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Einmal Austria-Australia und retour

Von Birgit Koller   04.April 2020

Wir sitzen in unserem sonnendurchfluteten Wohnzimmer. Noch vor gut hundert Tagen war nicht nur unsere, sondern die gesamte Welt eine ganz andere. Gerne schauen wir zurück auf unser Reisejahr, auf die Stärken und Schwächen des roten Kontinents, auf uns als Familie und was es mit uns gemacht hat. Zu Neujahr 2019 sind wir in Sydney gelandet und am Ende des Jahres wieder nach Österreich zurückgekehrt. Dazwischen liegen 32.000 Kilometer, sechs Bundesstaaten, hunderte herzliche Begegnungen, mehr als 300 Nächte im Wohnwagen.

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Lernen intravenös

Während wir hier sitzen, hüllt uns eine wohlige Vertrautheit ein, und im gleichen Atemzug vermissen wir die großen und kleinen Abenteuer. Jeder Tag war anders, das tägliche Anpassen an neue Umgebungen war reizvoll, aber oft auch sehr anstrengend. Wir haben immer etwas dazugelernt, ohne es zu bemerken, fast intravenös – haben die englische Sprache verinnerlicht, gelernt, zu navigieren und Routen zu planen, mit dem Wohnwagen rückwärts einzuparken, unzählige Fische voneinander zu unterscheiden, bei 35 Grad einen kühlen Kopf zu bewahren, Essen für zwei Wochen im Voraus einzukaufen und auf ein paar Quadratdezimetern zu verstauen, Kolonialgeschichte zu verstehen (zumindest faktisch), ... Wir haben gelernt, Gastfreundschaft anzunehmen und dem Rat anderer zu vertrauen. Wir haben gelernt, wie es sich anfühlt, die Familie und Freunde zu vermissen und wie gutes Trinkwasser und Bio-Kartoffeln vom Bauern fehlen können! Das Wohnzimmer fühlt sich immer noch wohlig an, aber mit diesem "Drinnen" kommt auch die Bequemlichkeit mit, und die hatten wir jetzt ein Jahr lang nicht.

Die rohe, unverschämte Schönheit der Natur ist – wenn das "Haus" nur zwölf Quadratmeter hat – auch ganz schön unbeugsam. Wenn es heiß ist, kann man die Sonne nicht einfach wegschicken. Wenn es kalt ist, hilft kein Jammern. Es hilft ein Annehmen dessen, was jetzt gerade ist, und ein Erweitern der eigenen Möglichkeiten. Es braucht dann gute Lösungen. Und das haben wir gelernt. Auch als Familie, uns so anzunehmen, wie wir sind, und nicht den anderen dauernd verändern zu wollen. Erstens ist es nicht möglich, zweitens ist es kränkend, und drittens kommt dicke Luft auf, und die kann auf zwölf Quadratmetern richtig dick werden! Wir sind also gereift und gewachsen. Die Kinder auch körperlich.

Persönlich haben wir uns viel vom australischen "Easy going"-Lebensgefühl mitgenommen. Es wird dort wenig über Probleme und viel über Lösungen gesprochen. Was aber auch zur Folge hat, dass Themen wie etwa Depression tabuisiert werden. Im Land der Sonne ist es hell und nicht dunkel! Nie! Die Scheidungsrate ist hoch. Auch Freundschaften werden meist anders definiert als hierzulande. Durch die vielen Umzüge innerhalb des Landes, die hohe Flexibilität, Übersee zu arbeiten und zu leben, ist es einfach, Freunde zu finden, aber halt weniger tiefgehend.

Umgang mit der Natur

Dort, wo Nationalparks definiert sind, ist der Artenschutz heilig, dort, wo Rohstoffe abgebaut werden, so etwas von unheilig. Was biologische Landwirtschaft betrifft, gibt es an der Ostküste ein großes Umdenken, wohingegen im Westen, wo das Wasser knapp ist, aus dem Boden rausgequetscht wird, was nur irgendwie geht. Ohne Rücksicht auf Verluste.

Immer noch sitzen wir im kuscheligen Wohnzimmer und sehen die freudigen Gesichter der Australier, wenn sie stolz erzählen, wie wunderbar ihr Land ist, in dem sie leben, und wie sehr sie sich freuen, dass wir hergekommen sind, um es zu bestaunen. Aber wer ist ein echter Australier? Und wem gehört dieses Land? Den Aborigines oder den weißen Siedlern? Wir wissen es nicht, und das brauchen wir auch nicht. Was wir wissen, ist, dass wir ein unvergessliches Jahr auf dem roten Kontinent erlebt haben und dass wir den Abermillionen Sternen danken, die dort über uns wachten. Und genau diesen Sternenhimmel wollen wir wiedersehen. Irgendwann.

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23. April 2024