Wenn die Bauchspeicheldrüse schon im Kindesalter Probleme macht
Ein Mädchen hat unerklärliche Bauchschmerzen nach dem Essen – die Mediziner finden den Grund.
Ein elfjähriges Mädchen geht wegen Schmerzen im Mittelbauch nur mehr sporadisch in die Schule. Am besten geht es ihr noch, wenn sie nichts isst. Denn ansonsten treten die Schmerzen ein bis zwei Stunden nach einer Mahlzeit auf und halten Stunden an; tageweise tut es auch einfach andauernd weh.
Durch die Essensvermeidung nimmt sie nicht nur nicht zu, auch das Wachstum hat sich eingebremst, die Menstruation ist noch nicht eingetreten, ebenso wie Scham-, Achselbehaarung und Brustwachstum. Als schließlich eine Sonografie des Bauchs durchgeführt wird, sieht man eine veränderte Struktur der Bauchspeicheldrüse und abschnittsweise Ausweitungen des Hauptganges.
Die Blutabnahme ergibt eine geringe Erhöhung der Pankreas-Enzyme im Blut. Deshalb wird sie an der Kinderchirurgie vorgestellt, wo eine MRCP (Darstellung der Pankreasgänge und der Gallenwege) angefertigt wird. Diagnose: chronische Pankreatitis, also eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse mit stellenweisen Einengungen des Hauptganges. Die Patientin gehörte zu den Ersten in Österreich sowie international, bei der eine endoskopische Drainagebehandlung im Rahmen einer ERCP zum Einsatz kam. Während einer oberen Endoskopie in Narkose wurde die Mündung des Bauchspeicheldrüsenganges geschlitzt, die Engstellen des Ganges gedehnt und eine Plastikschienung eingelegt, die über ein Jahr verblieb, dabei aber dreimal erneuert wurde. So kam es sofort zur Schmerzbefreiung, die sei mehr als 15 Jahren anhält, Ernährung und Wachstum haben sich normalisiert.
Natürlich stellt man sich die Frage, warum Kinder diese Krankheit bekommen, wo doch üblicherweise Männer ab 50 betroffen sind, die viel rauchen und Alkohol trinken. Man kennt heute eine Reihe von Genmutationen, die schon vor 30 zu dieser Erkrankung führen. Die Genanalyse fand auch prompt bei unserer Patientin eine "PRSS1-Mutation", die für diese sogenannte hereditäre Pankreatitis verantwortlich ist.
Blähungen, Durchfall
Bis dato ist die Funktion ihrer Bauchspeicheldrüse noch ausreichend. Wenn sich die Saftproduktion der Bauchspeicheldrüse einschränkt – man merkt das durch Blähungen, Durchfall und Gewichtsverlust –, gibt es Bauchspeicheldrüsensaft von Tieren oder auch Pflanzen als Ersatz. Sollte sich auch die Insulinproduktion der Pankreas einschränken, braucht es eine Insulinpumpe oder regelmäßiges Spritzen von Insulin, meist dann fünfmal täglich.
Mit etwa 18 erhielt die Patientin – sie hatte sich für eine Ausbildung als Krankenschwester entschieden – eine genetische Beratung, da sie die Krankheit an die Hälfte ihrer zukünftigen Kinder weitergeben wird. Auch die Gefahr, an Bauchspeicheldrüsenkrebs zu erkranken, ist mit diesem Leiden verbunden, das Risiko steigt ab 35 Jahren. Man kann mit jährlichen endoskopischen oder kernspintomografischen Untersuchungen eine Früherkennung anstreben. Zurzeit führt die Patientin ein ganz normales Leben.
Gesunde Serie
Was macht eine Gastroenterologin? Was ein Hepatologe? Universitätsprofessor Rainer Schöfl ist nach 23 Jahren als Abteilungsleiter der Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie am Ordensklinikum Linz Barmherzige Schwestern in den Ruhestand getreten – und will „sein Fach“ für Patienten und Medizinstudenten „begreifbarer“ und „verständlicher“ machen. In der fünfteiligen Serie „Magen- und Darmgeschichten“ stellt er Fälle dar, die typisch für sein Fachgebiet sind.