Bei den kleinen Schwestern des Chiemsees
Rund um den Waginger und den Tachinger See locken (Themen-)Wanderungen, Radtouren, kulinarische Genüsse und nachhaltige Erkenntnisse zu einem generationsübergreifenden Herbsturlaub.
Wenn sich schon eine Feriengegend Öko-Modellregion Waginger See-Rupertiwinkel nennt, dann ist es Ehrensache, mit öffentlichen Verkehrsmitteln anzureisen. Doch so einfach ist das nicht. Am ÖBB-Schalter kennt man den Westbahntakt und die Busverbindungen nicht und der Scotty-App fehlen die Infos zu bayerischen Privatlokalbahnen. Mit länderübergreifender Recherche im Internet – von dem man außerhalb der Bahnbetreiber in jüngster Zeit so viel hört – bekommt man die Daten zusammen. Dabei ist die öffentliche Anbindung nach Waging am See gar nicht schlecht und günstig. Von der Busstation zu unserem Basislager, dem Landhotel Tanner, sind es nur 200 Meter zu Fuß.
Kräuterexpertin Yvonne Liebl führt uns in die lokale Topografie rund um die Wallfahrtskirche Maria Mühlberg ein und erklärt uns die essbaren Teile der Landschaft. Spitzwegerich, Girsch, Brennnessel und die letzten Blüten der Saison verkochen wir anschließend zu Kräuterbutter und -suppe. "Lecker, lecker", befinden die Mitreisenden aus dem deutschen Norden.
Um ganz andere Mengen aus der Flora geht es am Sailerhof der Grammingers, wo Vater Franz und Sohn Franz neben 45 anderen Sorten den "Waginger See Schnaps" brennen, den offiziellen Obstler der Öko-Modellregion, bio natürlich. Wir treffen die Grammingers gerade beim Einmaischen von Apfelquitten an, die von ihren Streuobstwiesen kommen. "Die Quitte bauen wir teilweise im Holz aus", sagt der Franz jun., der sich auch auf das Brennen von regionalen Früchten trefflich versteht: Reneklode (Ringlotte), Mispel, Schlehe, Kriachal, Wildkirsche oder Elsbeere. Tipp für Kenner: Verkosten Sie den Obstler oder Traubenschnaps in Fassstärke (57 %) – im Yogaparadies von Hannah Gramminger gleich über dem Verkostungsraum können Sie sich im Notfall ein bisserl hinlegen.
Die beste Art, sich in der Region zu bewegen, ist das Fahrradfahren. Radwege gibt es fast überall, etliche Touren sind ausgeschildert, einige führen zu Brauereien, etwa zur Privaten Landbrauerei Schönram, die in den vergangenen Jahren einen Höhenflug hingelegt hat. "Acht Biere aus ausschließlich bayerischen Rohstoffen brauen wir hier", sagt Michael Buchner.
Darunter das "Bayrisch Pale Ale", das "Grünhopfen Pils" aus frisch geernteten Hopfendolden, ein blumiges Wiesenbier, ein festliches Weihnachtsbier oder das Leichtbier "Surtaler Gold". Dafür gab es jüngst Gold beim "European Beer Star", dem Branchenwettbewerb. Sollte im Braustüberl nebenan Sperrtag sein, dürfen sich ausgezehrte Radler gegen eine Spende beim Kühlschrank am Brauerei-Eingang ein Labegebräu herausnehmen (brauerei-schoenram.de).
Einer, der auch in die Pedale tritt, aber in einem Kajak sitzt, heißt Christian Hagl. "Zander Chris" nennen die Leute hier den wohl ambitioniertesten Fischer auf dem Waginger See. Das Angeln auf Welse, Barsche, Zander, Hechte, aber auch Karpfen bietet sich hier an. Die Tageskarte kostet 16 Euro. Österreicher müssen bei der lokalen Gemeinde einen 3-Monats-Touristenfischereischein kaufen (25 Euro). Wer sich mit den Angeltechniken nicht gut auskennt, kann beim "Zander Chris" (0049-(0)170- 5301106) einen Kurs belegen. Aber Obacht: Seien Sie nett zu dem guten Mann, er ist wählerisch, was seine Lehrlinge betrifft.
Für die Angelei taugt der nahe Schönram gelegene Moorsee nicht, zum Ernten von speziellem Beerenobst sollte man sich jedoch in seine Nähe bewegen. Ein wenig versteckt im Wald und auf einer ehemaligen Abbaufläche für Torf kultiviert Michael Steiner Aronia- und Heidelbeersträucher. Sein Hauptinteresse gilt aber den als Superfood gehypten Cranberrys. Die Pflanzen mit den großfruchtigeren Verwandten der heimischen Moosbeere erreichen gerade einmal die Höhe von Heidekraut, liefern aber reiche Ernte. "Vor fünfzig Jahren hat hier die TU München Versuchsflächen mit Cranberrys angelegt", sagt Steiner, der nun die Selbstpflückanlage engagiert betreibt.
Auch Schwammerl lassen sich bei Wanderungen in den Wäldern um die beiden Seen zuhauf finden. "Damit kenne ich mich nicht so aus", sagt Naturcoach Sabine Glatz, die ansonsten im Wald daheim ist. In der Nähe von Petting führt sie Großstädter durch den Tann und versucht zu vermitteln, "dass die Bäume soziale Lebewesen sind" und sich der Mensch im Wald so gut erholen könne, weil er ja seine Sinne im Wald entwickelt habe. "Waldbaden" heißt der Terminus touristicus dafür. Einfach einen Waldspaziergang genießen, ginge natürlich auch.
- Info: chiemsee-chiemgau.info
Unterkunft/Restaurants
Tipps für die Unterkunft: dezent alpin angehauchtes 4-Sterne-Hotel „Landhaus Tanner“ (landhaus-tanner.de) mit Spitzen-Slow-Food-Bio-Küche, die auch vegan etwas kann.
Hotel und Gasthaus „Unterwirt“ in Fridolfing (gasthaus-unterwirt.de), regional-saisonale Küche mit modernen Aspekten.