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Den Puls der Vergangenheit spüren

Von Eike-Clemens Kullmann   12.Oktober 2019

Wissen Sie, was Aulendorf mit Sissi zu tun hat? Diese Frage ziert Plakate, mit denen Besucher in der 10.000-Einwohner-Stadt im Südosten Baden-Württembergs empfangen werden. Die Auflösung liefern Gräfin Paula und ihre Zofe Rosalie im Schloss Aulendorf, dem Wahrzeichen der Gemeinde. Das war erst in den 1980er-Jahren aus einem langen Dornröschenschlaf wachgeküsst, sprich aufwendig restauriert, worden und um einen symbolischen Euro an das Land übergegangen.

Wie es sich für eine hochwohlgeborene Dame gehört, ist Gräfin Paula zu Königsegg-Aulendorf stets eine Zofe zu Diensten. Und so empfängt Rosalie die Besucher im Treppenhaus des Schlosses, rümpft leicht die Nase ob der nicht wirklich standesgemäßen Bekleidung der Damen und Herren, bittet sie schließlich aber doch, einzutreten und ihr in den oberen Stock zu folgen.

Schnippische Zofe

Vor Ahnentafeln erklärt Rosalie die noble Abstammung des Geschlechts derer von Königsegg-Aulendorf, in deren Diensten sie schon lange steht. Das hält Rosalie aber nicht davon ab, den Portwein ihrer Dienstherren zu stibitzen und großzügig an die Gäste auszuschenken.

Mit leicht süffisantem Unterton erzählt die Zofe später trotz des Beiseins der Gräfin persönliche Anekdoten. Mit diesen glänzt auch die Adelige, so wie die Zofe grandios von den Laiendarstellern Doris Schenk und Gabi Beck-Michel gespielt. Die Gäste dürfen an einer festlich gedeckten Tafel Platz nehmen. Und während sie sich an Kaffee und Kuchen laben, schenkt ihnen die Frau Gräfin reinen Wein ein – in Form von Geschichten über ihr Leben am Wiener Kaiserhof. War sie doch lange Jahre als oberste Hofdame bei der österreichischen Kaiserin Sisi (so wird sie eigentlich richtig geschrieben).

Vieles ist eingefleischten Sisi-Fans sicherlich längst bekannt, aber manches überrascht doch. Etwa eine Schwarz-Weiß-Fotografie, auf der die Kaiserin zusammen mit der Gräfin ("damals noch jung und hübsch", wie die Zofe schnippisch bemerkt) zu sehen ist. "Alles, was Sie heute gehört haben, entspricht der Wahrheit", versichert Frau Gräfin beim Abschied. "Dass das eine oder andere Geschichtchen von mir oder Rosalie ein wenig ausgeschmückt wurde, mögen die Herrschaften verzeihen."

"Wild auf Geschichte"

Einen Adeligen des Fürstenhauses Hohenzollern stellt der Führer im Schloss Sigmaringen zwar nicht dar. Einblicke in die Geschichte gibt der Mann allerdings auch in authentischen Gewändern früherer Zeiten. "Wild auf Geschichte" ist das Motto auf dem zweitgrößten Schloss Deutschlands, das wie aus dem Fels emporgewachsen 45 Meter über der hier noch recht schmächtigen, weil schmalen Donau thront. Die schwäbische Linie der Hohenzollern sei katholisch geblieben, die andere, das Haus Preußen, evangelisch und 1871 sogar Kaiserhaus geworden, erfährt der Besucher. Und auch, dass für die Adeligen Jagden (wohl nicht nur) früher ein in oftmals ausschweifender Art und Weise gelebtes Hobby waren. Das zeigt sich nicht nur an Hunderten Trophäen der verschiedensten Wildtiere im Hubertussaal. Die typisch adelige Freizeitaktivität, mit der man dem steifen Hofzeremoniell entfliehen konnte, halten auch Wandmalereien fest. Eine davon bringt, genau betrachtet, Aufklärung über einen heute noch gebräuchlichen Spruch. "Durch die Lappen gegangen" bedeutete, dass es Tieren gelungen war, Jägern aus einem mit Lappen abgegrenzten Gebiet zu entkommen.

Den Puls der Vergangenheit spüren
Max Haller in der einzigen Übernachtungsmöglichkeit der Waldburg, der Hochzeitssuite

Kaum weniger geschichtsträchtig ist die Waldburg. Sie thront ebenfalls, wie es sich für Schlösser und Burgen schon alleine der Sicherheit vor Angriffen gehört hatte, hoch auf einem Drumlin (Höhenrücken). "Burgherr" Max Haller weiß wahrlich viel zu berichten über die eindrucksvolle Geschichte dieses Wahrzeichen Oberschwabens. "Die Waldburg hat gleich mehrere Alleinstellungsmerkmale. Sie wurde nie angegriffen und daher nie zerstört. Nicht zuletzt deshalb ließ Friedrich II. von 1220 bis 1241 während der Bauernkriege den Kronschatz des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation auf der Burg sicher verwahren", erzählt Haller, der die Burg seit 17 Jahren gepachtet hat. Heute sind hier nur noch Kopien zu bewundern – die Originale finden sich in Wien.

Apropos Bauernkriege: Diese wurden von der Waldburg aus niedergeschlagen. Waffen- und Folterwerkzeuge sind damit ebenso hier zu betrachten, wie man die Bedeutung eines anderen Spruches verstehen lernen kann. Denn den Stab über jemanden brechen hat damit zu tun, dass Richter damals einen angesägten Stab über dem Kopf des Verurteilten gebrochen haben.

Den Puls der Vergangenheit spüren
Thront auf einem Drumlin (Höhenrücken): die Waldburg

Hochzeiten und ein Gespenst

Eine andere Art von Bruch wird ebenfalls mit der Waldburg in Verbindung gebracht. "Von hier aus wurde die Trennung der Kirchen eingeleitet." Auch Haller führt im historischen Gewand durch die Burg, von deren Aussichtsplattform aus 1818 das Königreich Württemberg vermessen wurde.

Sie suchen eine besonders romantische Stimmung? Sie wollen eine unvergessliche Hochzeitsnacht verbringen? Sie wollen einen Ort, an dem Sie ungestört sind für die schönste Nacht im Leben? Dann sind Sie in der Staufersuite der Waldburg goldrichtig. Hier bekommen Hochzeitspaare alles, was ihr Herz begehrt – nur eines nicht: das Gespenst Schorsch zu sehen. Obwohl das, so Haller, immer da ist.

Bürgerschloss, Kaffee und Bierbad

Weder im Besitz Adeliger noch des Landes ist das Neue Schloss Kißlegg. Es gehört der kleinen Stadtgemeinde und wird als Bürgerschloss genutzt. Soll heißen, dass jeder der rund 9000 Einwohner zumindest einmal im Jahr dem Schloss einen Besuch abstattet. Das liegt wohl nicht zuletzt daran, dass sich die Stadt die historischen Gemäuer in mehrfacher Hinsicht zu Nutze gemacht hat: Standesamt und Tourismusbüro sind hier untergebracht, ebenso der Gemeinderat, der hier regelmäßig tagt. Der Schlosspark dient im Sommer für Freiluft-Kino-Vorführungen aber auch für gemütliche Picknicks, gegen Ende des Jahres heißt die Bühne Weihnachtsmarkt. Eine etwas andere Ausstellung – über Kaffee – befindet sich im Schlosskeller: Cafésito heißt Kißleggs Kaffeerösterei. Das Integrationsprojekt beschäftigt 30 Menschen mit Behinderung.

Unweit des herrschaftlichen Gebäudes wartet auf Touristen der Hotel-Gasthof Ochsen. Und damit nach viel (gelebter) Geschichte, eine Herberge mit viel Innovation in Form eines Spa-Bereiches mit Bierbad. Dabei wird nicht nur gebadet. Gleichzeitig strömt aus einem Hahn das Bier der hauseigenen Schlosskeller-Brauerei. Und bei einem guten Schluck im erholsamen Bad lässt sich vortrefflich über so viel erlebte Geschichte sinnieren.

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