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Manche mögen’s blau

Von Bernhard Lichtenberger, 31. Juli 2022, 10:00 Uhr
Manche mögen’s blau
Bild: beli

Mittelburgenland – wohnen, wo der Kukuruz trocknet, entdecken, wo der Blaufränkische mundet.

In der "Blauen Stunde", wenn der Abend in die Nacht übergeht und kleine Lampen die schier endlose Fassade in weiches Licht tauchen, zeigt sich der Tschardakenhof im mittelburgenländischen Lutzmannsburg von seiner anziehendsten Seite. Er ist ein Relikt regionaltypischen bäuerlichen Lebens des 19. Jahrhunderts, ein Stück Kulturgeschichte, das – verdrängt vom Geist der Moderne – zum raren Gut wurde. Patricia Oehner hat sich darauf eingelassen, den 60 Meter langen Streckhof zu erhalten, behutsam zu renovieren und mit fünf Appartements im 4-Stern-Segment auszustatten.

Die Historie der schmucken Architektur reicht bis ins Jahr 1829 zurück. Die Namen der Gästebleiben spiegeln die ursprüngliche Verwendung der aneinandergefügten Wohn-, Stall- und Scheunentrakte: Anger, Weinkeller, Viecherei, Hofstatt und Troadkasten. Die Räume hinter den wuchtigen Lehm- und Ziegelwänden wirken, weil nichts überladen ist, das Gestern (Mamas Couch, betagte Kästen) und das Heute (Boxspringbetten, Küche) wie selbstverständlich zueinanderfinden.

Manche mögen’s blau
Patricia Oehner bei der Tschardake, die ihrem Appartementhof den Namen gab. Bild: beli

Was ist eine Tschardake?

Wie der denkmalgeschützte Hof der in Wien lebenden, im Gastro- und Tourismusgeschäft umtriebigen Vorarlbergerin zu seinem Namen kam, erklärt sich eingangs des 1200 Quadratmeter großen Gartens. Aufgebockt verwittert eine Tschardake, ein schmalgepicktes Holzlattenhütterl. In diesem wurden früher die geernteten Kukuruzkolben getrocknet und anschließend die Körner abgerebelt.

Zwischen die großzügigen Appartements drängt sich das Kramasuri-Gewölbe mit Wein, Bier und Alkoholfreiem zur Rund-um-die Uhr-Selbstbedienung. Platz finden auch eine kleine Bibliothek, eine Spielothek und eben allerlei Kramasuri. Wer es wünscht, wird vom benachbarten Hofladen mit einem feinen Schmankerl-Frühstück bedacht, das um acht Uhr in der Box vor der Tür deponiert wird.

Manche mögen’s blau
Genuss mit Romantik verbindet das Picknick zwischen 116 Jahre alten Reben des Weinguts Fam. Hans Rohrer. Bild: beli

Von unserem Stützpunkt zur Entdeckung mittelburgenländischer Besonderheiten brechen wir zu einer Fahrt ins Blaue auf – was in diesem Fall wörtlich zu nehmen ist. In Steinberg gibt sich Josef Koó ganz dem Blaudruck hin. Er ist einer der Letzten, die dieses traditionelle Handwerk lebendig halten. In Österreich gibt es nur noch einen zweiten Betrieb, die Blaudruckerei Wagner in Bad Leonfelden. 1921 hat der Großvater in der Werkstatt begonnen, "und bis heute ist sie keinen einzigen Tag stillgestanden", sagt der 64-Jährige, der in dritter Generation die mit teils 200 Jahre alten Modeln bemusterten Stoffe mit Indigo blau färbt. Ein Quietschen durchschneidet den seit hundert Jahren unveränderten Arbeitsraum. Koó kurbelt den Sternreifen mit den Stoffbahnen aus der Küpe, dem vier Meter tiefen, gemauerten Farbbottich. Zehn Minuten bleibt der Stoff an der Luft, dann taucht er wieder ab. Ein Vorgang, der sich bis zu zehn Mal wiederholt. Passt das Blau, kann der Färber blaumachen, während die Stoffe trocknen. Eine weltweite Rarität kommt für Meterware nach wie vor zum Einsatz, die händisch betriebene Walzendruckmaschine aus den 1930er-Jahren. Doch dort, wo die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, wird mit der Zeit gegangen. Durch die Zusammenarbeit mit Modeschülern und mit Designerinnen vom Format einer Susanne Bisovsky erlebt man im kleinen Verkaufsraum blaue Wunder, von alten Jeans mit frischen Mustern bis hin zu modernen Blaudruck-Schuhen.

Manche mögen’s blau
Blaudrucker Josef Koó mit einer alten Jeans im neuen Kleid Bild: beli

"Spielen Sie das mehr in Blau", wies der 1811 in Raiding geborene Franz Liszt gerne seine Klavierschüler an. Das Geburtshaus des weltberühmten Komponisten und Pianisten, einst Meierhof der Esterházys, in dem Liszts Vater als Rechnungsführer der Fürstlichen Schäferei diente, ist heute ein Museum über Leben und Wirken des "weltgewandten Seelenmenschen, den es zum Kloster drängte, der aber auch Genussmensch war". So benennt ihn Hans Tesch, für den eine Runde auf dem Liszt-Pfad und durch das Liszt-Zentrum Raiding fast zu kurz wird, um sein Wissensfüllhorn gänzlich auszuschütten. Seine mit Details und Anekdoten gespickten Führungen sind zu empfehlen (0664/6278397, hans.tesch@raiding.at).

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„Liszt-Lexikon“ Hans Tesch führt Gäste durch Raiding. Bild: beli

Blaue Zimmettraube und Weißer Heunisch fanden zufällig zueinander, als Kreuzung kam die Blaufränkisch-Sorte heraus, die im Mittelburgenland mehr als die Hälfte der Rebflächen besetzt. In Lutzmannsburg wurzeln die Stöcke auf einem Plateau, dem 300 Meter hoch gelegenen Weingebirge.

Zwischen uralten Reben, die ihr Urgroßvater im Jahr 1906 pflanzte, hat Kerstin Rohrer gemeinsam mit ihrem Lebenspartner und Kellermeister Alexander Hirt eine feine Picknicktafel aufgebaut. Die Teller sind ausladend belegt, u. a. mit Nusssalami, Husarenwurst, verschiedenen Käsesorten, einer grandiosen Leberstreichwurst nach Hausrezept, einem Weizen-Roggen-Sauerteigbrot und einem "Hozatbagl". Der geflochtene Zopf wurde mit einem Liter Wein an jene Leute im Ort verteilt, die nicht zur Hochzeit eingeladen waren. Dazu werden sechs edle Tropfen des Familien-Weinguts Hans Rohrer verkostet, die Liebe zum Wein zelebriert – bis die Sonne hinter den Weingärten versinkt und die Blaue Stunde das Ende des Tages einläutet.

blaufraenkischland.at

  • Unterkunft: Tschardakenhof, Lutzmannsburg, ab 120 Euro pro Appartement/Tag für 2 Personen (tschardakenhof.at)
  • Musik: Liszt Festival Raiding, 6.-23. Oktober (lisztfestival.at)
  • Kulinarik: Rotweinerlebnis in Lutzmannsburg, 5.-8. August (rotweinerlebnis.at); Winzertafel am Weinberg im Lutzmannsburger Weingebirge, 9 Winzer, 18 Weine, 2. September, 16.30 Uhr (winzertafel.at); Picknick im Weingebirge, freitags, samstag, ab 16 Uhr (rohrerwein.at); "Zur Traube" in Neckenmarkt, burgenländische Spezialitäten (zurtraube.at); Buschenschank Krizmanich in Kroatisch Minihof: urig, köstlicher Speck von Turopolje-Schweinen
  • Escape-Spaß: u. a. "Fine Vino" in Deutschkreutz, Rätselspiel in zwei Weingütern, z. B. Susanne Heinrich und Pfneisl (lakesescape.at)
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Autor
Bernhard Lichtenberger
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