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Ab in den Süden

16.Juni 2019

An der Grenze zu Südaus-tralien gibt es besondere Einreisebestimmungen. Nein – nicht etwa für Personen, sondern für Lebensmittel! Ein kurzer Blick auf unsere Vorräte und wir kochen noch schnell den berühmt-berüchtigten "Border Stew", den Grenzeintopf, bei dem alles Gemüse zu einem Eintopf verarbeitet wird. Satt und mit leerem Kühlschrank passieren wir die unscheinbare Grenze, die mit ihren Monokultur-Wäldern entlang des Highways nicht gerade bezaubernd wirkt.

Bereits das erste große Ziel nahe Mount Gambier lässt uns jedoch den Atem stocken – nicht nur vor Schönheit, sondern auch vor Eiseskälte, und das bei 40 Grad Lufttemperatur. Ewens Ponds, eine unscheinbare Karstquelle mit glasklaren Teichen und teils surrealer Unterwasserwelt. Das Wasser hat 14 Grad und wir sind die Einzigen, die ohne wärmende Neoprenanzüge dastehen. Aber fünf Österreicher, die Kälte gewohnt sind, kann das nicht davon abhalten, in dieses Naturwunder einzutauchen. Mit Schnorchel und Taucherbrille ausgestattet lassen wir uns von der Strömung in einer noch nie gesehenen Wasserwelt treiben. Nach 15 Minuten klettern wir als fröhliche Eiszapfen wieder an Land.

Ab in den Süden
Kunstvoll inszenierte Silos begegnen uns immer wieder.

Heiß und kalt

Es ist heiß und die Körper schnell aufgewärmt, bereit für neue Entdeckungen. Der Blue Lake, ein Kratersee, lockt mit seinem kobaltblau leuchtenden Wasser, aber weil er das gesamte Gebiet des Mount Gambier mit Trinkwasser versorgt, ist Baden nicht erlaubt. Schade, denn ein 45 Grad heißer, sturmähnlicher Wind bläst uns entgegen. Öffentliche Parks sind gesperrt, es herrscht höchste Brandgefahr. Wir flüchten vor Hitze und Sturm an die Küste und finden in Port Macdonnell Abkühlung und einen kostenlosen Stellplatz am Meer. Doch auch hier rüttelt der Wind unfreundlich an unserem Wohnwagen. Mehrmals umrunden wir des Nachts unser fahrbares Zuhause, um zu kontrollieren, ob auch noch alles dort ist, wo es hingehört. Ziemlich unausgeschlafen starten wir in den nächsten Reisetag. Die Höhlen in Naracoorte haben wir schon bald auf unsere Reiseliste gesetzt, zählen sie doch zu den spannendsten Höhlen hierzulande (siehe Höhepunkt 1).

Ab in den Süden
Überschüssige Energie will abgebaut werden.

Das Leben ist ein Ponyhof

Jolanda zählt bereits die Tage, aber (noch) nicht bis wir nach Hause fahren, sondern endlich das machen, worauf sie sich bereits seit Monaten freut. Wir werden für zehn Tage auf einer Pferdefarm arbeiten. Dieser Kontakt hat sich durch eine Internetplattform namens "HelpX" (siehe unten) ergeben. Im kleinen, sanfthügeligen Ort Yankalilla nahe Kangaroo Island werden wir von Besitzerin Lesley, ihrer 15-jährigen Tochter Tamara und der schwanzwedelnden australischen Schäferhündin "Winter" begrüßt. So manches Familienmitglied wähnt sich im "Pferdehimmel", aber auch der Hund wird auf Anhieb ins Herz geschlossen. Jedes Kind bekommt ein "Pflegepony", das es täglich bürsten, füttern und führen soll. Außerdem sind die Ställe und Weiden sauber zu halten und die Tiere mit Wasser zu versorgen.

Auf die Erwachsenen warten andere Aufgaben: Damit kostbares Regenwasser gesammelt werden kann, müssen Dachrinnen von Laub befreit werden. Auch trockene Äste und Rinden der umliegenden Bäume gilt es zu entfernen, um im Falle eines Buschfeuers die Ausbreitung zu verhindern und Schlangen keinen Unterschlupf zu bieten. Außerdem brauchen Terrasse und Fenster einen neuen Anstrich, zwei Waschmaschinen müssen übersiedelt, Fliegengitter erneuert werden. Der Vogelkäfig mit den invaliden Kakadus und Papageien braucht ebenfalls Zuwendung, genau wie die darin lebenden Vögel, die uns stets mit "Hello" begrüßen und mit "scratch scratch" zum Bauchkraulen auffordern. Mehrmals täglich erhalten sie Besuch von freilebenden Artgenossen. Munter wird dann drauflos gekrächzt und gekreischt, so als wollten sie Neuigkeiten austauschen.

Das Farmleben ist abwechslungsreich: Es kommen die Pferdemasseurin, der Hufschmied, der Futterlastwagen, Freunde und Bekannte und am Wochenende kehrt der Herr des Hauses heim, der, wie viele Australier, wochentags einige Autostunden entfernt am Bau arbeitet. Am Wochenende heißt es Daumen halten. Die erfolgreiche junge Springreiterin des Hauses wird zu einem Turnier begleitet. Es erwartet uns nicht nur ein sehr anspruchsvoller Spring-Parcours, sondern auch ein riesiges Volksfest – ähnlich dem Urfahraner Markt mit Vergnügungspark und doch irgendwie anders. Es werden Landmaschinen ausgestellt, Schafe und Alpakas versteigert, Hot Dogs und Burger verkauft. Wir feuern beim Schafschur-Wettbewerb an, schlendern bei 35 Grad durch die stickigen Ausstellungshallen, bis wir genug vom Rummel haben und nach Hahndorf fahren, der wohl deutschesten Stadt Australiens, wo wir seit Monaten erstmals wieder in ein Roggenbrot beißen.

Ab in den Süden
Reiten im Meer und Jolanda im Pferdehimmel

Am letzten Nachmittag vor der Abreise nehmen wir die Ponys im Anhänger mit an den Strand. Die Kinder reiten zum ersten Mal auf schwimmenden Ponys im Meer. Pferde wie Reiter genießen die Abkühlung, umso schwerer fällt das Auf-Wiedersehen-Sagen. Die Kinder würden am liebsten die Ponys oder zumindest den Hund mitnehmen. Doch die Reise geht weiter – in die Adelaide Hills. Wir sind auf einer Avocado-Farm eingeladen – ein Kontakt, der durch unsere australischen "Haustauschfreunde" 2018 entstanden ist. Während wir mit dem älteren Ehepaar Nigel und Margaret Reiseerfahrungen austauschen und viel über die teils sehr wasserintensive Landwirtschaft in Südaustralien erfahren, vermissen unser Kinder die Tiere und die täglichen Aufgaben. Es braucht eben Zeit, wieder in den "Reisemodus" zu finden.

Der Familienrat tagt

Adelaide den Rücken gekehrt, folgen wir der berühmten "Flinders Range"-Bergkette, die sich über 400 Kilometer in das Landesinnere erstreckt. Der Name "Flinders" ist hier allgegenwärtig. Der britische Forschungsreisende Matthew Flinders (1774-1814) hat den Süden Australiens quasi entdeckt und kartografiert. Bevor wir die Halbinsel "Eyre Peninsula" ins Visier nehmen, steht noch eine wichtige Entscheidung an: In Richtung Westen an der Küste bleiben oder dem Stuart Highway, der einzigen Straße durch die rote Mitte, hoch in den Norden folgen? Besonders zu Beginn der Reise gab es einige Stimmen in unserer Familie, die sich für eine "Abkürzung" aussprachen, doch mittlerweile sind wir so gut im Reisealltag angekommen, dass wir lediglichgen "Norden" winken und in Richtung Westaustralien rollen. Nächstes Ziel: Whyalla.

Ab in den Süden
Pfannen als „Baumschmuck“ sollen wohl unliebsame Gäste verscheuchen.

In Port Gibbon stoßen wir in den Sanddünen auf unseren ersten Seelöwen – ein alter, vom Rudel verstoßener Bulle, der wie ein nasser Sack am Strand liegt und die Sonne genießt – und einmal mehr auf interessante Reisebekanntschaften sowie das Gefühl, dass genau jene Menschen, die wir gerade brauchen oder die uns in unserem Denken inspirieren, auch unseren Weg kreuzen. Gerade als wir länger keine Familien und somit Spielkameraden für unsere Kinder getroffen haben, kommen wir in Tumby Bay zufällig mit einer Mutter von acht Kindern ins Gespräch. Statt einer Antwort auf die Frage, wo denn ein schöner Gratis-Stellplatz in der Umgebung sei, erhalten wir die Einladung, unser Gespann doch bei ihnen zu parken. Und um alles noch aufregender zu machen, wohnt die zehnköpfige Familie in einem "Shed", eine ehemaligen Wagenhütte, eine Art Stadel aus Metall. Aus der geplanten Übernachtung werden fünf entspannte und lustige gemeinsame Tage. Unsere Kinder liebten den kreativen Ort mit den vielen anderen Kindern, Katzen, Schafen, einem Feuerplatz, Garten und unendlichen Weiten.

Auch die Sprache ist mittlerweile keine Barriere mehr und so hat sich eine spontane schöne Zeit ergeben. Die Familie ist uns in kürzester Zeit richtig ans Herz gewachsen, es fühlt sich tatsächlich so an, als würden wir uns schon ewig kennen. Der Abschied fällt besonders schwer, doch er muss sein, das nächste Abenteuer wartet: Eine Etappe vor der viele Reisende großen Respekt haben.

Ab in den Süden
Auf den Bunda Cliffs mit dem Gefühl, am Rand der Welt zu stehen.

Keine Bäume, aber eine Landsfrau

Nullarbor, die weltweit größte Karstwüste mit einer Länge von 1256 Kilometern, gilt es zu durchqueren. In Ceduna wird genügend Wasser gebunkert, Diesel getankt, auch die zwei Reservekanister aufgefüllt, und wir kaufen ausreichend Lebensmittel ein. Auf der Strecke gibt es nur wenige Raststätten. Das Angebot ist begrenzt, die Produkte dafür sehr teuer. Wir planen für die gesamte Ebene mindestens drei Reisetage ein.

Man ist versucht, den Nullarbor schnell hinter sich zu bringen, doch gibt es mehr zu sehen, als angenommen. Die "Kein-Baum-Ebene", so die Übersetzung, beschreibt die Gegend äußerst treffend. Die einzige Straße säumen stundenlang nur niedrige Buschlandschaften. Die erste Nacht verbringen wir auf einem unscheinbaren Platz im Busch mit Milliarden von Fliegen, die uns in den Wahnsinn treiben. Erst der Sonnenuntergang und ein Lagerfeuer lassen die kleinen Biester flüchten und dann doch Gemütlichkeit aufkommen. Eine überraschende Begegnung bringt der nächste Morgen. In der schier endlosen Weite versucht die österreichische Extremsportlerin Xandi Meixner auf ihrem Rennrad die Strecke Perth-Sydney im Weltrekordtempo zu absolvieren. Wir winken und feuern an was geht: "Bravo Xandiiiii!!!"

Ab in den Süden
Austrian Boy im Surffieber

Ansonsten ziehen viele Roadtrains (Lkw mit bis zu fünf Anhängern), Karsthöhlen und Walbeobachtungsplattformen an uns vorbei. Weil die Meeressäuger jahreszeitenbedingt derzeit woanders unterwegs sind, fahren wir ohne Sichtung weiter. Die Bunda Cliffs bieten Entschädigung. 100 Meter unter dem Felsvorsprung donnern die Wellen an Land, während wir oben Feuerholz sammeln und gemeinsam mit einer zweiten reisenden Familie am Lagerfeuer bei Steckerlbrot in den leuchtenden Sternenhimmel schauen.

Zeit, die vergangenen Wochen Revue passieren zu lassen. Wir sind froh, Südaustralien nicht links liegen gelassen zu haben. Viele Touristen bereisen lieber die populäre West- bzw. Ostküste. Für uns Langzeitreisende hat sich der Süden hingegen mehr als gelohnt. Delfine, Seelöwen, historische Funde, trockene Wüste, fruchtbare Böden und die warmherzige Willkommenskultur haben uns eine wunderschöne Zeit beschert. Mit dem Bewusstsein, bald die Hälfte der Ebene hinter uns zu haben und am nächsten Tag die Grenze zu Westaustralien (WA) zu erreichen, schlafen wir ein. Mehr über den größten Bundesstaat demnächst.

Höhepunkte

Delfine in Whyalla
Whyalla ist ein gewöhnlicher Industriestandort, doch er bietet etwas Außergewöhnliches. Seit Jahrzehnten kommen täglich die Fischerboote herein und werfen die kleinen Fische wieder ins Wasser. Delfine folgen den kleinen Booten in die Bucht, um ihren Teil der Beute abzukriegen. Was andernorts viel Geld kostet, nämlich der persönliche Kontakt mit den intelligenten, charismatischen Säugetieren, ist hier in den Alltag eingebettet. Wir verbringen viel Zeit in der Bucht, die Kinder helfen beim Krabbenfischen, werfen Fischstücke in den Riesenschnabel eines Pelikans und füttern die Delfine per Hand. Was für ein Erlebnis!

 

Naracoorte-Höhlen (UNESCO-Weltnaturerbe)
In einem 25 Kilometer langen Höhenzug des Naracoorte Caves National Park liegen aneinandergereiht 26 Tropfsteinhöhlen. In der Victoria Fossil Cave wurden 1969 Überreste von 93 Spezies eiszeitlicher und teils ausgestorbener Tiere gefunden, die wichtige Aufschlüsse über die Frühgeschichte Australiens geben. Ein Wombat so groß wie ein Nilpferd, ein Riesenkänguru mit drei Metern Höhe und ein Riesenschnabeligel sind nur einige jener Tiere, die über Jahrtausende bei der Futtersuche in die Höhle fielen und genau so liegen geblieben sind, wie sie später gefunden wurden.

Gut zu wissen

HelpX
HelpX ist eine Internetplattform (ähnlich wie WOOFING), auf der einerseits Farmen und Haushalte Hilfe für Haus und Hof suchen und sich andererseits Reisende, die gerne mithelfen möchten, registrieren lassen können, um ihre Leistungen auszutauschen. Üblich sind drei bis vier Stunden Arbeitsleistung pro Tag für Kost und Logis. In unserem Fall vereinbaren wir individuell, da wir unsere Bleibe selbst mitbringen und wir für unsere Kinder kochen. Neben dem guten Gefühl, wieder einmal die Hände zu verwenden und „richtig“ zu „arbeiten“, ist es eine tolle Möglichkeit, die kulturellen Feinheiten eines australischen Alltags hautnah mitzuerleben, mit den Menschen in direktem Kontakt zu sein … und wieder einmal die Annehmlichkeiten eines Hauses in Anspruch zu nehmen.

Südaustralien
Der einzige Bundesstaat Australiens, der von freien Siedlern und nicht von Sträflingen aufgebaut wurde, ist das viertgrößte Bundesland Australiens mit 1,7 Millionen Einwohnern. Der trockenste Staat am trockensten Kontinent der Erde ist bekannt für seine vollmundigen Weine (um Adelaide) sowie die faszinierend unberührte Natur im Outback. Als erster Europäer segelte 1627 der Holländer Pieter Nuyts an der Küste vorbei. Matthew Flinders erforschte anlässlich seiner Kontinentumsegelung 1802 die südaustralische Küste, beschrieb schon damals sehr genau viele landschaftliche Merkmale und entdeckte zahlreiche Tierarten. Amerikanische Wal- und Robbenfänger errichteten 1803 den ersten Stützpunkt auf Kangaroo Island. 1836 wurde eine britische Niederlassung in Adelaide gegründet, der heutigen Hauptstadt.
Das Klima ist mittelmeerähnlich, das Meer kaum über 20 Grad warm, die Sommer bleiben größtenteils niederschlagsfrei und ohne Wetterextreme, während die Winter regenreich sind und sogar Schnee fallen kann. Die beste Reisezeit ist zwischen September und April.

 

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19. April 2024