tage bauten Sympathisanten auf dem Boulevard eine eineinhalb Kilometer lange Zeltstadt auf. Zwei Monate später zogen zwischen 300.000 und 500.000 Demonstranten bei der bislang größten Kundgebung des Landes durch Tel Aviv, worauf Leef als eine der Aktivistinnen des Widerstandes festgenommen wurde. Im Zuge der Demonstrationen zündeten sich zwei Israelis selbst an und starben an den Verbrennungen.

Eigentlich hätte eine Stadt angesichts solcher Vorkommnisse und Widrigkeiten im Hintergrund ihre Lebenslust verlieren müssen. Aber Tel Aviv ist modern, mit zuletzt gezählten 435.855 Einwohnern auf die Größe bezogen keine Weltstadt, beim geistigen Klima, das in dem kulturellen Schmelztiegel bei den Bewohnern vorherrscht, aber allemal. Als eine Stadt, die der Trübsal den Marsch bläst, war Tel Aviv auch als Austragungsort des Eurovision Song Contest keine Fehlbesetzung. Rollt man mit dem Segway die Strandpromenade entlang, stößt man auf Relikte der vorjährigen TV-Großproduktion und auf Freiluft-Fitnesscenter, wo die Freizeitsportler auf Anweisung eines Einpeitschers in die Pedale der Ergometer treten. Tel Aviv, die Stadt der Pioniere, strampelt beherzt weiter.

"Nächstes Jahr in Jerusalem!"
Strandausflug auf dem Segway von Tel Aviv nach Jaffa

Szenenwechsel: Die Leute vom israelitischen Tourismusverband wissen natürlich, dass viele Gäste aus Österreich Erstbesucher des Landes sind, denen man Jerusalem nicht vorenthalten darf. Die Stadt der drei auf der Thora fußenden Weltreligionen ist auch ein gutes Kontrastprogramm zu Tel Aviv, das aber keineswegs ein Sodom und Gomorrha ist, ebenso wenig wie Jerusalem Heilige Stadt ist. Meira ist mit ihrem Wissen in Religionsgeschichte so beschlagen, dass der Gang des Kreuzweges über die Via Dolorosa, die großteils durch das Palästinenserviertel der Altstadt führt, zum Kriminalfall wird. Die Religionsgesetze nach den Vorgaben des "Sanhedrins" waren so streng, dass die Priesterkaste um Kaiphas, die in dem ehemaligen Zimmermann aus Nazareth und Wanderrabbi nicht den erhofften Messias sah, ihn als Falschpropheten zum Tod verurteilen musste. Freilich: Dieser Jesus hatte sich bei der Tempelobrigkeit Feinde gemacht, als er geschäftsstörend ihre Händlertische umwarf, und seine Bergpredigt war den Römern suspekt. "Es wird immer verhängnisvoll, wenn eine Religion Andersdenkende zu töten anfängt, anstatt das Leben zu schützen", sagt Meira.

"Nächstes Jahr in Jerusalem!"
Der beste Durstlöscher: Frisch gepresster Orangensaft in Jaffa

Die Lebenshoffnung des Judentums liegt am Fuße des 826 Meter hohen Ölbergs ausgebreitet, von dem man einen Panoramablick auf die Stadt mit der Goldkuppel des Felsendoms genießt. Zu den Stadtmauern hin reiht sich eine Gruft neben die andere, die sich fromme Juden erbauen ließen und in der sie bis zum Jüngsten Tag ruhen. Die Prophezeiung besagt, dass von hier aus der Messias die Toten aus den Gräbern holen und auferwecken wird. Wer ein gutes Auge hat, macht die "Westwall", die als "Klagemauer" bekannte Steinwand des Tempelberges, ausfindig. Auch Gójim (Nicht-Juden) dürfen einen Wunschzettel in einen Spalt stecken und ihre Bitte Gott vortragen.

Österreichisches Pilgerhospiz

An der dritten Station der Via Dolorosa, bei der Jesus das erste Mal unter der Last des Kreuzes stürzte, gibt es heute für den dürstenden Pilger Labung mit Salzburger Stiegl-Bier, Gulaschsuppe, Verlängertem und Apfelstrudel mit Schlagobers. 1863 eröffnete die katholische Kirche an der Ecke zur El-Wad-Straße mithilfe des Habsburger Kaiserhofes ein österreichisches Pilgerhospiz im Heiligen Land. "Wir sind keine staatliche Einrichtung", sagt Rektor Markus Bugnyar, "aber wir lassen gerne andere in dem Glauben." Das helfe nämlich, wenn bei der Betreuung der Pfarrei in Gaza diplomatisches Geschick nötig wird. Endpunkt des Schmerzensweges des Heilands ist die Grabeskirche, ein Allerheiligstes für Christen aller Länder. Es ist ein Ort der Verheißung, dass das "L’Shana Haba’ah B’ Yerushalayim" – "Nächstes Jahr in Jerusalem!" – auch für die Ewigkeit gilt.

Tipps

„El Al“ und „Sun d’Or“ fliegen bereits zwei Mal wöchentlich direkt die Linie Salzburg Airport zum Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv. Geplant ist eine dritte Verbindung zu einem späteren Zeitpunkt. Die Flugverbindung soll mehr Österreicher ins Heilige Land bringen und im Gegenzug mehr Israelis zum Skilaufen nach Salzburg holen.

Night-Show bei der Zitadelle Ein Erlebnis ist die 45-minütige „Sound & Light-Show“, bei der die 4000 Jahre alte Geschichte Jerusalems auf das Mauerwerk der Zitadelle beim Davidsturm projiziert wird. Ein hochentwickeltes Computersystem aus 14 Rechnern betreibt 20 Projektoren, zehn Videospieler und 14 Lautsprechertürme.

Shakshuka Eigentlich ist es eine einfache Speise aus pochierten Eiern, einer würzigen Tomatensauce und Gemüse: Shakshuka – eines der köstlichen jüdischen Nationalgerichte. Ein Profi der Zubereitung ist Bino Gabso vom Restaurant „Dr. Shakshuka“ in Jaffa.

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26. April 2024