Der Geometer und "seine" Schlosshotels & Herrenhäuser
Franz Ladinser, Chef des Hotels Grauer Bär/Orso Grigio in Innichen in Südtirol, ist Präsident einer fast 60 Jahre "jungen" Vereinigung von 42 altehrwürdigen Gastgebern.
Es ist ein ziemlich bunter Haufen – und das seit 60 Jahren. Denn die Vereinigung Schlosshotels & Herrenhäuser ist ein Ausbund an Individualität. "Echte" Schlossherren, die ihre gastlichen Gemäuer seit vielen Generationen öffnen, sind ebenso darunter wie Besitzer von Stadtpalais, Villen der Kaiserzeit und historischen Herbergen an uralten Handelswegen.
Einer von ihnen ist Franz Ladinser. Eigentlich ist er ja Geometer. Doch nun führt er das Hotel Grauer Bär in Innichen in Südtirol, das seit 1745 in Besitz seiner Familie ist. Seit 560 Jahren werden hier Gäste an diesem historischen Handelsweg empfangen, der Teil der römischen Via Augusta war. Das Hotel wird meist "Orso Grigio" genannt. So heißt grauer Bär auf Italienisch. Denn Innichen, alias San Candido, wird von italienischen Touristen geradezu überrannt.
Sie lieben Speck und Apfelstrudel
Die Italiener suchen auf 1175 Höhenmetern Sommer- oder Winterfrische im Schatten der Dolomiten und so ganz nebenbei Speck und Apfelstrudel.
Franz Ladinser ist seit rund einem Jahr Präsident der Marketingvereinigung Schlosshotels & Herrenhäuser. Ladinser übernahm in einer volatilen Zeit. Damit ist nicht nur Corona gemeint. Es gilt die schwierige Aufgabe zu bewältigen, die individuelle Gastgebergemeinschaft in ein neues Zeitalter zu führen, das auch Digitalisierung heißt. "Wir führen Häuser mit Charakter, pflegen umsichtig Historie sowie moderne Gastlichkeit und führen persönlich und nachhaltig", sagt Ladinser. Er sitzt in der Bürgerstube im Grauen Bären, wo bis 1918 noch der Gemeinderat tagte. Die Holzvertäfelung ist dieselbe, ebenso die Stuckdecke. Doch nun nehmen hier Hotelgäste auf trendigen Fauteuils Platz.
In zehnter Generation
Der Hotelier hat das Haus von seiner Mutter Hedwig übernommen. Co-Chefin ist Tochter Verena in zehnter Generation. Gemeinsam haben sie aus dem Haus ein Boutique-Gourmet-Hotel mit 29 Zimmern und Suiten sowie einem Designpreis-gekrönten Spa auf der Dachterrasse gemacht.
Im Restaurant weht ein originaler Geist der 1950er-Jahre, für den so mancher Sammler viel Geld geben würde. Auch für die Besichtigung der Gaststube von Franz Prey aus dem Jahr 1958 reisen immer wieder Architektur-Fans an. Die Hotel-Halbpension ist italienisch-edel mit weißen Tischtüchern und Stoffservietten auch beim Frühstück. Der Räucherfisch kommt nicht aus Norwegen, sondern von der regionalen Lachsforelle.
"Wir scheinen in keinem Gourmetführer auf", sagt Ladinser. Denn das Restaurant steht nur Hausgästen offen und ist sowieso immer voll. In der Küche ist Rocco Ferraro aus Kalabrien der Chef. Er bringt Gourmetqualität auf die Teller, etwa Risotto mit Wachtel, Himbeere und Burrata, Seeteufel mit Topinambur, karamellisierte Feige und Rinderjus sowie Marillenmousse mit Schokolade und Kakao-Biskuitkuchen. Für Vegetarier kreiert Rocco spezielle Menüs.
Wagt man sich ins Dorf und hat die Wogen italienischer Tagestouristen durchschritten, wird es in der Kirche des früheren Benediktinerstiftes mit dem größten romanischen Fresko der Schöpfungsgeschichte des Alpenraumes aus dem Jahre 1285 schnell still. Oder man spaziert in fünf Minuten zum Bahnhof, nimmt den Zug nach Percha und steigt in die Kronplatz-Seilbahn um. Die erreicht nach einer halben Stunde das Plateau auf 2275 Metern Seehöhe mit Rundum-Ausblick auf Dolomiten und Alpen.
Dort thront eines der sechs Museen des Alpinisten Reinhold Messner. Es heißt "Corones" und stammt aus der Hand der 2016 verstorbenen irakisch-britischen Star-Architektin Zaha Hadid. Es ist wie Messners andere Museen der Geschichte des Alpinismus und den Bergvölkern der Welt gewidmet.
Zwei Museen hoch oben
Das kürzlich am Kronplatz eröffnete Museum "Lumen" der Bergbahn-Gesellschaft über die Geschichte der Fotografie im Alpinismus passt gut dazu. Im Restaurant "AlpiNN" wird die radikal regionale Küche von Norbert Niederkofler zelebriert, der sogar auf Olivenöl verzichtet.
Unten angekommen wartet nur eine Zugstation weiter in Bruneck das Messner-Museum "Ripa". Dann freut man sich auf das Abendessen im Grauen Bären und die Jazzmusik, die perfekt zum Ambiente passt. Die muss wohl Hausherr Ladinser mit kundiger Hand mühevoll zusammengestellt haben. "Mitnichten", lacht er. Es wird ein darauf spezialisierter Schweizer Radiosender aufgedreht. Ein Präsident muss sich eben zu helfen wissen.
Schlosshotels & Herrenhäuser: ein exklusiver Kreis
Sie sind Gastgeber in Schlössern, Burgen, Stadtpalais und historischen Villen und haben sich 1965 zu einer besonderen Vereinigung zusammengetan: Schlosshotels & Herrenhäuser. 42 Mitglieder in Österreich, Deutschland, Italien, Slowakei und Ungarn gibt es derzeit. „Wir müssen wachsen“, sagt Franz Ladinser. Der Chef des Grauen Bären in Innichen in Südtirol hat als Präsident vor rund einem Jahr das Ruder übernommen. Ihm stehen im Vorstand Vize Benedikt Kössler vom Ansitz Felsenheim in Lermoos in Tirol und Johanna Moosbrugger (Bergschlössl in St. Anton/Arlberg) sowie Sepp Perwanger vom Zirmerhof in Radein zur Seite. Mit im Boot sind etwa das Rokokoschloss Leopoldskron, Burg Bernstein im Burgenland, die See-Villa/Villa Tacoli in Millstatt (von den Ronacher-Architekten erbaut) und Schloss Schönbrunn mit seiner Grand Suite.
experiencecharacter.com
Tipps
Erleben: Es ist eine architektonische Meisterleistung und ein Labyrinth zugleich: Das Museum Corones des Alpinisten Reinhold Messner, auf dem Plateau Kronplatz unweit von Innichen auf 2275 Meter gelegen, wurde von der Stararchitektin Zaha Hadid ersonnen.
Verwinkelt und transparent zugleich kuschelt es Alpingeschichte in den Berg. Bucht man Seilbahn und Museumtickets gleichzeitig (das Alpin-Fotomuseum Lumen ist gleich nebenan), wird es billiger.
messner-mountain-museum.it
lumenmuseum.it
kronplatz.com
Wohnen: Das Hotel Grauer Bär (Orso Grigio) in Innichen ist seit 1462 ein gastliches Haus. Die Familie Ladinser hat es zu einem Boutique-Gourmet-Hotel gemacht mit Sauna auf dem Dach. Es gibt 28 Zimmer und Suiten. Ab 132 Euro pro Person im DZ mit Halbpension.
orsohotel.it
Historie: In Toblach, unweit von Innichen, steht das frühere Grand Hotel, das von der Südbahngesellschaft 1878 im Zuge des Baus der Eisenbahn errichtet wurde. Heute beherbergt ein Teil davon das Naturparkhaus „Drei Zinnen“ mit Ausstellungen. Eintritt frei!
naturparks.provinz.bz.it
Museum: Im Schloss Bruneck nahe Innichen ist noch ein Messner-Museum: Ripa. Dort geht es um das Leben der Bergvölker weltweit.