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Die wilde Mitte Österreichs

Von Roswitha Fitzinger, 15. Mai 2021, 10:30 Uhr
Die wilde Mitte Österreichs
Das Gesäuse lässt sich hervorragend er- und durchwandern. Bild: Nationalparks Austria/Andreas Hollinger

Das Gesäuse ist der jüngste der sechs heimischen Nationalparks. Rauschendes Wasser, steiler Fels und wilder Wald prägen das "Gseis". Zur landschaftlichen Vielfalt kommt noch jene von Fauna und Flora.

Das gewaltige Rauschen und Tosen der Enns, die auf ihren 16 Flusskilometern zwischen Admont und Hieflau von den steilen Felswänden widerhallt, gab dem Gesäuse seinen Namen. Nur noch hier zeigt der mit 254 Kilometern längste Binnenfluss Österreichs ein naturnahes Bild. Vor allem auf der fast neun Kilometer langen, unverbauten Fließstrecke ist die Enns Lebensraum für viele seltene Tier- und Pflanzenarten. Das "Gseis", wie der Volksmund sagt, ist das Land der Endemiten – Tiere und Pflanzen, die nur hier in einem kleinräumigen Gebiet vorkommen. Dazu zählen unter anderem die stark gefährdete Zierliche Federnelke, der Nordöstliche Alpen-Mohn und die Österreich-Glockenblume.

Der vielfältige, naturnahe Lebensraum des Gesäuses begünstigt darüber hinaus das Gedeihen farbenprächtiger Orchideen. Mehr als 50 Arten sind im Nationalpark und in der näheren Umgebung nachgewiesen. Jedes Jahr zu Sommerbeginn macht sich Reinhard Thaller auf, um Frauenschuhe zu zählen. Es handelt sich dabei nicht etwa um verloren gegangenes Schuhwerk, sondern vielmehr um die größte in Österreich heimische Orchideenart.

Die wilde Mitte Österreichs
Die Zierliche Federnelke – eine von 30 nur im Gesäuse vorkommenden, endemischen Pflanzenarten Bild: Stefan Leitner

Der Nationalpark-Ranger führt genau Buch über die Blütenanzahl der jeweiligen Stöcke, zählt auch die Pflanzen ohne Blüten. Verschiebt sich über die Jahre dieses Verhältnis, ist das ein Anzeichen, dass etwas die Pflanze stört. Nach mittlerweile zehn Jahren des Monitorings kennt Thaller im Nationalpark jeden einzelnen Stock dieser europaweit geschützten Orchideenart, die einen Pilz-Partner braucht, um gedeihen zu können, und Wildbienen zur Bestäubung beziehungsweise Fortpflanzung benötigt.

  • Tipp: Im Mai und Juni sind mehrere "Orchideenspaziergänge und -wanderungen" mit Reinhard Thaller geplant. (nationalpark-gesaeuse.at)

Nicht so leicht auszumachen sind mitunter die besonderen, weil nur im Gesäuse vorkommenden, tierischen Endemiten. Der Körper des Nördlichen Riesenauges, ein Weberknecht, der im Gegensatz zu den acht Augen herkömmlicher Spinnentiere nur zwei besitzt, ist nicht größer als ein Sonnenblumenkern. Die acht langen Beine machen ihn aber zu einem handflächengroßen Kletterkünstler, der auf den senkrechten Kalkfelsen zu Hause ist. Auch um den Steirischen Höhlenlaufkäfer zu sichten, braucht es ein genaues Auge. Er wurde erst 2016 nach 80 Jahren wiederentdeckt. Der Lebensraum dieser seltenen Tiere ist zwar geschützt, da die meisten endemischen Arten jedoch kälteangepasst sind und nur in höheren Lagen vorkommen, wird ihr Fortbestand durch die Klimaerwärmung bedroht.

Die wilde Mitte Österreichs
Die dunkelste Mitte Österreichs als Hotspot für Sternderlschauer Bild: Stefan Leitner

Einer weiteren Bedrohung, nämlich jener der zunehmenden Lichtverschmutzung, lässt sich im Nationalpark hervorragend entgehen. Österreichs größte Städte sind weit weg, die Nächte im Gesäuse zählen zu den dunkelsten in Europa. 6000 Sterne sind bei wolkenfreiem Himmel mit freiem Auge sichtbar. Besucher sollten von nächtlichen Touren in das Gelände jedoch absehen, heißt es seitens der Nationalpark-Verantwortlichen. Der funkelnde Sternenhimmel lässt sich auch ohne die Wildtiere zu stören hervorragend bestaunen – rund um das Erlebniszentrum Weidendom etwa oder im hinteren Johnsbachtal.

  • Tipp: Der Nationalpark Gesäuse bietet Termine zum "Sternderl-Schauen" an – geplant am 18. Juni, 9. und 16. Juli, 6. und 13. August, um 20.30 Uhr.

Die wilde Mitte Österreichs erschließt sich dem aktiven Naturliebhaber auch hervorragend auf zwei Beinen oder zwei Rädern. Die Gipfel der Gesäuseberge zählen zwar nicht zu den höchsten der Alpen, aber ein Höhenunterschied von bis zu 1800 Metern macht ihre Besteigung zu einem anspruchsvollen Unterfangen. Für den Alpinfreund zählt eine Tour auf das 2191 Meter hohe Hochzinödl vom Bergsteigerdorf Johnsbach über die Hesshütte (öffnet am 19. Mai) mit zu den schönsten Unternehmungen im Nationalpark. Jeder alpine Wanderer, der im Gesäuse ist, sollte einmal auf der höchsten Erhebung, dem 2369 Meter hohen Hochtor, stehen. Den Weg nach oben kann man als Wanderung bis zum zweiten Schwierigkeitsgrad über den Peternpfad nehmen oder den Normalweg über die Hesshütte. Wer es gemächlicher mag, begibt sich auf den Hüttenrundwanderweg. Auf mehreren Etappen kann man neun Gesäuse-Schutzhütten erwandern und immerhin den Ausblick auf die 2000er-Gipfel genießen (Infos & Buchung: bookyourtrail.com).

  • Tipp: Auf eine Expedition in die Wildnis führt eine dreitägige Nationalpark-Durchquerung in Begleitung von zwei Rangern. Die Strecke wird je nach Wettersituation festgelegt, bei den sechs- bis siebenstündigen Wanderungen werden täglich gut 1000 Höhenmeter zurückgelegt, genächtigt wird in Schutzhütten. Die nächsten Wanderungen sind von 11. bis 13. Juni und von 1. bis 3. Oktober geplant.
Die wilde Mitte Österreichs
Enns und Salza bilden die Wasseradern des Nationalparks. Bild: Nationalparks Austria/Andreas Hollinger,

Neun Kilometer trennen die beiden Nationalparks Gesäuse und Kalkalpen. Der Luchs Trail, ein Weitwanderweg mit elf Etappen, 220 km und mehr als 12.000 Höhenmetern, verbindet sie. Wer lieber radelt, begibt sich auf die Trans Nationalpark, eine auf mehrere Etappen aufgeteilte, 238 Kilometer lange Mountainbike-Tour, bei der es 7300 Höhenmeter zu überwinden gilt. Gestartet wird in Steyr. Über die hügelige Landschaft des Alpenvorlandes führt die Route in die geschützten Wälder des Nationalparks Kalkalpen, bevor nach Süden hin die Felsenformationen schroffer werden und man bis in das Bergsteigerdorf Johnsbach vordringt. Eine Tour, die Demut verspricht – vor der Natur und den eigenen Grenzen, so heißt es. (Infos: transnationalpark.at).

Das eingangs erwähnte "wüde" Wossa ist nicht nur Lebensgrundlage für eine einzigartige Fauna und Flora, sondern verspricht auch Nervenkitzel. Ein Umstand, der Kajak-, Canyoning- und Rafting-Liebhaber ins kalte Wasser treibt. Es gibt diverse Packages – als Tages- oder Halbtagestouren der unterschiedlichsten Schwierigkeitsstufen, wer möchte mit Frühstücksbuffet und Grillerei oder Mittagessen am Fluss. (freelife.at, rafting.at, raftingcamp.at)

So eindrucksvoll sich im Gseis Berge und Wasser auch gebärden, der Wald hat es ebenfalls in sich. Immerhin gut die Hälfte der Nationalparkfläche von gut 12.000 Hektar ist bewaldet. Obwohl die Urwälder dem Holzhunger der frühen Eisenindustrie zum Opfer fielen, konnten sich dank schwer zugänglicher Abgründe wilde Baumbestände halten. Der Hartelsgraben etwa beherbergt noch derartige Baum-Methusalems in Gestalt alter Bergahorne und Buchen. Es gibt Wildwuchs in alle Richtungen, einen Mix aus Baumriesen, wucherndem Jungholz, stehendem und liegendem Totholz – eine Szenerie wie geschaffen zum Anschauen.

  • Tipp: Wanderungen zu den "Baumpersönlichkeiten" am 18. Juni und 16. Juli, 10 Uhr. Auch Urwald-Fotoexpeditionen in den Hartelsgraben (13. Juni, 28. August, 23. Oktober) sowie in den unteren Wasserfallweg (24. Oktober) werden angeboten. Anmerkung: Alle Veranstaltungen sind von der aktuellen Situation abhängig. Infos: 03613/2116020

Der Nationalpark

  • 2002 Gründung: Nach mehreren Volksbefragungen wurde am 26. Oktober 2002 der Nationalpark Gesäuse gegründet. Er erstreckt sich über die Ortschaften Admont, Johnsbach, Weng, Hieflau, Landl und St.Gallen.
  • 75 % Naturzone: Drei Viertel der Nationalparkfläche bleiben eingriffsfrei (Naturzone). In der sogenannten Bewahrungszone ist eine eingeschränkte Nutzung wie extensive Almwirtschaft und Infrastruktur erlaubt.
  • 180 Endemiten-Hotspot: Mit 150 nur kleinräumig verbreiteten Tier- und 30 Pflanzenarten weist das Gesäuse die höchste Endemiten-
    Dichte Österreichs auf.
  • 500 km Wandern: Das Gesäuse verfügt über ein Wanderwegenetz von mehr als 500 Kilometern und eine der größten Dichten an Schutzhütten in den Ostalpen. Ein Großteil der Hütten (wie Admonterhaus, Ennstaler-, Haindlkar-, Hess-, Klinke- Mödlingerhütte, Buchsteinhaus, Zeiringeralm) öffnet am 19. Mai.
  • nationalpark-gesauese.at
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Roswitha Fitzinger
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4  Kommentare
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Gruenenfreundin (3.291 Kommentare)
am 17.05.2021 19:55

Wunderschönes Österreich!

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MitDenk (29.558 Kommentare)
am 15.05.2021 09:08

Leider dürfte es einem Nationalpark nicht dienlich sein, wenn man in Zeiten wie diesen medial um Besucher wirbt. Auch wenn es eine höhere Dichte an Schutzhütten gibt, dürften diese bei vermehrtem Inlandstourismus nicht ausreichen, um geschützt für alle da sein zu können. Ausweichen wird auf diesen 500 km Wanderwegen, die ja oftmals durch steiles Gelände führen, auch schwer möglich sein. Insgesamt also nicht erfreulich, für die, die bisher schon gerne mal im Gseis waren. Und, was zu befürchten ist, auch nicht für die Bergrettung.

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il-capone (10.341 Kommentare)
am 15.05.2021 09:18

... am Stoa ist die Konzentration um ein Vielfaches, gut dass die Zufahrt zum Wende-Parkplatz schon limitiert ist.

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Zaungast_17 (26.399 Kommentare)
am 15.05.2021 14:34

Alles verbieten,dann werden alle glücklich sein ... !

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