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Heiteres Land unter weitem Malerhimmel

Von Gerald Mandlbauer, 23. Juli 2022, 00:04 Uhr
Heiteres Land unter weitem Malerhimmel
1000 Jahre Geschichte, nach der Revolution als Steinbruch geplündert: Die Abtei von Jumièges, flussabwärts von Rouen gelegen. Bild: man

Auf der Seine von Paris in die Normandie. Nach zwei Jahren Pause haben die OÖNachrichten und Moser Reisen wieder eine Flusskreuzfahrt gestartet.

Hier ist immer gutes Wetter, wenigstens für ein paar Minuten", lautet eine feste Wetterregel in der Normandie. Die Gegend um Rouen gilt als der Nachttopf Frankreichs, weil es dort am meisten regnen soll. Der Atlantik treibt die Fronten herein. Doch im Juli des Jahres 2022 sind selbst solche Gewissheiten Makulatur. Seit Wochen knallt die Sonne auf den westlichen Hinterhof von Paris, die nie enden wollende Hitze des Mittags dehnt sich bis in die Abendstunden. Wer kann, flüchtet in den Schatten oder sucht, wie wir es tun, den Fahrtwind auf dem Vorderdeck der MS Seine Comtesse. Deren beide Caterpillar-Motoren schieben das 180 Meter lange Schiff und seine 100 Gäste von Paris aus Richtung Meer, dem sich die Seine in weiten Schlingen annähert.

Nach zwei Jahren Corona-Pause haben die OÖN gemeinsam mit Moser-Reisen wieder zu einer Flusskreuzfahrt geladen, es geht in den nordwestlichen Zipfel Frankreichs, einen Winkel der Denker, Dichter, Eroberer, Maler, der Butter und der fetten Weiden und nicht zuletzt der Plätze einer kriegerischen Geschichte. Die Normandie ist "das Land hinter der Hauptstadt", ganz Paris fuhr Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts an die See.

Deauville wurde zum Treffpunkt der Schönen, Etretat mit seinem Kiesstrand zum Ziel für die Bürger (die "Bourgeoisie"), denen das Aufstiegsversprechen der Revolution und die Demokratie ein besseres Leben beschert hatten. Ihnen folgten die Impressionisten, die die Leute malten, wie sie waren, also nicht geschönt, dazu die lichtdurchfluteten Landschaften, die Parade der grauen Steine, Häuser und Klippen, die am Ufer Spalier stehen.

Claude Monet, das Genie unter diesen Impressionisten, hat sie alle gemalt, alleine 35 Heuschober in allen Facetten des Lichts, Gegenlicht, Frontallicht, Morgendunst, Streiflicht. "Ich male, weil ich nichts anders kann als zu malen", sagte Monet. 1874 zündeten die Impressionisten die Moderne der Malerei, Monets Gemälde liegen heute in den Museen der Welt, der Preis für sie hat sich in den letzten 30 Jahren verfünfzigfacht. Mit Monets Augen die Normandie sehen, heißt, ein Auge zu haben für den tiefen Himmel und die glatte See, den Flachs, der auf den Feldern liegt und alle sechs Tage gewendet wird, ehe er nach sechs Wochen, dann dunkelbraun geworden, geerntet werden kann.

Monets weltberühmter Garten, am rechten Seineufer in Giverny gelegen, wird jährlich von hunderttausenden Touristen gestürmt. Wir sind an diesem Tag die ersten, Punkt neun Uhr öffnet sich das Tor zum Wassergarten. Inspiriert von japanischer Reduktion hat Monet Teiche und Kanäle anlegen lassen – hundertfach hat er hier Seerosen auf Leinwand gebannt.

Den oberen Teil seines Gartens schließt sein Wohnhaus ab – Atelier, Schlafzimmer, Küche können begangen werden – nichts wurde hier in den letzten 80 Jahren verändert. Auf dem Friedhof liegt die Familie Monet im zweiten Grab rechts neben dem Kirchtor – an die Spuren des zweiten Weltkrieges erinnert die Grabstätte für die siebenköpfige Besatzung eines britischen Lancaster-Bombers, der 1944 hier abgeschossen worden ist. Erinnerung an einen anderen Schauplatz der Geschichte: die Küste südöstlich von Caen, an der am 6. Juni 1944 die Landung der Allierten im Kampf gegen Hitler-Deutschland begonnen hat.

Heiteres Land unter weitem Malerhimmel
Am Strand von Etretat, im Herzen der Alabasterküste gelegen Bild: man

Cidre, Calvados, Camembert

Im harten Kontrast dazu ist es heute wieder ein heiteres, grünes Land, an dem wir Schiffspassagiere auf dem Oberdeck ruhend vorbeigleiten. Hier ist Weltliteratur angesiedelt. Gustave Flaubert, Autor der Madame Bovary, ist in Rouen, der Hauptstadt der Normandie geboren, Guy de Maupassant ("Bel-Ami") wohnte und starb in Etretat. Als "Liegestuhleremit" an Bord kann man diesen großen Texten nachhängen und dazu die Gegenwart einwirken lassen. Es drängen sich die normannischen Kühe ins Blickfeld, schwarz-weiß gescheckt, mit kreisrunden Farbklecksen um die Augen, "Sonnenbrillen" sagt unsere Führerin Melanie dazu.

Landwirtschaft ist die Basis für die drei großen C der Normandie: Den Calvados, den Cidre (mit unserem Most vergleichbar) und den Camembert de Normandie. "Fette, Butter und Creme machen uns groß und stark", heißt es hier. Fette Essenzen hüllen Rind, Fisch und Meeresfrüchte ein.

Doch alle Wege führen hier zum Apfel, der zu Cidre gepresst und später zu Calvados gebrannt wird. Und nicht zu vergessen die Auster. Im pittoresken Honfleur, südlich von Le Havre an der Seinemündung gelegen, lassen wir es uns in der "Poissonnerie" gut gehen, bestellen jeder 12 Austern, Schnecken, Muscheln, dazu einen Chablis und verstoßen, indem wir die Austern mit Zitronensaft verzehren, gegen die klassische Schule. Diese besagt: Keine Zutaten, lange kauen, so können sich die Aromen von Salz, Jod, Holz, Pilzen, Leder, und was Kenner sonst noch zu verspüren meinen, am besten entfalten. Die Frische dieser Austern ist unübertrefflich. Es gibt wenige Delikatessen, bei denen die Spanne zwischen Tötung und Verzehr so gering ist wie bei der Auster.

Überhaupt Honfleur und Etretat, sie sind unsere Liebkinder auf dieser Flussreise. Wir stecken am Strand von Le Havre die Beine in den Atlantik und tauchen, mutig geworden, ganz unter. Das Wasser hat mehr als 20 Grad. Wir bestaunen das Treiben in Etretat, dem schönsten Ort der Alabasterküste. Südlich der Seine beginnt die Blumenküste mit dem mondänen Deauville und dahinter gelegen die Landungsstrände mit den Abschnitten Utah, Gold, Omaha und Sword – unbedingt besuchen, kann man jedem Normandie-Urlauber nur empfehlen.

Die größte Stadt der Normandie ist Le Havre – es ist das Stalingrad der Franzosen. 132-mal wurde es während des zweiten Weltkrieges bombardiert, aus den Trümmern errichtete der Architekt Auguste Perret eine Musterstadt der Moderne – mit klaren Linien, geraden Flächen und immer wieder glattem Beton. Perret ist der "Meister des Beton", seine sterile Architektur ist allerdings eine unpassende Antwort auf die Hitze der Städte in Zeiten eines forcierten Klimawandels. Die Julisonne macht Le Havre zu einem Backofen, für Bäume, Alleen, überhaupt für städtisches Grün hat Perret keine Vorliebe entwickelt. So lässt ihn der Klimawandel aus der Zeit fliegen.

Normannische Fixpunkte sind die Kreidefelsen dieser Landschaft, sie sind die Basis für die Architektur gewesen. Westminster Abbey oder der Tower of London sind aus Kalkstein von Caen und Vernon gebaut, die Normannen haben mit Wilhelm dem Eroberer dieses Grau nach England getragen, es ist nicht umgekehrt, wie viele meinen.

Immer schon ist die Normandie Schauplatz historischer Wendepunkte gewesen. Im hundertjährigen Krieg bewahrte Johanna die Stadt Orleans vor der Einnahme durch die Briten, als Jeanne d’Arc ist sie in Rouen den Engländern ausgeliefert und von der Kirche verbrannt worden. Auf dem Place du Vieux Marche erinnert die 1979 errichtete Kirche Sainte-Jeanne an sie, auch hier kühle Betonarchitektur und eine Hommage an die Seefahrt. Der Grundriss ist einem Schiffsrumpf nachempfunden.

Heiteres Land unter weitem Malerhimmel
In Claude Monets Rosengarten Bild: man

2023 auf Saone und Rhone

Eine andere sehenswerte Kirche, die Kathedrale von Rouen, ist erstklassige Zeugin normannischer Gotik. Von Rouen aus drangen die Wikinger Seine-aufwärts vor, bis heute ist nicht endgültig geklärt, ob die Nordmänner nun Dänen oder Norweger gewesen sind. Sie ließen sich christianisieren, bauten mit Stein. Wer heute auf sich hält, verschönert sein Haus gleichermaßen mit Material aus den Kreidefelsen. Man muss ja nicht gleich so brutal vorgehen, wie es nach der Revolution der Fall gewesen ist. Die wunderschöne Benediktinerabtei von Jumieges diente den Umliegenden als Steinbruch. Von ihr sind nur die Skelette geblieben – die Harmonie von Natur mit Architektur scheint gerade deswegen hier so gelungen, zu Sphärenklängen wandern die Besucher unter diesen Zeugen einer 1000-jährigen Historie.

Zum Abschluss dieser Flusskreuzfahrt ankert die Comtesse zwei Tage in Paris. Wir hätten es am Vorabend des 14. Juli und am französischen Nationalfeiertag nicht besser erwischen können. Die zwei Feuerwerke erleben wir an Deck erste Reihe fußfrei, vor uns im Glas jenen Sauvignon, der tags zuvor die OÖN-Weinshow an Bord gewonnen hat. Am 14. mischen wir uns unter die hunderttausenden Besucher der Militärparade, der Nationalstolz ist zum Greifen.

Für 2023 haben Fritz und Maria Moser bereits das nächste Revier der OÖN-Flusskreuzfahrt ausgemacht. Es wird abermals nach Frankreich gehen, von Burgund in die Provence, die Saone und die Rhone flussabwärts. Details erhalten Sie bei Moser-Reisen in Linz.

Alles Sauvignon

Fixpunkt jeder OÖN-Flusskreuzfahrt ist die von Sommelier Hans Stoll organisierte Weinshow. Auf der Seine ließ Stoll Sauvignon Blancs aus Österreich, Frankreich und der neuen Welt gegeneinander antreten. Publikumswertung und Expertenurteil klafften auseinander. Gewinner der Fachjury war der steirische Sauvignon Ried Sulz des Weinguts Tement, gefolgt von Ventisquero Chile (Sauvignon Riserva Casablanca) und abermals einem Steirer: Alte Reben von Alois Gross aus Ratsch.

Erklärter Liebling der OÖN-Leserinnen und Leser an Bord der MS Seine Comtesse war der neuseeländische Nautilus Marlborough, gefolgt von Henri Bourgeois (Val de Loire) sowie Erwin Sabathi (Sauvignon Blanc vom Opok, Südsteiermark).

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Autor
Gerald Mandlbauer
Chefkommentator und Mitglied der Chefredaktion
Gerald Mandlbauer
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