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Im Frühherbst rollen die Köpfe

Von Manfred Lädtke, 13. August 2022, 11:00 Uhr
Im Frühherbst rollen die Köpfe
Ein Ständchen der Jagdhornbläser für das frische, zum Anschnitt fertige Gemüse Bild: Dithmarschen Tourismus

In der norddeutschen Region Dithmarschen, wo das Kraut Kohl heißt, verneigt man sich bei einem Bauernfest vom 20. bis 25. September vor dem kugelrunden Gemüse.

Zwischen Watt und Nord-Ostsee-Kanal bedecken pralle Kohlköpfe den feuchten Marschboden und warten auf die Ernte. Kohlrouladen, Kohlsuppe und Kohlpudding sind jetzt kulinarische Schmankerl in Dithmarschens Gasthäusern. Die Kohlküste feiert das junge Gemüse auf Höfen und Märkten mit Bühnenprogrammen, Kochwerkstätten und regionalen Erzeugnissen. Petersilienwurzeln, die fein-süßliche Pastinake sowie Faschiertes und Speck machen den Kohl für die raffinierte Herbstküche fett.

Beim Vitamin C stehe Kohl einer Zitrone in nichts nach, preist Jan Henning Ufen das mineralstoffreiche Gewächs. James Cook und andere Seeleute hätten Sauerkraut mit an Bord genommen, um sich vor der gefürchteten Skorbut-Krankheit zu schützen. Mehrmals hat Landwirt Ufen den öffentlichen Kohlanschnitt organisiert. Bereits bei der Premiere vor 20 Jahren kamen 3000 Gäste zum "Anschnittsfest" in die Kohlkammer Deutschlands. Das machte Mut für alljährliche Festtage.

Im Frühherbst rollen die Köpfe
Der Kohl und seine Regentinnen Bild: Lädtke

Allerdings begann die Erfolgsgeschichte von Dithmarschens Kohlproduktion bereits Ende des 19. Jahrhunderts. Ein Gärtner erkannte die Nährstoffe des Marschbodens. Auf überschaubaren drei Morgen pflanzte er die ersten Köpfe. Skeptische Nachbarn belächelten ihn als "Hohlkopf". Als er 1924 im Alter von 65 Jahren starb, war der Kohlpionier ein erfolgreicher Unternehmer und stolzer Villenbesitzer. Heute ist die Region Europas größtes Anbaugebiet für unterschiedliche Kohlarten. "Wir ernten jedes Jahr mehr als 80 Millionen Köpfe", sagt Ufen.

Eine Band stimmt plattdütsche Lieder an. Zwei in Trachten gewandete Frauen machen sich bereit für den feierlichen Anschnitt. Für Touristen posieren die Kohl-Königinnen – nein, die Regentinnen – im Kohlfeld. "Weil Dithmarschen früher eine freie Bauernrepublik war, heißt das bei uns Regentin", klärt Hepke Nöhrenberg auf. Im Winter 1500 schlugen Bauern Truppen des dänischen Königs zurück. Reiche Grundbesitzer bestimmten weitere 60 Jahre die Politik in Dithmarschen, die kein blaues Blut duldete.

Während regionale Prominenz noch die ersten geernteten Kohlköpfe plakativ in die Kameras hält, bewegt sich der Touristentross zum Gutshof. In der Scheune tischen Landfrauen deftige Kohlrouladen mit Erdäpfeln auf. An einem Infostand beschwört eine Landwirtin Kohlblätter als Bakterienkiller und Zellschützer. Kohlwickel würden zudem bei Gelenkentzündungen und Kopfschmerzen helfen.

Wer seinen Wissenshunger noch nicht stillen konnte, findet in Wesselburen informativen Nachschlag. In eine alte Sauerkrautfabrik ist das "Kohlosseum" mit Krautwerkstatt und Museum eingezogen. Was es mit einer Salbe aus Weißkohlsaft auf sich hat, ist hier nur ein Thema in Vorführungen und Kochkursen rund um die Kugel, die hier die Welt bedeutet.

"Wenn der Kohl am besten schmeckt, soll man aufhören", sagt ein Sprichwort. Kalorienbewusste Gäste nutzen für einen Spaziergang den benachbarten Hebbel-Rundwanderweg. Der Schriftsteller verließ im Alter von 21 Jahren Dithmarschen und starb 1910 in Wien. Gedanken über seine "kleine Welt", in die Friedrich Hebbel nie wieder zurückkehrte und die er nie wirklich geliebt hat, sind in seinen Schriften und auf dem Rundweg nachzulesen.

Krabben in der Hosentasche

Weiter geht es auf der kulinarischen Nord-Tour nach Büsum, wo Reisende über den mit Kohl gefüllten Tellerrand hinausschauen. Im Hafen dümpeln Fischkutter und zerren an haltenden Tauen. Am Kai wartet Momme Clausen. Wenn einer Geschichten von Meer und Seefahrt kennt, dann er. Als er von Kapitänen und Stürmen erzählt, nestelt er eine Handvoll Krabben aus der Hosentasche. Momme liebt Krabben, hat beim Schälen den richtigen Dreh raus und isst sie mit Genuss. "Ist der Panzer auch schön knackig, ist die Krabbe ganz schnell nackig", hat er gelernt. Im Meeresmuseum zeigt er, wie man den Panzer der Garnele knackt und mit etwas Geschick das nussig schmeckende "Gold der Nordsee" herausfischt.

Es ist Abend geworden. Langsam geht die glutrote Sonne auf Tauchstation und verzaubert den Horizont in einen orange-gelben Farbstreifen. Zeit, in einem der originellsten Hafenlokale Büsums vor Anker zu gehen. "Kolles Alter Muschelsaal" macht seinem Namen alle Ehre. Fast hunderttausend Exemplare zieren die Wände. Seeleute brachten Muscheln aus allen Weltmeeren mit nach Hamburg. Sein Großvater habe die ehemalige Fischerkneipe vor 100 Jahren übernommen und die Muscheln sackweise eingekauft, erzählt Inhaber Karl-Heinz Kolle. Später kamen immer mehr Stücke dazu.

So vielseitig wie das Wetter an der Waterkant ist auch die Speisekarte. Sauerfleisch von der Wildgans und natürlich die original Büsumer Krabbensuppe werden aufgetischt. Seniorchefin Erika Kolles Schwiegermutter hatte die Suppe 1920 ihrer Familie eingebrockt. Das Rezept dafür sei ein Familiengeheimnis. "Dat wer ümmer so un dat blifft ok so" (das war immer so und das bleibt auch so).

  • Die Dithmarscher Kohltage finden jedes Jahr in einer anderen bäuerlichen Ortschaft statt. Festauftakt heuer vormittags in Elpersbüttel, Hof Joachims, Hohe Straße 1; www.echt-dithmarschen.de
  • Wesselburen: Hebbel-Museum (wesselburen.de) und KOHLosseum (kohlosseum.de)
  • Unterkunft: Hotel Lindenhof in Lunden (lindenhof1887.de), Aparthotel Bernstein (aparthotel-bernstein.de) in Büsum
  • Restauranttipp: "Kolles Alter Muschelsaal" in Büsum (kolles-alter-muschelsaal.de); "Büsumer Seehundsfutter" (Seelachsfilet gefüllt mit Krabben und Räucherlachs sowie Bratkartoffeln plus Salatteller) probieren.
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