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Was uns im Leben behütet und beflügelt

Von Barbara Rohrhofer   18.April 2021

Manchmal erscheint das eigene Leben bunt und vielfältig, dann wieder verwirrend und deprimierend. In diesen Momenten kann es helfen, den Blick auf das Wesentliche zu richten. Was wirklich zählt im eigenen Leben, ist eine ganz persönliche Sache. Die Suche danach kann sehr herausfordernd sein. Die OÖNachrichten haben mit zwei Menschen gesprochen, die das hautnah erfahren oder erforscht haben: Autorin Barbara Pachl-Eberhart und Psychiater Michael Lehofer erzählen, warum man sich selbst mehr lieben sollte und wie man trotz schwerer Schicksalsschläge Lebensmut finden kann.

„Mein Zauberwort heißt: Immerhin“

Was es bedeutet, loslassen zu müssen, das hat Barbara Pachl-Eberhart auf die wohl schmerzlichste Weise erfahren müssen, die es gibt. 2008 kamen ihr Ehemann und ihre beiden Kinder bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Dennoch hat die nun 47-Jährige nie aufgeben und ein neues Lebensglück gefunden. Heute ist sie mit dem Schauspieler Ulrich Reinthaller verheiratet und Mama einer kleinen Tochter.

Barbara Pachl-Eberhart
Barbara Pachl-Eberhart, die 47-jährige Autorin hat 2008 bei einem Autounfall ihren Ehemann und ihre beiden kleinen Kinder verloren

OÖNachrichten: Was ist das Wesentliche im Leben?

Barbara Pachl-Eberhart: In aller Kürze: Ich denke, das Wesentliche am Leben ist das Leben selbst, dass man am Leben ist. Das ist so simpel und gleichzeitig so groß. Wir übersehen oft, was für eine Riesengnade es ist, am Leben zu sein.

Diese Lebensfreude gelingt gut in großen Momenten – aber was machen Sie an schlechten Tagen?

Hier hilft mir Tankbarkeit – eine Wortschöpfung von mir, die genau den Punkt trifft. Ich schau einfach, wo kann ich mich vom Leben auftanken lassen? Was füllt meinen Tank? Das funktioniert bei großen Dingen ganz leicht, es ist aber auch wichtig, die kleinen Dinge zu sehen.

Und wenn Schmerzen oder Probleme doch erdrückend sind?

Es sind ja immer Gedanken, die unser Leben schwer machen, speziell die Prognosen. Mein Zauberwort heißt „immerhin“. Wenn ich um zum Beispiel mitten in der Nacht wachliege, mir Sorgen mache und nicht schlafen kann, dann denke ich „immerhin“. Immerhin hab ich’s warm, immerhin ist morgen die Kinderbetreuung organisiert. Irgendwas findet sich immer. Darauf muss man vertrauen. Auch in meinen schlimmsten, dunkelsten Stunden nachdem meine Familie gestorben war, gab es nicht nur Schreckliches, sondern auch Schönes. Diese Momente hab ich gesammelt wie ein Eichhörnchen. Das hat meine Psyche ganz automatisch gemacht. Ich glaube, das ist in uns angelegt.

Wie geht das – den Blick aufs Wesentliche zu richten?

Ich war ja früher Clown, mein Motto lautet: Du darfst alles. Du darfst auch jahrelang herumblödeln und dann kannst du immer noch den Blick aufs Wesentliche richten.
Und das ist ganz einfach: Ich bin hier, ich bin am Leben, das ist für sich allein ja schon ziemlich groß. Mir hilft dabei das Trommeln, für andere führt der Weg zum Wesentlichen über Yoga, übers Laufen oder über die Gartenarbeit.

„Liebe ist: Ja zu sich selbst sagen“

„Wenn die Menschen mit anderen so umgehen würden wie mit sich selbst, dann hätten sie sehr bald keine Freunde mehr“, sagt Michael Lehofer, Primar der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Landeskrankenhaus Graz und Autor des Buches „Mit mir sein. Selbstliebe als Basis für Begegnung und Beziehung“.

Der Psychologe stellt gleich von Anfang an klar: „Sich selbst zu lieben hat absolut nichts mit Narzissmus oder Egoismus zu tun.“ Ganz im Gegenteil: „Denn die Verherrlichung des eigenen Selbst soll den Mangel an Selbstliebe kompensieren.“

"Liebe ist: Ja zu sich selbst sagen"
Michael Lehofer, Primar am Landeskrankenhaus Graz

Bedingungslose Liebe

Auf die Frage, was Liebe denn genau sei, meint er: „Für mich ist sie kein Gefühl, sondern ein Empfinden von totaler Verbundenheit und Beruhigung.“ Als Beispiel nennt er die bedingungslose Liebe zu den eigenen Kindern, die auch durch negative Gefühle, die alle Eltern zweifelsohne haben, nicht beeinträchtigt wird.

Aber zurück zur so essenziellen Selbstliebe: „Sie ist die Voraussetzung für Beziehungsfähigkeit“, meint Michael Lehofer im Gespräch mit den OÖNachrichten. Warum sich viele Menschen mit der Selbstliebe so schwertun, erklärt Lehofer folgendermaßen: „Wir alle sind so sozialisiert, dass wir egoistische Impulse hintanstellen, damit wir in der Gemeinschaft funktionieren. Es ist uns wichtiger, dass andere uns schätzen, als zu uns selbst zu stehen. Genauso kommt es zum Verlust der Selbstliebe.“

Der Mangel an dieser Liebe sei in unserer Gesellschaft ziemlich stark ausgeprägt. So würden auch die meisten Konflikte mit anderen, aber auch mit und in uns selbst, mit der eklatanten Unfähigkeit zu tun haben, sich selbst lieben zu können. Doch wie kann sich diese Form der Liebe entwickeln? Das „Ja zu sich selbst“ würden wir idealerweise sehr früh von unseren Eltern erhalten, sagt der Psychiater.

Liebe und Alleinsein üben

Auf die Frage, ob und wie man Selbstliebe denn lernen könne, wenn man sie nicht von den Eltern mitbekommen hat, meint Lehofer: „Die Menschen wollen immer ein einfaches Rezept.“ Das habe er leider nicht parat. Aber der Psychiater ermutigt alle, die auf der Suche nach Selbstliebe sind, das Alleinsein zu üben. Denn auf diese Weise könnte man es vermeiden, sich über andere zu definieren. Oft werde das Alleinsein aber verdrängt, weil es Angst macht und beunruhigt.
„Das Hauptmerkmal eines Menschen, der sich selbst liebt, ist, dass er sich selbst beruhigen kann und keine äußeren Mittel braucht wie etwa das Radio, den Fernseher, Alkohol oder Zigaretten“, sagt der Psychiater und ergänzt: Echte Liebe bedeute, dass es unfassbar schön ist, mit dem anderen zu sein und ihn um sich zu haben. Und umgekehrt heiße Selbstliebe, dass es auch unfassbar schön sei zu wissen, dass man sich selbst hat.

 

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16. April 2024