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Hundert Töne Grün

Von Jochen Müssig   08.Dezember 2018

Viermal Indonesien und dreimal Afrika: So lautete das Ergebnis einer nicht repräsentativen Umfrage unter Freunden, wo denn auf dem Globus Suriname liege. Alle falsch! Nur die drei Fußballer unter den zehn Befragten wussten es: Suriname ist das kleinste unabhängige Land in Südamerika, die Heimat von Ruud Gullit, Frank Rijkaard oder Clarence Seedorf, um nur drei zu nennen, die in den Niederlanden zu Weltklassespielern reiften.

"Oh ja!", sagt der Gärtner im "Bergendal Resort" am Suriname River. "Mein Neffe kam früher einmal pro Jahr aus Paramaribo zu Besuch. Ich bin der Onkel von Clarence Seedorf!" Der Gärtner heißt Karl und sieht mit seinen Rastalocken aus wie ein Karibe. Der Hindu Bysai sagt dagegen, seine Familie lebe schon seit Generationen in Suriname. Woher sie aus Indien kämen, wisse er nicht. Aber er weiß, dass seine eiskalte Trinkkokosnuss am Straßenrand 2,50 Suriname-Dollar kostet, etwa 50 Euro-Cent. Fu Lin hingegen ist einer der vielen Chinesen, die ein Lebensmittelgeschäft führen, und Wayan, wie in Indonesien traditionell die Erstgeborenen heißen, nimmt in seinem Warung die Bestellung für ein Nasi Goreng auf.

In der Hauptstadt Paramaribo, wegen ihrer Holzbauten seit 2002 Welterbe, stehen Kirche, Moschee, Hindu-Tempel und Synagoge einträchtig nebeneinander. Sie sind ein Abbild der hier lebenden Ethnien, die sich aus niederländischen Maroons, Nachkommen von geflüchteten Sklaven, Kreolen, ehemalige schwarzafrikanische Sklaven, des Weiteren aus Indern, Javanern, Chinesen, Arabern zusammensetzen. Amtssprache und Straßennamen sind niederländisch. Das Leben auf den Straßen ist karibisch-heiter, und Südamerika scheint weit weg zu sein.

Suriname vereint auf engem Raum und auf unaufgeregte, weil gewachsene Weise holländische und kreolische, westafrikanische und indische, aber auch indonesische und deutsche Einflüsse. So manche Plantage trägt noch heute deutsche Namen, wie etwa Altona, Berlijn, Frankfort oder Hannover. Gefahren wird allerdings links. Der erste Besitzer eines Autos in Suriname hatte einen Chauffeur aus England, und der entschied, gewohnheitsmäßig links zu fahren.

Dorfchef, Kapitän und Richter

"Instappen!" – einsteigen – sagt Bootsführer Oswaldo. Er ist ein Maroon wie etwa ein Viertel der insgesamt 560.000 Einwohner. Viele von ihnen leben am Brokopondo, ein Stausee, dreimal so groß wie der Bodensee, der in den 60er Jahren zur Stromerzeugung angelegt wurde und aussieht wie nach einem Atomangriff. Apokalyptisch ragen Tausende von überschwemmten und abgestorbenen Bäumen aus dem Wasser, und an einigen Stellen stemmt Oswaldo mit seinem zehn Meter langen und zwei Personen schmalen Boot die Baumstumpen beiseite, wie Slalomläufer beim Skifahren die Stangen, einfach um durchzukommen in diesem toten Labyrinth.

Lebi Doti, eines der Dörfer am See, ist alles andere als ausgestorben. Im See waschen farbenfroh gekleidete Frauen die Wäsche und unterhalten sich lautstark. Die Männer gehen zum Fischen. Die Kinder schreien den Fremden zu. Lebi Doti ist eine hundertprozentige Maroon-Siedlung und Westafrika im Kleinformat. Abgesehen davon, dass es keine Hunde im Dorf gibt. "Hunde waren Sklavenjäger", erklärt der Kapitän, der Dorfchef, und freut sich auf die Flasche Rum, die als Gastgeschenk übergeben wird. Der Lehrer der Dorfschule

kommt wochenweise aus der Hauptstadt. Diesel für den Generator fließt nur, wenn Wahlen sind. Und für kleinere Delikte ist der Kapitän auch Richter. Die Polizei komme frühestens nach zwei bis drei Tagen ... "Instappen!", sagt Oswaldo wieder.

Der Oberlauf des Suriname River mit den hundert Arten von Grün im Regenwald: Dorfbesuche am Fluss und schöne Lodges warten. 85 Prozent des Landes sind fast unberührter und beinahe unbewohnter Regenwald. Weit mehr als 90 Prozent der Menschen leben entlang der Küstenregion im Norden oder entlang der acht Flüsse des Landes.

Sex, Drugs und Rock ‘n’ Roll

Ab jetzt gibt es keine Straße und kein Auto mehr. Der Fluss und das Boot sind die einzigen Fortbewegungsmittel. Die Tour auf dem Fluss ist eine wunderschöne Regenwaldeinsteigertour mit schwarzen Granitfelsen und goldbraunen Sandbänken, mit Stromschnellen und gemütlichen Passagen in aller Abgeschiedenheit.

Mit Balzlauten lockt Oswaldo einen handflächengroßen indigoblauen Schmetterling an und bietet ihm ein gebrochenes Blatt. Der schöne Flattermann saugt und kann scheinbar gar nicht genug davon bekommen. Oswaldo lacht und erklärt, warum der Schmetterling gekommen ist: "Sex, Drugs und Rock ’n’ Roll! So ein männlicher Schmetterling lebt nur 18 Tage. In dieser Zeit trinkt er die 50-fache Menge Alkohol, die er eigentlich vertragen würde, tanzt dementsprechend froh gelaunt durch die Lüfte, bis er ein Weibchen findet, das mit ihm 48 Stunden ohne Unterbrechung Liebe macht. Ist das nicht wunderbar…?"

Vielvölkerstaat

Auf einer Fläche knapp doppelt so groß wie Österreich leben 560.000 Einwohner.

85 Prozent des Landes bestehen aus Regenwald, in dem mehr als 1000 Baumarten wachsen.

Als erster Europäer entdeckte Christoph Kolumbus 1498 die Küste Surinames,
später wurde das Land zunächst von den Engländern und anschließend von den Niederländern kolonialisiert.

Weil nach Abschaffung der Sklaverei 1863 Arbeitskräfte fehlten, kamen Inder, Chinesen und Javaner in das Land, das 1954 in die Selbstverwaltung und 1975 in die Unabhängigkeit entlassen wurde.

Wissenswerte Touristeninfos

Flüge: via Amsterdam mit KLM ab 1150 Euro (www.klm.com)

Beste Reisezeit: die trockenen Monate Januar bis Mai und September bis November.

Einreiseformalitäten: Das Visum gibt es am Flughafen von Paramaribo für 20 Euro.

Währung: Ein Euro entspricht rund 8,50 Suriname-Dollar. Kreditkarten werden fast nur in Paramaribo akzeptiert.

Gesundheit: Malaria-Prophylaxe wird empfohlen. Mücken- und Sonnenschutz mitnehmen.
Leitungswasser nicht trinken.

Unterwegs: Das Taxi vom 40 Kilometer entfernten Flughafen nach Paramaribo kommt auf 20 Euro. Mietwagen sind günstig (ab 20 Euro/Tag), aber es gibt letztlich außerhalb von Paramaribo nur zwei Hauptstraßen: parallel zur Atlantik-Küste und die Straße zum Brokopondo. Danach ist Schluss und man sollte sich in die Obhut eines Veranstalters geben, sei es für See-, Fluss- oder Regenwaldtouren. Einfache geführte Dschungel-Wanderungen kommen auf zehn Euro pro Stunde. Eine zweitägige Regenwald-Expedition in den tiefen Süden kostet, inklusive Flüge ab Paramaribo, Boot, Führer, Hängematten mit Moskitonetz, Vollpension ca. 1250 Euro. Norman Mac-Intosh, Besitzer und Chefguide von Discover Suriname Tours, kennt sich im Land bestens aus und spricht Deutsch, Englisch, Holländisch, Taki-Taki (Surinamesisch) und Indio-Sprachen (www.discoversurinametours.com).

Übernachtungen: Ein Stadthotel wie das „Torarica“, gehobene Mittelklasse mit Pool in Paramaribo, kommt auf 150 Euro (www.torarica.com), die Kolonialholzhäuser der alten Plantage „Frederiksdorp“, abgeschieden und nur per Boot erreichbar, auf 65 Euro (m.hagemeijer@hotmail.com).

Lodges entlang des Suriname Rivers kosten zwischen 25 (sehr einfach) und 75 Euro (komfortabel). Alle Preise pro Nacht und DZ & nähere Infos über www.upper-suriname.com.

Essen: Es gibt nur einfache Restaurants. Hauptgerichte wie Huhn kreolisch mit Reis und Bohnen oder das Nationalgericht Heri Heri, Wurzelgemüse mit Reis, kosten vier und sechs Euro.

Pauschalrundreisen: werden noch nicht auf dem deutschen Markt angeboten. Discover Suriname Tours übernimmt aber auch komplette Arrangements.

Allgemeine Auskünfte: www.surinametourism.sr;

 

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19. April 2024