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Alles kein Problem

15.September 2019

Der Regen ist unser Begleiter, als wir die Westküste verlassen, um uns auf die lange Reise durch die Pilbara zu begeben. Einer der am häufigsten empfohlenen Nationalparks auf unserer Tour ist das Ziel. Je weiter östlich uns unser fahrbarer Untersatz trägt, desto sonniger und "rostroter" wird es. Nicht ohne Grund wird diese Gegend der "wirtschaftliche Motor Australiens" genannt, liegen hier doch die weltweit größten Eisenerzvorkommen, riesige Gas- und Ölfelder und andere Mineralienlager. Unser Interesse gilt aber nicht den Minen und dem damit oft verbundenen Raubbau an der Natur, sondern den farbenfrohen und wasserreichen Schluchten des Karijini Nationalpark. Eingebettet inmitten karger Wüstenlandschaft ist dieser Platz eine wahre Oase. Für drei Tage nehmen wir das Tempo heraus, verbringen die Zeit mit Wandern, Erforschen und Erholen (Höhepunkt 1). Abends lassen wir den Blick in den Sternenhimmel schweifen, sind verzaubert von dem eindrucksvollen Firmament und der Intensität fernab jeglicher Lichtverschmutzung.

Alles kein Problem
Australischer Sternenhimmel – ganz ohne Lichtverschmutzung

Laurin und Uli nutzen die Gelegenheit und nehmen an einer nächtlichen "Sternen-Tour" teil. Dank großer Teleskope sehen sie die Ringe des Saturns, lernen, wie sich mittels des "Southern Cross", des Sternbildes Kreuz des Südens, die Himmelsrichtungen bestimmen lassen und wie lange es dauern würde, zum nächsten Stern zu reisen. Wieder auf der Erde geht die Reise in Richtung Küste. Unterwegs begegnen wir einem Roadtrain nach dem anderen. Unsere Kinder zählen bis zu 112 Reifen! Die rollenden Züge bringen hier Eisenerz zur nächsten Hafenstadt. Da wir den gleichen Weg haben, fragen wir einen "Truckie" an einer Raststätte, ob wir einmal einen Blick hinein werfen dürfen. "No worries!", also "kein Problem!", ist die Antwort. Übrigens die meist gehörte Antwort hier in Australien.

In Port Hedland, einer Bergbaustadt, haben wir wieder Familienanschluss. 3000 Kilometer südlicher haben wir Ally auf einem Parkplatz kennengelernt. Mit dem Baby auf dem Arm hat sie uns ihre Telefonnummer aufgeschrieben für den Fall, dass wir in ihre Gegend kommen. Da sind wir nun, das Zettelchen wird hervor geholt und angefragt, ob das Angebot noch steht. "No worries", lautet die Antwort. Da ist er wieder, unser Lieblingsausspruch. Die Familie wohnt direkt am Meer in einem Haus, das das Bergbauunternehmen zur Verfügung stellt, um qualifiziertes Personal aus der ganzen Welt anzuheuern. Zu tun gibt es in den Minen genug und auch ausreichend Arbeiter, die in ein paar Jahren harter Arbeit sehr gutes Geld verdienen.

Eine Stiege bis zum Mond

Nach vier Tagen Luxus (Dusche, Waschmaschine und Asphalt) sehnen wir uns wieder nach dem Busch und roter Erde unter unseren Füßen. Wir starten in den tropischeren Norden, begleitet von sattem Grün, hohen Palmen und dem Duft von Tropenpflanzen. Die hübsche Stadt Broome lässt Touristen in Scharen anreisen. Verantwortlich dafür ist nicht nur einer der angeblich fünf schönsten Strände der Welt (Cable Beach), sondern vor allem "The Staircase to the Moon".

Alles kein Problem
Der Busch ist mittlerweile unser Lieblingsschlafquartier.

Wenn sich bei extremer Ebbe das Meer zurückzieht, spiegelt sich in den bleibenden Pfützen der Vollmond und erzeugt eine optische Täuschung von Stufen, die zum Mond führen. Der Andrang zu diesem Naturschauspiel ist groß, die Campingplätze während dieser Tage überfüllt und teuer. Doch das Glück ist auf unserer Seite und führt uns zu einer Freundin aus Geraldton beziehungsweise in ihre Einfahrt. Die lustige Tracey ist eine unkomplizierte Gastgeberin. An einem gemütlichen Abend am Lagerfeuer fragen wir sie, ob sie jemanden mit einem Boot kennt. Die Jungs wollen wieder einmal fischen. Die Antwort lautet – natürlich –"No worries!". Bereits kurz nach Sonnenaufgang klopft es an den Wohnwagen. Paul, ein leidenschaftlicher Fischer, ist da. Auch er ist von der unkomplizierten Sorte und verspricht, um 13 Uhr das Boot für uns zu starten. Zu viert fahren sie raus – zu fünft kommen sie zurück. Auf Eis liegt ein 94 Zentimeter langer Threadfin Giant – köstlich! Aus den geplanten drei Tagen in Broome werden vier, dann wird verlängert, noch einmal und noch einmal, bis schließlich nach zehn Tagen die Reise weitergeht.

Alles kein Problem
Salzwasserkrokodile – harmlos ist anders.

Die Temperaturen steigen täglich und die Schwüle setzt uns zu, aber an Abkühlung im Meer ist mittlerweile nicht mehr zu denken. Das wird von Salzwasserkrokodilen in Beschlag genommen. Die so genannten "Saltys" werden bis zu sechs Meter lang, und Menschen stehen durchaus auf ihrem Speisezettel – und zwar nicht nur als Zwischenmahlzeit, wie wir erfahren. Um den Kindern ihre Gefährlichkeit vor Augen zu führen, besuchen wir eine Krokodilfarm und erleben dort bei einer Fütterung, wie schnell diese uralten Reptilien zuschnappen können – obwohl sie stundenlang meist wie versteinert in der Sonne liegen. Ihre Artgenossen im Süßwasser sind hingegen kleiner und beißen nur, wenn sie ihre Nester verteidigen.

Wir ziehen weiter in Richtung Kimberley, einer ungezähmten, von vielen Flussläufen durchzogenen Landschaft. Die Region ist berühmt für die 660 Kilometer lange "Gibb River Road", eine legendäre, gnadenlose Schotterstraße, die von Derby nach Kununurra führt. Bei Wohnwagen-Reisenden eine der meist diskutierten Strecken.

Alles kein Problem
Flussdurchquerung: Die Kunst ist, trocken zu bleiben.

Das Gerumpel und die Flussdurchquerungen stellen jede Schraube und jeden noch so guten Reifen auf die Probe. Der Abschleppdienst ist darüber hinaus teuer und hat meist viel zu tun. Wir diskutieren, lesen, informieren uns. Die Aussagen über die aktuellen Straßenverhältnisse sind sehr widersprüchlich. Doch "wer vü fragt, geht vü irr" und so starten wir einfach drauflos. Die ersten 110 Kilometer sind fordernd. Mit Tempo 40 scheppern wir über die Rumpelpiste. Den Kindern ist es bald zu laut und das Geschüttel nach 20 Minuten bereits nervig. Den Reifendruck können wir nicht noch weiter minimieren, zu groß ist die Gefahr durch spitze Steine. Weil die Regenzeit heuer nur die Hälfte der üblichen Niederschlagsmenge brachte, gibt es keine abenteuerlichen Flussdurchquerungen. Der Weg führt meist durch Rinnsale oder trockene Flussbetten. Wir brechen irgendwann ab, wollen bei der ersten Gelegenheit abbiegen, um wieder Asphalt unter die Räder zu bekommen.

Krokodile und Kindergeburtstag

Der Weg dorthin hält eine andere Attraktion bereit. In Windjana Gorge wohnen wir zur Dämmerstunde einem besonderen Schauspiel bei – Süßwasserkrokodile schnappen hier nach fliegenden Fledermäusen und Flughunden. Das Geräusch erinnert an das Zuklappen eines dicken, schweren Buches in einer Kirche. Besonders beeindruckt uns der Tunnel Creek, wo ein kleiner Bach einen Bergrücken komplett unterirdisch durchquert. Wir waten kniehoch durch den Fluss, sehen im Schein der Stirnlampen immer wieder Süßwasserkrokodile, die uns mit leuchtenden Augen anstarren. Am Ende warten noch Felsmalereien, hunderte Flughunde und ein badender Lizard.

Alles kein Problem
Happy Birthday Jolanda (7)!

Unser Mädchen wird sieben, und da wir an den Kindergeburtstagen nicht reisen, parken wir unser Gespann an einem wirklich besonderen Platz. In Palm Springs, einer wahrhaftigen Oase mitten in der Wüste. Der Kuchen kommt wieder aus dem Kugelgrill, allerdings helfen diesmal viele Kinderhände mit. Die "Stellplatz-Nachbarn", eine Familie aus Brisbane mit ihren vier Kindern, freut sich ebenso über den schönen Anlass und so wird das Geburtstagsfest ein viel größeres und lebhafteres als ursprünglich gedacht.

Alles kein Problem
Das australische Palm Springs ist eine Oase im Outback.

Wir steuern direkt auf einen Stellplatz vor dem Purnululu Nationalpark mit den Bungle Bungles zu. Ein Weltnaturerbe, ein buckeliges, farbenfrohes Gesteinsmassiv, welches erst vor 20 Jahren entdeckt wurde. Frühmorgens koppeln wir das Schneckenhaus ab, rattern im roten Sand in das Schutzgebiet. Mit einer 50 Kilometer langen Rumpelpiste müssen wir uns das Naturwunder redlich verdienen. Es gibt eine Vielzahl von Schluchten zu entdecken. Die eine endet als Felsendom und hat eine entsprechende Akustik, aus der nächsten wachsen mitten in den senkrechten Felswänden vor Buschfeuern geschützt Palmen heraus und andere lassen den schmalen Pfad in einem Lichtspiel aus verschiedensten Farbtönen enden. Auf dem Weg zurück lernen wir noch eine Ureinwohnerin kennen, die mit unseren Kindern "Traumsteine" für gute Träume bemalt, im farbenfrohen traditionellen "Dot-painting" Stil, also mit vielen Punkten, ganz nach Aboriginal-Art.

Wir kommen wieder

Das nördliche Ende der "Gibb" besuchen wir von der "Maschekseite". El Questro ist ein Muss für alle Reisenden (siehe Höhepunkt 2). Frühmorgens genießen wir wunderschön zwischen Palmen und Farnen eingebettete warme Thermalquellen, tagsüber durchqueren wir mit unserem Geländewagen und mit Pferden einen tiefen Fluss und abends lassen wir uns mit vielen anderen Reisenden beim Lagerfeuer nieder. Wir bleiben länger als geplant auf dieser lebendigen Farm, bevor wir die letzten Kilometer im Bundesstaat Westaustralien zurücklegen. Auch wenn viele der angepeilten Höhepunkte wegen des Wassermangels nicht so imposant waren wie gedacht, so hat uns vor allem der für uns neue unbekannte Teil Westaustraliens so sehr in den Bann gezogen, dass wir uns die Landschaft gerne einmal kurz nach der Regenzeit anschauen möchten. Für uns der bisher schönste Bundesstaat!

Im nächsten Artikel berichten wir über den grünen Norden, die multikulturelle Stadt Darwin und die unvergleichlichen Nationalparks, die sich von allen bisher gesehenen nochmals wirklich gut unterscheiden.

Höhepunkte

El Questro: Aus einer schlecht laufenden Rinderfarm hat ein junges Paar im Laufe der Jahre ein „Camping-Resort“ der besonderen Art geschaffen. Auf 400.000 Hektar Land lässt sich die Natur zu Fuß, auf dem Rücken der Pferde, im eigenen Geländeauto oder im gecharterten Hubschrauber erobern. Alles ist möglich, vom einfachen Camper bis hin zum Luxustouristen ist jeder willkommen, um ein kleines Stück Wildnis zu erleben.

Karijini-Nationalpark: Der Karijini-Nationalpark liegt in einem der ältesten Teile der Welt. Flüsse haben tiefe, teils sehr enge Schluchten gegraben und darin ein Mikroklima mit grünen Auenlandschaften, Kaskaden und Wasserlöchern geschaffen. Die Schluchten entlang zu wandern ist wie eine Reise durch die Zeit, denn die Gesteinsschichten mit ihren vielen Farben und Formen erzählen wie Jahresringe von ihrer zwei Milliarden (!) Jahre alten Geschichte. Verständlich, dass den lokalen Aborigines diese Plätze heilig sind – weniger verständlich hingegen ist, dass ein Streifen des Nationalparks für den Rohstoffabbau rückgewidmet wurde.

Wissenswertes

Road Trains: Diese beeindruckenden Lastwägen mit ihren bis zu fünf Anhängern sind auf allen Highways zu sehen und können beim Überholen aufgrund ihrer Länge von bis zu 62 Metern schon einmal zur Herausforderung werden. Egal ob für tägliche Lebensmittel, als Viehtransporter oder als Rohstofflieferant, sie bilden das Rückgrat der Versorgung im Outback Australiens.

Wissenswertes
Straßenzüge sichern die Versorgung

Outback: So werden jene australischen Regionen bezeichnet, die fernab der Zivilisation liegen. Es umfasst beinahe drei Viertel der Fläche Australiens und erstreckt sich hauptsächlich über das Northern Territory und Western Australia sowie Teile von Queensland, New South Wales und South Australia. Das Outback umfasst zudem unterschiedliche Klimazonen. Weite Gebiete des Outbacks Westaustraliens, in denen manchmal jahrelang kein Regen fällt und im Sommer Temperaturen über 50 Grad herrschen, sind etwa völlig unzugänglich. Das Outback von Queensland hingegen besteht zum Teil aus unberührtem tropischen Regenwald.

Richtigstellung: Die in der vorigen Reportage erwähnten Stromatolithen haben nicht 500 Millionen Jahre nach dem Urknall begonnen, die Erde zu besiedeln, sondern 500 Millionen Jahre nach der Entstehung der Erde, sie sind also vier Milliarden Jahre alt. Wir bedauern den Fehler.

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29. März 2024