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Männer hüben, Frauen drüben – und dazwischen eine Mauer

Von Clemens Schuhmann   25.September 2021

Der ältere, braun gebrannte Triestiner geht vorsichtig die rutschige Rampe hinunter. Als er das Ende der gut drei Meter hohen, weiß gestrichenen Mauer erreicht hat, steckt er zwei Finger in den Mund und pfeift laut in den Frauenbereich hinüber. Das ist keine plumpe Anmache, der Pensionist will lediglich seine Ehefrau auf sich aufmerksam machen.

Als sie endlich zu ihm blickt, ruft er hinüber, dass er gerne eine Zigarette rauchen würde, "aber du hast das Packerl eingesteckt". Zwei Minuten später treffen sich die beiden im Eingangsbereich des Strandbades. Die ältere Dame lächelt verschmitzt, als sie ihrem Mann das Tschickpackerl samt Feuerzeug überreicht. Gleich darauf ist sie wieder im Gewusel auf der Frauenseite untergetaucht.

Männer hüben, Frauen drüben – und dazwischen eine Mauer
Dieser Säulengang ist Umkleide, Kommunikationszentrum und Schattenspender.

Und der Mann geht kurz auf den Parkplatz vor das Bad raus, um seine Nikotinsucht zu stillen. Ein paar hastige Züge später sitzt er wieder bei seinen Freunden im Männerbereich im "Bagno Comunale Lanterna" und spielt Karten.

Der Badewaschl passt auf

Das Strandbad "Bagno la Lanterna" in der norditalienischen Hafenstadt Triest ist einzigartig, skurril und liebenswürdig. Dort baden unweit des Stadtzentrums seit mittlerweile 118 Jahren Frauen und Männer streng getrennt. Die weiß angestrichene Mauer in dem Bad separiert die Geschlechter – und zwei Bademeister wachen darüber, dass das auch ja so bleibt.

An diesem warmen Septembernachmittag ist der Frauenbereich bummvoll, auf der Männerseite ist hingegen sehr viel Platz. Nur gut 30 Herren haben heute den Eintrittspreis in der Höhe von einem Euro am Automaten im Eingangsbereich bezahlt. Interessanterweise ist der Badewaschl im Frauenbereich ein junger Bursch. Und auf der Männerseite hat eine junge Frau Dienst. Ob das wohl Absicht ist?

Das ungewöhnliche Bad samt Geschlechtertrennung existiert seit dem Jahr 1903, damals stand die Stadt an der oberen Adria noch unter der Fuchtel der Habsburger. Auf diese Zeit geht wohl auch der Spitzname des Schwimmbades zurück: "El Pedocin". Im Triestiner Dialekt heißt das "kleiner Floh". Und laut Überlieferung wurde dieser Strand damals auch von Soldaten der österreichisch-ungarischen Armee frequentiert, die dort gebadet und sich dabei von den Flöhen und Läusen befreit haben sollen.

Männer hüben, Frauen drüben – und dazwischen eine Mauer
Wer braucht im Schwimmbad schon einen Spind fürs G’wand?

Die Institution überlebte jedenfalls die k.u.k. Monarchie, zwei Jahrzehnte Faschismus, zwei Weltkriege, die Besatzung durch die Alliierten und alle weiteren Umwälzungen der vergangenen Jahrzehnte unbeschadet. Badegast soll hier auch der irische Schriftsteller James Joyce gewesen sein, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder in Triest wohnte, arbeitete und unterrichtete.

Ursprünglich trennte ein Zaun die Geschlechter, der später durch eine Mauer ersetzt wurde. Sie wurde nur einmal niedergerissen und ein paar Meter weiter wieder aufgebaut. Das war im Jahr 1959, als der Frauenbereich auf Kosten der Männerseite vergrößert wurde.

Die Riviera von Barcola

Für eine kurze Abkühlung selbst in der Mittagspause strömen die Triestiner nicht nur gerne ins "El Pedocin", sondern auch an die kilometerlange Riviera von Barcola zwischen dem Alten Hafen und dem Schloss Miramare. Auf dem gepflasterten bzw. betonierten, gut fünf Meter breiten Streifen direkt am Meer tummeln sich an heißen Tagen unzählige Sonnenhungrige.

Die Badetasche, eine kleine Liege oder eine gepolsterte Matte werden ins Auto oder auf die Vespa gepackt – und schon geht’s vom Stadtzentrum in Richtung Barcola. Da dort die Parkplätze echte Mangelware sind, bietet sich die Buslinie 6 als bequeme Alternative an.

Männer hüben, Frauen drüben – und dazwischen eine Mauer
Der Eismann fährt mehrmals täglich die Riviera von Barcola auf und ab.

Der Eismann im Fiat Ducato

Der Badebetrieb dort ist ungeordnet, chaotisch und amüsant – ja, einfach italienisch halt. Schattenplätze gibt es kaum, außer man ergattert ein Plätzchen im Pinienwäldchen unweit des Yachthafens. Ins kühle Nass gelangt man entweder über eine der Treppen oder einfach über die riesigen Steine am Ufer. Getränke und Snacks gibt es in kleinen Geschäften und Kiosken in der näheren Umgebung.

Und regelmäßig fährt der Eismann mit seinem alten Fiat Ducato auf und ab, damit sich die Badegäste auch innerlich abkühlen können.

Baden in Triest

Das Bagno Comunale Lanterna in Triest ist nur gut 500 Meter vom Stadtzentrum entfernt. Es öffnet um 7.30 Uhr seine Tore und schließt um 19.30 Uhr wieder. Der Eintritt kostet gerade einmal einen Euro. Wegen des feinen Schotters sollten Badegäste mit empfindlichen Fußsohlen Badeschuhe mitnehmen, dann ist das Rein- und Rausgehen deutlich entspannter. Ein kleines Buffet findet sich draußen neben dem Eingang, dort können sich Paare immer wieder kurz treffen.
Bagno Comunale Lanterna, Molo Fratelli Bandiera 2, Tel. +39 040 305922

Die Riviera von Barcola erstreckt sich auf mehreren Kilometern zwischen dem Alten Hafen und dem Schloss Miramare. Dort gibt es unzählige Möglichkeiten, ins kühle Nass zu hüpfen. Da Parkplätze nur sehr eingeschränkt verfügbar sind, empfiehlt sich die Fahrt mit dem Bus Nummer 6. Der kilometerlange Betonstreifen, also die Strandaufbauten, sind gratis zu benutzen. Jeder legt sich einfach hin, wo er mag.

Ab in die Osmize – zur Stärkung nach dem Badetag

Die ideale Stärkung nach einem langen Badetag bieten die zahlreichen Osmize in und um Triest. Welcher dieser urigen Heurigen gerade „ausgesteckt“ hat, erfährt man auf der Homepage osmize.com. Eine Empfehlung ist Marco Rebula in Aurisina. Im schattigen Garten munden Salami, Käse, hartgekochte Eier, der angenehm kühle Weiße – und zum Abschluss eine lauwarme Crostata.

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19. April 2024