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Lyon, die Hauptstadt der Gourmets

Von Sigrid Brandstätter, 28. Dezember 2019, 00:04 Uhr
Die Hauptstadt der Gourmets
Rohwürste mit Pistazien und Trüffel gefüllt, die gekocht werden. Salami zum Gleich-Essen – die Lyoneser haben die Wahl. Bild: sib

Gesundheit beginnt mit gutem Essen. Mit diesem Lebensmotto haben die Lyoneser ihre Stadt zur gastronomischen Hauptstadt Frankreichs gemacht. Dafür verantwortlich sind die Lage an Flüssen, die Nähe zu den Bergen, die Mütter von Lyon und Paul Bocuse.

Am Samstagvormittag geht es für den Lyoneser, der etwas auf sich hält, zur Morgenmesse. Während der Arbeitswoche ist dieser andächtige Gang etlichen Runden meist älterer Herren vorbehalten. Der morgendliche Weg mag einzelne von ihnen zuvor schon in eine Kirche geführt haben. Aber gemeinhin ist mit der Morgenmesse der Besuch in den Markthallen Paul Bocuse gemeint: konkret eine Schale mit frischen Austern begleitet von einem Glas Weißwein, am besten Chablis. Zu spät sollte man nicht dran sein: Gegen Mittag ist bei keinem der Meeresfrüchte-Anbieter ein freier Platz zu bekommen.

Paul Bocuse ist als zweifacher Koch des Jahrhunderts und jahrzehntelanger Drei-Sterne-Koch das kulinarische Aushängeschild der Stadt – die ihm auch viel zu verdanken hat. Herr Paul, wie er von seinen Mitarbeitern und Anhängern genannt wurde, hat nicht nur die deftige Lyoneser Küche um die Nouvelle Cuisine erleichtert, der im Vorjahr Verstorbene hat den Koch aus der Küche geholt. Der mit seiner hohen Kochmütze einem Millionenpublikum auch als Fernsehkoch Bekannte begann, sich nach getaner Arbeit seinen Gästen zu zeigen und das Lob für seine Kreationen persönlich abzuholen.

Nach mehr als 50 Jahren an der Spitze des internationalen Koch-Olymps hat Bocuse seiner Heimatstadt sechs hochklassige Brasserien hinterlassen und der städtischen Markthalle die Erlaubnis, seinen ansonsten durch Markenrechte geschützten Namen kostenlos zu verwenden. Bocuse war wie so viele Köche und Feinspitze Stammkunde in den seit den 1850er Jahren bestehenden Markthallen, die 1971 wegen der Erweiterung der Stadt sogar den Standort wechseln mussten. Seither zeigt das Äußere des unauffälligen Flachbaus den zweifelhaften architektonischen Charme dieser Zeit.

Im Inneren beherbergt die Halle 48 Stände – heute bestens ausgestattete Lebensmittel-Manufakturen teils mit angeschlossenen kleinen Restaurants. 2004 wurde das 5000 Quadratmeter große Areal saniert. Der zweigeschoßige Keller bietet Platz für Lager und Verarbeitung – zu ebener Erd wird an sechs Tagen die Woche von 7 bis 22.30 Uhr verkauft. Nur am Sonntag schließt der lukullische Tempel schon um 16.30 Uhr.

Von Freitagen bis Sonntag gibt es Froschschenkel. Die Tradition, diese zu verspeisen, entstand aus einer Not des Überflusses, erzählt man sich hier. Lyon liegt inmitten einer agrarischen Landschaft, die Schweine dürfen mit besonders feinem Futter schlachtreif werden, in etlichen, sauberen Teichen wuchsen Süßwasserfische heran. Aber auch Frösche vermehrten sich in einem Ausmaß, dass sie zur Plage gerieten. Das sei der Hintergrund, warum man die kleinen Amphibien dereinst zu verarbeiten begonnen habe, betonen die Einheimischen.

Austern und Froschschenkel

Wie überall hier wird an Ort und Stelle frisch gekocht. Die gehäuteten Froschbeinchen werden leicht gesalzen und in Mehl getunkt, rasch in viel Butter herausgebacken und in frischer Petersilie und Knoblauch geschwenkt. Deshalb zieht sich der scharfe Allium-Geruch am Samstag schon früh durch die Gänge der Markthalle. Gegen Mittag sind die Tische und Bänke in der Cuisine du Sud dann voll. Die Wochenend-Einkäufer knabbern an den Knochen, das Ganze erinnert an Hühnerflügerl. Dass Tierschützer den Genuss kritisieren und die Delikatesse in etlichen Ländern aus ethischen Gründen nicht mehr auf dem Speisezettel steht, ist an diesem Stand nicht zu merken.

Die Hauptstadt der Gourmets
In der Markthalle gelten die Froschschenkel von Baba als Delikatesse. Bild: sib

Wer einen Verkaufsplatz in der Markthalle bekommt, wurde teils heftig diskutiert. So gibt es längst auch orientalische Delikatessen – vor allem für seine Süßigkeiten ist der armenischstämmische Bahadourian bekannt. Dass sein Besitzer überhaupt einziehen durfte, war 1929 eine Sensation. Immerhin kamen die Rohwaren, die bis dahin im "Bauch von Lyon" angeboten wurden, aus der näheren Umgebung. Die Regionsbezeichnung, woher das Fleisch, das Huhn, der Fisch, der Seeigel, die Austern oder die unzählbar vielen Käsesorten stammen, ist der Kundschaft heute noch immer – oder wieder – wichtig. Darum ist auch sorgfältig ausgeschildert, woher die Feinheiten stammen.

Die Hauptstadt der Gourmets
Noch eine Delikatesse in der Markthalle - die Seeigel wenige Stände weiter. Bild: sib

Berühmt und weniger umstritten als Froschschenkel ist die Lyoner Wurst. Diese Schweinerohwurst muss zu Hause erst 40 Minuten gekocht werden, Kenner kaufen die Varianten mit Pistazien oder Trüffelverfeinerung. Als Beilage werden Erdäpfel gereicht.

Womit wir bei den Ursprüngen der Gastronomie-Hauptstadt wären: den Lyoneser Müttern. Bis in die 1930er Jahre beschäftigten durch Handel reich gewordene Familien zwei oder drei Köchinnen in ihren großen Haushalten. Als die Zeiten schlechter wurden, verloren diese Frauen ihre Arbeit. Einige machten sich mit ihrer Kochkunst selbstständig. Ähnlich wie Buschenschanken kennzeichneten sie mit Strohbünden, dass hier für Gäste gekocht wurde. In diesen traditionellen Bouchons gibt es heute noch die gekochte Wurst, Stelzen mit Kraut und Innereien. Mit dieser deftigen Kost wurde die Stadt einst berühmt, als erste Autofahrerclubs nach ihren Ausfahrten attestierten: "Die beste Küche in ganz Frankreich gibt es in Lyon." Davon zeugen heute rund 4000 rezensierte Restaurants. Die Rue de Boeuf in der Altstadt weist die weltweit höchste Dichte an Michelin-Sternen in einem einzigen Straßenzug auf.

Wem die Geschäftigkeit unter dem Dach der Markthalle noch nicht gereicht hat, kann am Sonntag über den Tagesmarkt am Ufer der Saône schlendern. Größer als der Naschmarkt in Wien, der aber eine Stadt mit mehr als doppelt so vielen Einwohnern bedient, wird auch hier Frischware vom Fisch bis zum Gemüse angeboten.

Wer irgendwann genug von Saurem und Süßem hat: Auf der anderen Uferseite bieten Künstler ihre Skulpturen oder Bilder an. Auch hier wird Wert auf die Präsentation der Waren gelegt. Die Bilder sind aufgehängt, Schmuck oder kleine Kunsthandwerke sauber auf Tischen, mit weißen Decken bedeckt, sorgfältig drapiert. Die Lyoneser sind nicht nur Feinschmecker, sie sind auch Ästheten.

In verwinkelten Hinterhöfen

Reich geworden durch ein im 15. Jahrhundert erteiltes Handels- und Messeprivileg wegen der guten Lage an der Saône und der Rhône, war der Platz am Fuße des Hügels von Fourvière bald kostbar. In die Hinterhöfe der schmalen Bürgerhäuser musste weiterer Wohnraum gepfercht werden – aufgeschlossen durch schmale, runde Stiegenhäuser und Galerien, die gleichzeitig eine Abkürzung zum nächsten Straßenzug bilden. Daraus sind reizvolle Wege – die sogenannten Traboules – entstanden. Diese hatten noch dazu für die Seidenweber den Vorteil, die kostbaren Spindeln vor Regen geschützt vom Fluss hinauf in die Fabriken zu transportieren.

Die Hauptstadt der Gourmets
Die Altstadt am Hügel von Fourvière ist farbenfroh und verwinkelt. Bild: sib

Wer sich nicht via App durch die Traboules führen lassen will, sollte mit einem achtsamen Auge auf die Klingelboards an den Türen der Altstadt blicken. Gibt es einen Druckknopf am unteren Ende ohne Namensangabe: betätigen, man gelangt ins Innere und ist erstaunt, wohin der schmale Gang führt. Wobei sich die Bewohner in den wunderbaren Renaissance-Ensembles gegen die Touristenströme zu helfen wissen: An Sonntagen öffnen sich nicht alle Türen.

An einem langen Wochenende in der Hauptstadt der Gastronomie sollte aber noch einmal Zeit für Kulinarik sein: Zu Fuß geht’s zurück auf die Halbinsel , wo ein altes Spital zur Cité Internationale de la Gastronomie – zur Hauptstadt der Gastronomie – umgebaut wurde. Erst im Herbst 2019 eröffnet, dreht sich auf drei Etagen alles um Essen, die unterschiedlichsten Küchen der Welt, die variantenreichen Lebensmittel, ihre Eigenschaften, ihre Zubereitungsarten und in einer Schauküche alles ums Kochen – und ums Kosten.

Gut zu Fuß

 

Schon die alten Römer wussten um den Reiz: oben der Hügel, der an schönen Tagen den Blick bis zu die Alpen gewährt, unten die Flüsse Saône und Rhône. Über die Jahrhunderte entstand eine reiche Stadt, die sich im Zentrum fast gänzlich zu Fuß erobern lässt. Ein Hotel auf der Halbinsel (Stadtteile Ainay oder Perrache) wählen.

Die City Card (lyoncitycard.com, www.lyon-france.com) inkludiert eine informative Rundfahrt per Schiff und freie Eintritte in etliche Museen wie das Kino- und Miniaturenmuseum und das Institut Lumière – beide sind empfehlenswert, in der Seidenweberei (siehe Foto) eine Vorführung buchen.

Columbus Reisen bietet 2020 zwei geführte Reisen an (14. bis 17. Mai und 15. bis 18. Oktober) ab 990 Euro pro Person inklusive Flug & Besichtigungsprogramm. Infos und Buchung: veranstalter@columbus.com. Austrian fliegt fünf Mal wöchentlich direkt ab Wien.

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Autorin
Sigrid Brandstätter
stellvertretende Leiterin Ressort Wirtschaft
Sigrid Brandstätter
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