Lade Inhalte...
  • NEWSLETTER
  • ABO / EPAPER
  • Lade Login-Box ...
    Anmeldung
    Bitte E-Mail-Adresse eingeben
    Bitte geben Sie Ihre E-Mail-Adresse oder Ihren nachrichten.at Benutzernamen ein.

Bordeaux ist mehr als eine Farbe

Von kalmarpress   12.Mai 2019

Das Quartier Chartrons ist Portal und Hafen von Bordeaux. Am Ufer der Garonne öffnete im Mai 2016 die "Cité du Vin" ihre Tore. Die Architektur erinnert an eine überdimensionale Karaffe und man kann sagen, dass sich die halbe Welt hier trifft. Auf zehn Ebenen reisen wir durch die Kulturgeschichte und weltweit namhafte Anbaugebiete des Rebstocks. Das Panorama-Restaurant ist genau der Ort, um den Fluss, die Brücken und die Stadt zu begrüßen. Und eine Flasche mit klingendem Namen ist dafür genau das Richtige.

Das goldene Zeitalter

Im März 2013 wurde die Hubbrücke Jacques Chaban-Delmas eröffnet, und das gesamte Hafenviertel hatte man gleich dazu restauriert. Es sieht utopisch aus, als würde der Mittelteil der Brücke schweben, wenn er zwischen den vier strahlend weißen Türmen in die Höhe fährt, um Schiffe durchzulassen. Die Brücke wurde nach dem früheren Bürgermeisters Jacques Chaban-Delmas benannt. Er hatte die Stadt fünfzig Jahre durch dick und dünn begleitet. Reist man mit dem Auto an, gelangt man am besten auf dem Cours du Médoc direkt ins goldene Zeitalter von Chartrons. Hier wurden Fassaden und Höfe der Weinlager des 18. Jahrhunderts erhalten, um darin moderne Hotellerie zu verpacken – und hin und wieder einen Feigenbaum. Für Parkplätze ist gesorgt, und die Straßenbahnlinie C führt rasch ins Herz der Stadt.

Bordeaux ist mehr als eine Farbe
Der idyllische Place du Palais mit dem 1494 erbauten Stadttor Porte Cailhau

Von der Station Place de la Bourse erschließt sich die Fußgängerzone des Quartier Saint-Pierre. Der königliche Platz öffnet sich zur Garonne. Im Spiegelteich am Kai davor spiegeln sich die prächtigen Palais, und zahlreiche Leute spazieren auf der hundert Meter breiten Wasserfläche herum. Das Wasser steht nur zwei Zentimeter hoch und alle 15 Minuten erzeugen feinste Düsen einen künstlichen Nebel. Dann verschwindet das ganze bunte Bild wie eine Vision.

Der Schritt vom Lift auf das Rooftop des Hotel Mama erzeugt einen echten Wow-Effekt. Die Dachlandschaft aus roten Ziegeln, Mansarden und Wintergärten liegt nur etwa zwei Stockwerke tiefer – tief genug, um schön darüber zu sehen, aber doch zum Greifen nahe. Mittelalterliche Stadttore ragen heraus und die stolzen Türme der gotischen Kathedrale. Das Publikum ist wirklich nett, gut situiert und leise, also genehmige ich mir ein Brunch-Buffet und ein Glas trockenen Graves, einen der wenigen Weißweine, der im Bordelais kultiviert wird.

Die Geburt Europas

Die Esplanade des Quinconces führt zu einem anderen Bild und in eine andere Zeit. Im Schatten von Platanen erinnern zwei Standbilder an die größten Söhne der Stadt. Michel de Montaigne legt im Jahr 1571 seine Ämter als Richter und Bürgermeister nieder und zieht sich in seine Turmbibliothek zurück. Seine "Essays" sprengen bis heute jedes philosophische System. Und Charles de Secondat, Baron de Montesquieu, verdanken wir die Idee der Gewaltenteilung, die Trennung von Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit und Exekutive. Das Werk "Der Geist der Gesetze" erschien im Jahr 1748, der Geburtsstunde moderner Demokratien.

Bordeaux ist mehr als eine Farbe
Das Weinbaugebiet Saint-Émilion zählt zu den bekanntesten und berühmtesten im Südwesten Frankreichs

Schade, dass die Geburtswehen so lange dauern und dass hier nicht eine Bank steht, um zu verweilen. Doch ich entdecke jemanden, der sitzt. Es ist ein Chansonnier mit Akkordeon auf seinem eigenen Hocker, den ich um einen typisch französischen "Valse" bitte. Seine Goldzähne lächeln und die Musik hinterlässt einen Hauch von Schwermut, wie alles Schöne.

Gelassene Schönheit

Der Platz ist einer der größten des Kontinents. Am Pflaster vor dem Brunnen der Girondisten sitzen Schüler des Lyceé und zeichnen die Bronzeskulpturen aus der griechischen Mythologie. Die Girondisten waren in der Übergangszeit zur Revolution eine gemäßigt bürgerliche Gruppe, die zu vermitteln versuchte, wie es für Bordeaux typisch ist, und dafür über die Klinge springen musste. Eine Menge junger Leute, die von Paris weg wollten, leben heute hier, Bordeaux bietet überdies die zweitgrößte Universität des Landes und wurde zur Boom-Cité.

Vor fünfzehn Jahren erstickte die Stadt noch im Verkehr, die Fassaden der hohen Patrizierhäuser waren schwarz, das Schmiedeeisen der Balkone rostete. Doch die Bürger hatten ihren Sinn für Dauer und Schönheit in Stein geschlagen. Bordeaux wurde nie bombardiert und die Qualität des Baumaterials ermöglichte, das gesamte Ensemble der Innenstadt in überschaubarer Zeit zu restaurieren. Dieser Aufbruch ist eben Jacques Chaban-Delmas zu danken.

Leider sind die Häuser verschlossener als irgendwo sonst. Die beste Gelegenheit, ein Haus von innen kennenzulernen, bietet das Musée des Arts Décoratifs et du Design. Getäfelte Wände, ornamentiertes Parkett, Marmorkamine und Originaldekoration öffnen die Tür in die Vergangenheit. Intime Interieurs von Möbeln, Kunsthandwerk und Miniaturen, Musikinstrumenten und Messgeräten schlafen in diesen Salons einen Dornröschenschlaf.

Bordeaux ist mehr als eine Farbe
„Cité du Vin“ – zeitgenössisches Monument, Museum und Themenpark auf acht Ebenen zum Thema Wein

Nachmittags füllt goldenes Licht den Cours de l’Intendance. Gesättigt vom Schauen treibe ich die Prachtstraße entlang mit dem friedlichen Summen des Menschenschwarms, von Platz zu Platz, ein jeder mit altem Brunnen und gesäumt von Cafés und Bistros. Mein Ziel ist die Orangerie im Jardin Public. Auf der Gartenterrasse werden die besten Crépes mit Sorbet serviert.

Werfen wir noch einen Blick von der Pont de Pierre zurück. Die Brücke ist mit zweihundert Jahren die älteste über die Garonne und das Panorama der Stadt mit den siebzehn massiven, steinernen Bögen im Vordergrund fasst die gewonnenen Eindrücke sinnbildhaft zusammen. Der Fluss ist hier bereits fünfhundert Meter breit.

Der Weg zum Grand Cru

Unterhalb von Bordeaux fließt die Garonne mit der Dordogne zusammen und bildet die Gironde, die größte Trichtermündung Europas. La Gironde heißt "die Schöne" das hat vermutlich mit dem Wein und allem was dazugehört zu tun. Eiszeitliche Kiessandkuppen und das ausgeglichene Klima zwischen den großen Wasserflächen und dem nahen Ozean schaffen einzigartige Bedingungen für Spitzenweine, die sogenannten Grands Crus. Darum setzten hier schon die Römer Rebstöcke und versorgten ihre Legionen in England mit Wein aus dem Bordelais.

Nach den dunklen Zeiten der Völkerwanderung feierte man in der Kathedrale von Bordeaux eine Traumhochzeit. 1152 heirate Eleonore von Aquitanien, eine der schönsten und vielleicht die gebildetste Frau ihrer Zeit, den Helden Henry Plantagenet, den späteren König Heinrich II. von England.

Henry entsprach dem Ideal des Ritters, er war tapfer, höflich und verschwiegen. Außerdem sprach er sieben Sprachen. Aus der Ehe ging Richard Löwenherz hervor. Endlich entstand wieder Rebland um die Gironde und wieder verschiffte man einen Gutteil des Weins nach England. Im Jahr 1300 zählte die Flotte bereits 900 Schiffe.

3500 "Schlösser"

Noch heute sagt man in Bordeaux mit Augenzwinkern, dass London näher liege als Paris. Der Rotwein ist jedenfalls so trocken wie der britische Humor und langlebig wie die über alle Unbill der Zeit hinweg bestehenden freundschaftlichen Verhältnisse. In 3500 Châteaus werden diese gepflegt. Ein Großteil wurde in den letzten zwei Jahrhunderten erbaut. Die Bezeichnung umfasst traditionelle Gutshöfe und weltberühmte klassizistische Prachtbauten wie das Château Margaux ebenso wie die Märchenburg Château d’Agassac aus dem 13. Jahrhundert mit normannischem Taubenturm, Wassergraben und Bäumen, die noch älter sind.

1855 erhielten 62 Châteaus den Titel Grand Cru Classé, unterteilt in fünf Stufen, davon nur einige wenige Premiers Grands Crus Classées. Für so eine Bouteille liegt die Latte so hoch, wie die Garonne breit ist.

 

Wissenswertes

Anreise: Austrian Airlines, tägl. 9.15-11.15 Uhr, ab 95 Euro, weiter mit TGV direkt Flughafen Paris - Bordeaux;
Bei Direktflügen besteht das Risiko, dass generell Handgepäck ohne Begründung abgenommen wird und im Frachtraum beschädigt wird.

Unterkunft: ResidHotel, Galerie Tatry, 174 Cours de Médoc, 33300 Bordeaux, Studio Apartments mit Pantryküche und Kochfeld, kostenloses WLAN, eigene Parkplätze gratis, mit Straßenbahn wenige Minuten ins Zentrum, mit Auto einfache Route über Ringstraße aus der Stadt, Tel: +33 556 077180, www.residhotel.com/Bordeaux/Galerie_Tatry

Verpflegung: Les Tontons, Restaurant, 118 Quai de Bacalan, Straßenbahn Linie B, mittlere Preise, kleine Speisekarte aber saisonal und frisch; www.lestontons-restaurant.com

Le Parlement, Café-Restaurant, 3 Place du Parlement, zentral in Saint-Pierre, günstig, erstklassig für Frühstück und Mehlspeisen; Tel: +33 556 443861;

Mama Shelter, zentral in Saint-Pierre gelegenes Hotel mit trendiger Dachterrasse, 19 Rue Poquelin Molière, Straßenbahn Linie B, Tel: +33 557 304545, www.mamashelter.com;

Nicht verpassen: La Cité du Vin, Museum, Auditorium, Weinkeller, Panorama-Restaurant Le 7, Brasserie, Wein-Bar, Café, Boutique; 134 Quai de Bacalan, Straßenbahn Linie B, Tel: +33 556 162020;
www.laciteduvin.com

Musée des Arts décoratifs et du Design, originelle und bezaubernde Sammlung, 39 Rue Bouffard, Tel: +33 0556 101408 www.madd-bordeaux.fr;

Château d´Agassac, 15, Rue du Château d´Agassac, 33290 Ludon-Medoc, 15 Minuten von Bordeaux, über die D1215 auf die D2 abzweigen, eine echte Filmkulisse, Weine im mittleren Preissegment, Tel: +33 557 881547, www.dagassac.com

Saint Émilion, wohl das berühmteste mittelalterliche Weindorf im Bordelais, 37 Kilometer von Bordeaux, Anfahrt über N89, D1089 und D670, Fremdenverkehrsamt:
St-Émilion Tourisme, Tel: +33 557 552826, www.saint-emilion-tourisme.com

Information: Fremdenverkehrsamt Bordeaux:
www.bordeaux-tourisme.com c.guerin@bordeaux-tourisme.com, Tel: +33 5 56006600,

copyright  2024
25. April 2024