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Sind die Bio-Biker vom Aussterben bedroht?

Von Peter Affenzeller   17.August 2019

Beim E-Bike-Ausrüster Bosch spricht man provokant von den Bio-Bikern: Das sind die, die bergauf noch schwitzen und sich abmühen. Neue Antriebe verändern das Radfahren radikal, auf der Straße wie im Gelände wird ein Umdenken nötig sein.

Für die Industrie ist die Radsaison 2020 eigentlich jetzt schon gelaufen: Die Vorbestellungen der Händler sind so hoch, dass viele E-Bike-Modelle ausverkauft sind. Man spricht von Zuwachsraten um die 60 Prozent in Deutschland und das Bild in Österreich dürfte nicht viel anders sein. Der Wahrheitsbeweis wird an jedem Radlständer vor den heimischen Almhütten sichtbar: Da stehen an den Wochenenden zwei-, dreimal so viele Räder wie früher und 70 Prozent davon haben einen elektrischen Antrieb. Die Experten sind sich einig: Das ist erst der Anfang, denn die technische Entwicklung bei den Motoren, der Steuerung und der Akkuleistung steht mitten in einem rasanten Wettlauf der Hersteller.

Radfahren verändert sich radikal

Damit verändert sich auch das Bild vom Radfahrer radikal: Zu den vertrauten Alltagsradlern, den Rennrad-Fans und den Mountainbikern kommen völlig neue Zielgruppen. Eine davon sind die "Wiedereinsteiger": Im Alter mussten viele auf das Radeln verzichten, weil es ihnen auf Steigungen zu beschwerlich wurde. Jetzt nicht mehr: Mit Begeisterung greifen Senioren in den hügeligen Gegenden zum E-Bike und gewinnen damit ein Stück Mobilität zurück.

Eine andere Gruppe sind die "Outdoor-Fans": Für sie schafft das E-Bike eine neue Erlebnismöglichkeit. In der Natur zu sein und sich dafür auch die beste Ausrüstung zu leisten ist im Trend. Die Orientierung übernimmt ein GPS-Gerät, die Routen werden aus dem Internet heruntergeladen.

Gruppe Nummer drei sind die Alltagsradler am Weg zur Arbeit und zurück – für sie schafft das E-Bike mit mehr Tempo, Komfort und Reichweite einen zusätzlichen Anreiz, das Auto noch öfter als bisher stehen zu lassen. Doch damit entsteht auch Druck auf andere Verkehrsteilnehmer: Im Straßenverkehr läuft die Begegnung noch einigermaßen reglementiert ab.

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Im Gelände dagegen … prallen Interessen aufeinander. Landwirtschaft, Jagd und Wanderer sind mit einer ganzen Welle neuer "Naturnutzer" konfrontiert, über die man – vorsichtig ausgedrückt – nicht überall begeistert ist. Bilder von radikal durch den Wald springenden Downhill-Profis tun ihre Wirkung: Sie verleihen dem E-Bike- Sport ein cooles Image, schaffen Begehrlichkeit – doch die Realität schaut anders aus. Viele schwere E-Bike-Unfälle gehen darauf zurück, dass Fahrern "das Talent ausgeht". Mit einem mehr als 20 Kilo schweren Rad kann schon die Abfahrt auf der – ungewohnten – Schotterstraße zum Problem werden.

Ältere E-Biker haben nicht mehr die Beweglichkeit und die Reflexe, um einen Sturz nur mit ein paar Kratzern zu überstehen: Sie sind auch die radikal zupackende Wirkung einer 21-Zentimeter-Scheibenbremse nicht gewöhnt, nicht umsonst werden bereits elektronisch geregelte "ABS-Bremsen" und Fahrtechnikkurse angeboten.

Solche Schulungen wird es ebenso brauchen wie viele Gespräche und behutsame "Besucherlenkung" in den begehrten Bike-Regionen, dann kommen die E-Biker ebenso wie die Bio-Biker gut auf die Alm – und vor allem heil wieder zurück.

Unbedingt ein Bike mit und eines ohne Motor!
Martin Huber

Unbedingt ein Bike mit und eines ohne Motor!

Martin Huber, Veranstalter der Salzkammergut-Mountainbike-Trophy

„Ich sehe da eine Parallele zum Skifahren. Mit der Seilbahn kommt man auch überall hinauf, und wenn ein Anfänger sich zwei Mal eine schwarze Piste runtergequält hat, dann wird er dazugelernt haben und einen Berg auswählen, wo die Abfahrt leichter ist“, sagt Huber über die E-Biker auf dem Berg: Er kenne keinen – mit oder ohne Motor – der einfach querfeldein durch Wald oder Wiese fahre, daher sollten sich auch die Konflikte in Grenzen halten.

E-Bike als „Einstiegshilfe“

Aussterben würden die Bio-Biker sicher nicht, im Gegenteil: „Viele Biker werden umsteigen. Aussterben werden die rein muskelbetriebenen Bikes sicher nicht. Andere Ausdauersportarten (Laufen, Triathlon, Skitouren, Langlaufen) boomen auch und da gibt es keine Motorunterstützung. Es wird also auch in Zukunft viele Mountainbiker geben, die nur ohne Motor fahren. Für sportliche Fahrer ist die 25-km/h- Beschränkung auch uninteressant. In der Ebene fährt man schnell einmal über 30 km/h und das Mehrgewicht ist dann ein Handicap, ebenso im schwierigen Gelände. Bei vielen Mountainbike-Touren muss das Bike über längere Distanzen getragen werden. Ich glaube auch, dass manche mit dem E-Bike beginnen und wenn sie über eine gewisse Kondition verfügen, auf ein Bike ohne Motor umsteigen werden.“

Bei der Salzkammergut-Trophy ist das Thema E-Bike schon stark verankert: „Es interessiert die Marathon-Biker selbst und ihre Begleitpersonen. Wir haben mehr als 100 Test-Bikes in Bad Goisern und bieten geführte E-MTB-Touren und ein eigenes Rennformat an“, sagt Huber. Der größte Vorteil der E-Bikes zeige sich bei Ausfahrten mit Familie oder Freunden: Jeder könne die Motorunterstützung selbst regeln und bei der Gruppe bleiben, ohne über- oder unterfordert zu sein.

„Das E-Bike bringt sicher neue Leute aufs Rad, die sonst in ihrer Freizeit mit dem Auto zum Bergrestaurant fahren würden. Und auch ehemalige Biker fahren gerne wieder und betätigen sich trotz Motorunterstützung sportlich.“, ist Huber überzeugt. „Wenn jemand mit dem Radfahren beginnt, ist jede Steigung anstrengend, und man verliert schnell die Freude daran. Auch als Verkehrsmittel lässt man das Rad oft stehen, weil man nicht verschwitzt ankommen will. Ein E-Bike hat oft als Verkehrsmittel Vorteile gegenüber dem Auto, und es lässt sich zusätzlich in der Freizeit nutzen.“

Für viele sportliche Biker und Marathonteilnehmer sei das E-Bike eine gute Möglichkeit, beim pulsgesteuerten Training trotzdem auf ihre Lieblingsalm fahren zu können: Mit der variablen Unterstützung könne man den Puls konstant halten. Seine Schlussfolgerung wird die Hersteller freuen: „Man braucht unbedingt ein Bike mit und eines ohne Motor!“

"E-Biker sind uns willkommen!"
Volkhard Maier

„E-Biker sind uns willkommen!“

Volkhard Maier, Nationalpark Kalkalpen

Gute Erfahrungen hat Volkhard Maier vom Nationalpark Kalkalpen mit den E-Bikern: Sie bringen neuen Umsatz für die Almen und buchen Führungen mit Nationalpark-Rangern, nur in Einzelfällen habe es nach Kontrollen Anzeigen gegeben. „Die Besucherlenkung ist bei dieser Gruppe besonders wichtig, weil wir sensible Naturräume schützen müssen – aber der Großteil ist dankbar für die freigegebenen und beschilderten Routen“, sagt Maier. Im Nationalpark Kalkalpen gibt es eigens ausgebildete Naturwacheorgane, die nach einem Dienstplan für Kontrollen in den gesperrten Regionen zuständig sind. „Wir gehen aber nach dem Prinzip vor, dass wir zuerst aufklären und informieren und nur bei unbelehrbaren Wiederholungstätern kommt es zu einer Anzeige“, so Maier. In den stark frequentierten Bereichen des Nationalparks sei die Zunahme der E-Biker schon erkennbar, aber für die Almen eine willkommene Belebung.

"Tuning gehört unterbunden!"
Gerhard Fischer

„Tuning gehört unterbunden!“

Gerhard Fischer, Radlobby OÖ

„Als Radlobby vertreten wir ja eher die Alltagsradler, auch da löst das E-Bike eine ganz neue Entwicklung aus. Aber den Trend, überall in den Bergen auf jede Alm zu fahren, sehen wir eher kritisch“, sagt Gerhard Fischer, Obmann der Radlobby. Das Unfallrisiko bei den Abfahrten im Gelände sei hoch, wenn ungeübte und zum Teil auch ältere Radler sich über ihre Fahrtechnikkenntnisse hinaus wagen. Für die Pendler regt Fischer eine gesetzliche Änderung der E-Bike-Limits an: Statt einer Begrenzung der Motorunterstützung auf 25 km/h sollte es eine langsame Reduzierung je nach Trittfrequenz bis 30 km/h geben: „Damit könnte der Aktionsradius noch weiter steigen.“ Ein striktes „Nein“ kommt von Fischer dagegen zum E-Bike-Tuning, wie es gelegentlich angeboten wird. Die Motorleistung bis 40 oder gar 45 Stundenkilometer freizuschalten sei „wie bei einem Moped“ und nicht mehr zu verantworten. „Dafür sind Rahmen und Bremsen nicht geeignet.“

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20. April 2024