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Mähren beginnt bei Mistelbach

31. März 2014, 00:04 Uhr
Mähren beginnt bei Mistelbach
Schloss Feldsberg (Valtice) war das »Familienhaus« der Liechtensteiner Fürsten. Bild: Tauber

Entdeckungsreise durch ein schönes Stück Altösterreich: Das tschechische Mähren hält eine Vielzahl an kulturell-historischen Juwelen bereit.

Als Mähren noch bei Öst’reich war, vor hundert Jahr, vor hundert Jahr ... Ja. Nicht nur Böhmen. Das ist überlaufen, in Prag oder Krumau siehst du vor lauter Füßen den Boden nicht mehr, die Ufer des Moldau-Stausees sind fest in Investoren-Hand (Österreich, Holland ...). Aber weiter nach Osten? Wer kennt schon Mähren? Frage im Bekannten-Umfeld: Wann warst du zuletzt in Brünn? In Olmütz? In Kremsier? Wann bist du zuletzt durch den riesigen Park von Lednice gewandert oder geradelt bis Lednice?

Das Bewusstsein dringt noch für viele über das Weinviertel nicht hinaus nach Nord/Osten, die Weinstraße wird vielleicht noch angesteuert, aber damit hat es sich meist. Schade. 22.233 km² Fläche wurde in der Monarchie Mähren zugebilligt, einem Landfleck, doppelt so groß wie Oberösterreich (heute ist die Abgrenzung zum übrigen Tschechien unklar). Auch diese Gegend: bis 1918 Teil Altösterreichs, eine bis zum Ersten Weltkrieg umworbene Schöne, eng verklammert mit Österreich landschaftlich/geologisch, polit-geografisch, kulturell, wirtschaftlich. Das wird erst allmählich wieder bewusst wahrgenommen, die Nachbarschaft wieder genutzt. Durch das Weinviertel, vom Donauraum hoch nach Nordosten. Die Landschaft: Von den Gewalten der Urzeit lässig hingeschleudert in weitem Faltenwurf, weite Flächen, die Äcker zeichnen Land-Art in den Boden, die kleinen Ortschaften: bescheiden bis ärmlich, wirken oft wie von Gott und (derzeit) Erwin Pröll verlassen. Dann fährst du vielleicht doch weiter nach Norden hinauf, zweigst von der Weinstraße ab, passierst hinter Drasenhofen ein altes Grenzgebäude – und es geht weiter wie bis da her. Die Landschaft. Die Dörfer. Kleinstädte, die sich vom zuvor passierten Mistelbach in nichts unterscheiden, außer durch die Ortsschilder. Aber du bist jetzt in Mähren. Mit Städten, die aussehen wie großbürgerlich gewachsenes Klein-Wien. Mit ihrer historischen Verbindung mit uns, die über die Zeit der zerbrochenen Monarchie hinausreicht, Beispiel: Von der Grenze weg siehst du schon von weitem Nikolsburg, jetzt Mikulov.

Erinnerungen eines Heimkehrers

Wir fahren in die Stadt ein. Neben mir sitzt ein alter Mann, mit Tränen in den Augen. Er war einer der nach dem Krieg mit seiner Familie Verjagten, jetzt kommt er wieder heim. "Da, unsere alte Schule ... Da oben ist das Klassenzimmer, in dem der Karl Renner saß, und dort das, in dem der Adolf Schärf saß ..." Beide in die Stadt / die Region geboren, nach wirren Zeiten österreichische Bundespräsidenten, die Südmährer. Das liest sich in der Geschichte wie eine Fortsetzung der Monarchie mit anderen Staatsmitteln. In der Freizeit-Landkarte Niederösterreichs mit ihrem überreichen Angebot sind wie selbstverständlich Orte angeboten, die darüber hinaus zu finden sind: eben das erwähnte Nikolsburg und in weiterer Nachbarschaft Valtice und Lednice, und wenn wir den Empfehlungen dieser Karte folgen, sind wir schon mittendrin in mitteleuropäischer Geschichte, Kultur, Schönheit.

Im Mahlstrom der Geschichte

Nikolsburg heute, von der Staatsgrenze weg grad einen Katzensprung entfernt. Denkmal-Reservat, über der Stadt dräut das riesige Liechtensteiner-Schloss, unter das sich die alte Stadt duckt. Nichts merkt der Besucher beim Durchwandern des ungemein heimeligen Zentrums mit seinem kleinen Hauptplatz mit Blick auf die pompöse Gruft der Dietrichsteiner von dem Bösen, das die Geschichte der Stadt immer wieder bescherte. Die Dietrichsteiner und die Liechtensteiner bestimmten 700 Jahre lang die Geschicke des Städtchens, der Standort als Fürstenresidenz verhalf zu zentraler Bedeutung, doch es lag im Mahlstrom der Geschichte: In 38 Kriegen wurde es zerstört und wieder aufgebaut, zuletzt ließ am 27. Oktober 1938 hier Hitler den "Sudeten-Anschluss" feiern, ehe es bergab ging und schließlich die Gegend hinter dem Eisernen Vorhang verschwand.

Jetzt: Keine Spur mehr von Zerstörung, vieles historisch Wertvolle wurde wiederaufgebaut, schmuck restauriert. Zu den Liechtensteinern und der engen Verklammerung der Region mit Österreich: Wien, das historische Palais. Das Fürstentum, eigentlich nichts als ein großer Privatbesitz. Heute nur mehr Brösel alter Herrlichkeit. Die Liechtensteiner sind eines der ältesten Adelsgeschlechter in Europa, dürfen sich seit 1608 Fürsten nennen. In den Geschichtswirren segelten sie stets gut im Wind. Als 1618 auch die protestantischen Adeligen bei (für sie) gutem Wind Mähren verließen, griffen die Liechtensteiner zu, die rechtzeitig auf das katholische Pferd gesetzt hatten. Der Kaiser, bei dem sie tief in der Kreide standen, erlaubte ihnen, sich die Ländereien der Geflüchteten unter den Nagel zu reißen: die früheren Besitzer zu enteignen und die Güter an sich selber um einen Spottpreis zu verkaufen. Bilanz schließlich alleine Mähren betreffend: 17 Schlösser, 1600 Quadratkilometer Land. Als auch sie nach dem Zweiten Weltkrieg Reißaus nehmen mussten, wurden sie zurückgeworfen auf ihren Stammbesitz bei Österreich, auf grad 160 Quadratkilometer Fürstentum.

Sie wollen ihren Besitz zurückhaben, doch der Staat Tschechien denkt nicht daran. Er renoviert und saniert die staatlich gewordenen Schlösser, zu eigenem Nutz und für die Besucher, die gewaltigen kulturellen/landschaftlichen Reichtum genießen können.

Neugotische Schlosspracht

Wir besuchen Eisgrub/Lednice. Ein Schloss, das wirkt wie der Kern einer geplanten Disney World, neugotische, bestens renovierte Schlosspracht, im 19. Jahrhundert erhielt das bis auf die Gotik zurückreichende riesige Bauwerk seine heutige Gestalt nach Art der englischen Tudor-Gotik. Es war Hauptsitz der Hauptlinie der Liechtensteiner, die schwüle Pracht kann bei Führungen bestaunt werden. Das Schloss ist Zentrum eines Parks, der mit seinen 27 Hektar Gesamtfläche mit Fantasiebauten, Teichen, künstlichen Inseln, jahrhundertealten Bäumen, einem Gewächshaus just nicht mehr als Kleingarten bezeichnet werden kann. Unter Schutz steht das Ganze, gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Das Erforschen der Anlage kann Stunden erfordern, ist ein weiträumiges Erholungsgebiet, Radfahrer müssen ihr Gefährt schieben. Außerhalb des Parks dürfen sie radeln, zum Beispiel von hier aus auf der alten Allee ein paar Kilometer zum Schloss Feldsberg / Valtice, dem "Familienhaus" der Fürsten. Das ist noch nicht ganz so gut in Schuss wie Lednice, kann aber auch besichtigt werden. Das Schloss erlitt zuletzt durch eingezogene Soldateska nach dem Zweiten Weltkrieg schwere Schäden, die auch zu beseitigen eine schöne Stange Geld kostet und noch kosten wird. Fast 100 Räume gibt es, 17 können besichtigt werden mit ihrer ursprünglichen prächtigen Ausstattung aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Das Areal um die Schlösser ist die größte zusammenhängende, von Menschen gestaltete Kulturlandschaft der Welt mit 300 Quadratkilometern, da lässt es sich schon kilometerweit dahinradeln.

Weiter nach Brünn, der mit 370.000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Tschechiens. Von der hoch gelegenen Kathedrale hat man einen prächtigen Panorama-Blick auf die ausufernde Neustadt des historischen Zentrums Mährens. Einen anderen hat man von einem historisch düster besetzten Ort: Von meinem Zimmer im schicken Viersterne-Hotel Best Western sehe ich hinauf zum Spielberg, nächtens lächelt das klosterähnliche Hauptgebäude hell angestrahlt hernieder, aber seine Funktion war gar nicht hell: Es war das gefürchtetste Gefängnis der Monarchie. Wer hierher eingewiesen wurde, war zum Tod auf andere Art als üblich verurteilt. Heute ist der Spielberg Museum.

Junge, pulsierende Stadt

Das Zentrum mit seiner großbürgerlichen Charakteristik von Barock bis Jugendstil frischt sich allmählich wieder auf, wird durchmischt mit Modernem, das – wie allüberall – nicht immer ganz zur Altsubstanz passt. In der Stadt mit sechs Universitäten pulsiert das Leben, eben viel studentische Jugend sorgt mit dafür, und im Kern gibt es auch hier ein Weltkulturerbe, den historischen "Krautmarkt", ein herrliches Architektur-Ensemble mit einem riesigen Brunnen Fischers von Erlach. In Brünn übrigens wurde im Jahr 1992 die "seidene Scheidung" – die konfliktfreie Trennung Tschechiens und der Slowakei – beschlossen.

Ausflüge in die Umgebung: Weite Landschaft mit einem in der Geschichte des 19. Jahrhunderts auch sehr negativ besetzten Begriff: Austerlitz. Hier besiegte Napoleon am 20. Dezember 1805 die österreichischen und russischen Truppen (der Blutzoll war erschreckend, aber für siegessüchtige Potentaten eine Normalgröße: 24.000 tote Soldaten in Summe). Ein Denkmal auf dem Schlachtgelände erinnert weithin sichtbar an den schlimmen Tag. In der Gegend werden bei Bauarbeiten immer noch Skelettteile gefunden, sie werden in einer eigenen Gedächtnisstätte gesammelt. Andere Welt in Nachbarschaft: Wallfahrtskirche Velehrad. Vor 30 Jahren war das Gelände um die fünfschiffige, ursprünglich romanische Klosterkirche noch so bescheiden, wie sich Papst Franziskus die ganze Weltkirche vorstellt. Doch jetzt prunkt das Gelände wie ein riesiges Glaubens-Freilichtmuseum, der Platz sauber wie ein klassisches bürgerliches Wohnzimmer nach Wochenend-Putz.

Prunkvoller Wallfahrtsort

Auf dem Platz erhebt sich einer der größten Kirchenbauten Böhmens/Mährens, in den die Wallfahrer (viele in prächtiger Landes-Tracht) gebeugten Hauptes eintreten, den Blick im Raum erheben und meinen können, das sei ein Abbild des himmlischen Jerusalem, mit unüberbietbarer barocker Pracht und Herrlichkeit.

Anderes Ziel: Kremsier / Kromeriz, das "Athen Mährens". 1848 war die Stadt Reichszentrum, nach Flucht des Hofes von Wien nach Olmütz im Revolutionsjahr 1848 tagte hier der Reichstag, im Festsaal des Bischofspalasts ist ein Modell des kurzzeitigen Monarchie-Zentrums zu sehen. Das gewaltige Bauwerk erschlägt fast die kleine Stadt, die sich auch fassadenmäßig wieder schmuck gewandet. Schlösser und Gärten Kremsiers sind auch Weltkulturerbe (seit 1998): Der 16 Hektar große Lustgarten ist ein Erlebnis besonderer Art. Man kann das am besten von der Terrasse der Kolonnade mit einer Reihe von Großplastiken antiker Persönlichkeiten haben: Überblick über die Gartenflächen, riesige ornamentale Pflanzen-Gebilde, die den Park durchsetzen – in ihrer Art eine florale Einmaligkeit, die natürlich auch durchwandert werden kann.

Abstecher nach Olmütz

Jetzt noch ein Besuch von Olmütz/Olomouc, wohin der Wiener Hof 1848 geflüchtet war, was die sechstgrößte Stadt Tschechiens für kurze Zeit berühmter machte als sein berühmter Quargel (der ist heute noch berühmt). Hier wurde am 2. Dezember 1848 dem 18-jährigen Franz Joseph die Regentschaft übertragen. Das interessiert die Besucher vielleicht weniger. Der Musikfreund allerdings wird daran erinnert, dass 1767 Mozart hier weilte und seine sechste Symphonie schrieb.

Der Gast genießt das Flanieren durch die Altstadt, die seit 1971 zur Gänze unter Denkmalschutz steht. Der Spaziergang führt auf den großen Hauptplatz mit dem alten Rathaus in der Mitte (der ganze Platz mit seiner Ensemble-Anordnung wirkt wie eine Parallele des großen Platzes von Breslau in Polen). Das Zentrum beherrscht auch eine Einmaligkeit: die Dreifaltigkeitssäule, die größte barocke Figurengruppe Mitteleuropas.

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