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Ein altes Stück Japan

Von Natascha Thoma, 27. Dezember 2014, 00:04 Uhr
Ein altes Stück Japan
Der Meditationspavillon im Suzuki-Museum Bild: Isa Ducke

Japan wie aus dem Bilderbuch - das finden Touristen in der Stadt Kanazawa. Wie so oft im Land der aufgehenden Sonne liegen auch dort Tradition und Moderne sehr eng zusammen und präsentieren eine Stadt als harmonische Melange aus Nostalgie und Futurismus.

Ein feiner Rauchfaden steigt vom Porzellantellerchen auf. Aber duftet er anders als der vom anderen Teller? Es sind nur drei unterschiedliche Sorten Weihrauch, die Frau Takazawa für uns vorbereitet hat, aber sie im Blindtest richtig zuzuordnen, erweist sich nicht als leicht. Die Weihrauchmeisterin beruhigt uns: Es geht bei den alten Ritualen mehr darum, zur Ruhe zu kommen, als um die richtige Zuordnung und das Gewinnen.

Für Kôdô, die japanische Weihrauchzeremonie, wird meist echter Weihrauch verwendet, und da seien die Nuancen auch für Geübte schwerer zu unterscheiden als bei modernen parfümierten Räucherstäbchen.

Die alte Kunst der Weihrauchzeremonie ist auch in Kanazawa kein weitverbreitetes Hobby – die Atmosphäre ist aber typisch für die Präfekturhauptstadt am Japanischen Meer. Kanazawa, das von den Bomben im Zweiten Weltkrieg verschont blieb, ist gepflegt, traditionsverbunden und ein bisschen altmodisch, aber nicht provinziell. Die Stadt ist zugleich jung und modern, hier findet man zeitgenössische Architektur, lebhafte Kneipen und eine studentische Szene.

Japans Hauptinsel Honshu liegt langgestreckt vor dem asiatischen Festland und ist eindeutig zum Pazifik hin orientiert. Die Mehrheit der Einwohner lebt in den städtischen Ballungszentren um Tokio, Nagoya, Osaka oder Hiroshima. Wie ein Rückgrat trennen bis zu 3000 Meter hohe Berge die Pazifikseite von der Japansee-Seite. Hinter den Bergen findet man ein anderes, ländlicheres Japan, das noch vor einigen Jahrzehnten schwer erreichbar war. Inzwischen sind Autobahnen über (und durch) die Berge gebaut worden, ab 2015 soll auch der Schnellzug Shinkansen bis Kanazawa fahren. Dann wird die Stadt sich wohl rasant zu einem der Touristenmagneten Japans entwickeln. Bisher kommen die Touristen überwiegend aus Japan. Hauptattraktion ist für sie der Landschaftsgarten Kenroku-en. Der nämlich gilt als einer der drei schönsten Gärten in Japan.

Über 70 Sorten Moos gibt es im Kenroku-en, sagt Herr Kato, der hier Manager war und alles über den Kenroku-en weiß. Das ist arbeitsintensiv, denn damit das Profi-Moos gut aussieht (anders als im ungepflegten Vorgarten-Rasen), muss immer auf die richtige Feuchtigkeit geachtet, Gräser und Blätter müssen ständig sorgsam von den Moospolstern abgesammelt werden.

Die Feuchtigkeit ist überhaupt wichtig, denn in den schwülen japanischen Sommern verbreitet die Verdunstung aus dem feuchten Moos angenehme Kühle. "Suzushii" heißt das auf Japanisch, und Suzushii ist nicht nur ein erstrebenswerter Zustand, sondern ein kulturelles Konzept: So verwurzelt ist es, dass selbst der Anblick von Moos erfrischend wirkt, genauso wie das bloße Geräusch eines Wasserfalls oder das Bild eines Karpfens auf einer sommerlichen Kimono-Schleife.

Auch der hohe Wasserfall im unteren Teich ist künstlich angelegt, um die sommerliche Erfrischung zu garantieren. Eigentlich ist fast alles künstlich an diesem wie die perfekte Natur wirkenden Garten – das Wasser für Teiche, Bach und Wasserfall wird seit 350 Jahren über eine zehn Kilometer lange Rohrleitung hergeführt. Perfekte Natur, das wissen japanische Gartenmeister, gibt es nicht. Deshalb schafft man sie selbst: knorrige Bäume, die im richtigen Winkel eine Szene umrahmen, Panoramablick über die Landschaft direkt vom Ufer eines Teichs, lauschige Ecken in weiten Flächen – Gegensätze sind hier kunstvoll vereint. Viele der japanischen Besucherinnen haben sich schöne Frühlingskimonos angezogen, um durch den traditionsreichen Garten zu flanieren, und halten die symbolträchtigen Anblicke auf dem Handydisplay fest. Windschiefe Kiefern, das weiß jeder, stehen für Durchhaltevermögen und langes Leben, die Insel stellt eine Schildkröte dar, also auch langes Leben.

Die Bergkette außerhalb des Gartens gehört ebenfalls zum Konzept – eine sogenannte "geliehene Landschaft". Es gibt Trittsteine in der Formation fliegender Gänse und Steine, die mit etwas Fantasie wie Tiger aussehen. Über die tiefere Bedeutung solcher Details streitet sich die Fachwelt immer noch, erklärt Herr Kato, denn Planzeichnungen oder Konzeptpapiere gab es nie für diesen Privatgarten der Fürstenfamilie Maeda.

Man weiß nur, dass die Maedas, damals die Herrscher über die reichste Provinz Japans, ab dem frühen 17. Jh. gegenüber ihrer Burg einen Garten für Vergnügungen, als militärisches Trainingslager und nicht zuletzt als Löschwasserreservoir anlegen ließen. Über die Generationen wurde er ausgebaut und vergrößert.

Schillernde Provinzfürsten

Auf die Maedas ist man in Kanazawa heute noch besonders stolz, denn sie widersetzten sich jahrhundertelang halsstarrig der übermächtigen Zentralregierung in Tokio. Sie prägten das Selbstverständnis Kanazawas als eigenständige Metropole mit wirtschaftlicher und kultureller Ausstrahlung und achteten vor allem auf ihre Autarkie, immer militärisch gerüstet und vor zu großer Vereinnahmung auf der Hut.

"Taschen ins Regal! In zwei Reihen dort hinknien!" Die Gästeführerin im Tempel Myoryuji scheint sich an der Strenge des einstigen Landesfürsten zu orientieren. Im 17. Jh. besuchte Maeda Toshitsune oft diesen Tempel und ließ ihn deshalb mit allerlei Ninja-Tricks ausstatten. Heute werden Touristengruppen über Geheimtreppen zu den Falltüren geführt, mit denen sich der Fürst vor Spionen und Mördern aus der Hauptstadt schützen wollte. Die Dächer seiner Burgtore ließ er angeblich mit Bleiziegeln decken, um immer Material für Kanonenkugeln zur Hand zu haben. Das wirkt im Nachhinein vielleicht ein bisschen übertrieben, aber die Selbstwahrnehmung als eine Art kulturelle Gegenmetropole (heute zu Kyoto) ist geblieben. Erst in den letzten Jahrzehnten ist Kanazawa aus dem architektonischen Dornröschenschlaf erwacht – im Innenstadtbereich finden sich hochkarätige moderne Bauwerke.

Ein weißer Hauswürfel schwebt über der Wasseroberfläche, darin ein paar Bänke. Eine Welle verebbt langsam in dem quadratischen Teich, der Blick kann sich an einer weißen Mauer fangen und über einen baumbestandenen Berg dahinter schweifen. Nichts lenkt von der inneren Retrospektive ab. Der Meditationspavillon im Suzuki-Museum ist die Inkarnation des philosophischen Zen-Gartens im 21. Jahrhundert.

Das D.T. Suzuki Museum ist ein "Philosophie-Museum" und dem bekanntesten Vermittler des zen-buddhistischen Gedankenguts im Westen gewidmet. Dabei soll es aber nicht um Suzukis Lebensgeschichte gehen, sondern um die Philosophie selbst. Ein hoher Anspruch für ein Museum, der in der Ausstellung gelungen umgesetzt ist: Statt biographischer Details und langatmiger Erklärungen gibt es Denkanstöße (auch auf Englisch).

Ein Stück weiter gelangt man zum Museum des 21. Jahrhunderts. Unter einer schillernd blauen Wasseroberfläche stehen und sitzen Museumsbesucher und blicken nach oben – mit seinem begehbaren "Swimming Pool" fordert der argentinische Künstler Leandro Erlich unser Konzept von Realität heraus.

Und nach so viel Philosophie und Kunst erholt man sich am besten in einem der liebevoll gepflegten Teehäuser, die in Kanazawa die Klassik der Samurai-Zeit mit der Moderne der 1920er-Jahre kombinieren. Geschäumter grüner Tee und Reisklößchen mit süßem Bohnenmus – hmmmm!

Allgemeine Auskünfte erteilt die Japanische Fremdenverkehrszentrale JNTO, Kaiserstr. 11, 60311 Frankfurt, www.jnto.de bzw. www.jnto.go.jp, und die Touristeninformation von Kanazawa (auch englische Broschüren online), kanazawa-tourism.com

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