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Von Bernhard Lichtenberger   21.September 2019

Als er fünf Jahre alt war, nahmen ihn die Eltern mit auf einen Berg. Von oben konnte er erstmals in das enge Tal der Kindheit schauen, und auch darüber hinweg.

Vor wenigen Tagen 75 geworden, drängen sich die Bilder im Rückspiegel des Lebens. Angetrieben, das Mögliche im Unmöglichen zu finden, hat der Südtiroler Grenzen verschoben. Er stand als Erster auf den 14 Achttausendern der Erde, bewies mit dem Tiroler Bergsteiger Peter Habeler allen Unkenrufen zum Trotz, dass einem auf dem Gipfel des Mount Everest ohne künstlichen Sauerstoff nicht die Luft ausgeht.

Messner marschierte 2000 Kilometer durch die Wüste Gobi und durchquerte mit Arved Fuchs über den Südpol die Antarktis. Was er für sich tat, ließ er als gewiefter Selbstvermarkter, Vortragender und Buchautor alle wissen. Und er gefiel sich auch in der Rolle des Balkon-Muppet, der – gefragt oder ungefragt – das alpinistische Treiben kommentierte.

Nun schwang sich der Grenzgänger zu einem 128-seitigen Appell auf. In "Rettet die Berge" wird der alpine Tourismus mehr als nur gestreift. In drei großen Kapiteln – "Wo wir stehen", "Die Berge und ich", "Was sich ändern muss!" – stellt er seine Sicht der Dinge dar. Polternd, als stapfe er in genagelten Goiserern durch das Themenfeld, trennt er radikal zwischen elitären Bergsteigern und einer "Fit for fun"-Gesellschaft.

Erstere übten Verzicht, setzten sich der Bedrohung einer felsig-eisigen Wildnis aus und ehrten als Werte die Stille, das Auf-sich-selbst-gestellt-Sein, die Erhabenheit, die Harmonie und die Gefahr. Auf der anderen Seite malt Messner das Bild einer Spaßabteilung, der Natur nur Kulisse ist.

Er schreibt von Horden und Kolonnen, die die Täler fluteten, den Kletterfels mit Bohrhaken malträtierten, auf präparierten Pisten abwärts rauschten, gleitschirmfliegend, mountainbikend oder schluchtenrutschend ihren Kick suchten. Das Bergsteigen sei zum Konsum verkommen, aus der Kunst des Überlebens sei Tourismus geworden. Einmal ist keinmal, scheint der Autor zu denken, da er seine Betrachtungen fast gebetsmühlenartig wiederholt.

Der Erfahrene liegt mit seiner Sorge um die hochgelegene Natur- und Kulturlandschaft selbstredend nicht verkehrt. Klimawandel, Gletscherschwund, Straßen- und Seilbahnerschließung bis in den letzten Winkel, künstliche Attraktivierung der Bergwelt mit Action-Parks und Beschneiungswahnsinn sind reale Szenarien, die dem betrachteten Raum bedrohlich zusetzen. Schade nur, dass der 75-Jährige die Mahnung durch seine zuspitzenden, polemischen Formulierungen schwächt: da der hehre Alpinist, dort die auf Sport und Spaß reduzierten, aus den Städten in die Berge Flüchtenden.

Im letzten Kapitel gelingt es dem Südtiroler doch noch, den interessierten Leser in seine Seilschaft einzuklinken. Er entwirft darin eine als Anregung gedachte, zehn Punkte umfassende Werte-Charta für die Berge. Dazu gehört ein verpflichtender Erschließungsstopp in den Hochgebirgsregionen ebenso wie eine nachhaltige Entwicklung durch Berglandwirtschaft und Tourismus, die der lokalen Bevölkerung ein Auskommen und den Städtern eine Erholungsmöglichkeit sichere.

Romantische Vorstellung

"Es wird nicht die Öko-Elite sein", schreibt Messner, "die die Berge rettet, sondern der Konsumverweigerer aus Bescheidenheit, der sich begnügt mit einem einfachen Lager auf der Hütte, mit Brot und Käse beim Bergbauern und der sonst auf seinen zwei Beinen unterwegs ist." Ob diese romantische Vorstellung, die einen Zeitsprung in die Vergangenheit bedeutet, viele Anhänger findet, sei dahingestellt. Darüber nachdenken darf man.

Reinhold Messner: "Rettet die Berge", Benevento, 128 Seiten, 10 Euro

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20. April 2024