Lärmbelästigung fördert Diabetes, Depressionen und Bluthochdruck
Geräusche können tägliche Aktivitäten, Gefühle und Gedanken, den Schlaf und die Erholung negativ beeinflussen. Auch Feinstaub spielt bei Depressionen eine Rolle.
Verkehrslärm und Luftverschmutzung durch Feinstaub könnten das Risiko für Depressionen und Angststörungen erhöhen. Darauf weisen aktuelle Untersuchungsergebnisse hin.
Die Evolution hat den menschlichen Organismus so programmiert, dass er Geräusche als Hinweis auf mögliche Gefahrenquellen wahrnimmt – sogar im Schlaf. "Lärm versetzt den Körper in Alarmbereitschaft", sagt Manfred Beutel von der Universitätsmedizin Mainz. In der Folge aktiviert das autonome Nervensystem Stresshormone wie Adrenalin und Cortisol, reagiert mit Herzraten- und Blutdruckanstieg und anderen physiologischen Prozessen.
Bluthochdruck und Diabetes
Wird Lärm zum Dauerzustand, können chronische Erkrankungen entstehen. "Tatsächlich haben Beobachtungs- und experimentelle Studien gezeigt, dass anhaltende Lärmbelästigung das Auftreten von Bluthochdruck und Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie von Diabetes Typ 2 begünstigt", sagt der Mediziner.
Die Weltgesundheitsorganisation geht sogar davon aus, dass Umgebungslärm – vor allem Verkehrslärm – jährlich in Westeuropa für den Verlust von mehr als einer Million gesunder Lebensjahre durch Einschränkungen oder vorzeitige Sterblichkeit verantwortlich ist.
Zu den negativen Auswirkungen von Lärmbelästigung gehören aber nicht nur kardiovaskuläre, sondern auch psychische Erkrankungen, wie immer deutlicher wird. "Lärmbelästigung stört tägliche Aktivitäten, stört Gefühle und Gedanken, den Schlaf und die Erholung", erklärt der Experte der deutschen Gesellschaft für psychosomatische Medizin und ärztliche Psychotherapie. Die Unterbrechungen lösen negative emotionale Reaktionen wie Ärger, Distress, Erschöpfung, Fluchtimpulse und Stresssymptome aus.
"Solche Zustände fördern auf Dauer die Entstehung von Depressionen", so Beutel.
Dies bestätigt die groß angelegte Gutenberg-Gesundheitsstudie am Beispiel der Mainzer Bevölkerung, die zu einem großen Teil unter Lärmbelästigung durch den nahen Frankfurter Flughafen leidet. "Mit zunehmender Lärmbelästigung stiegen die Raten von Depressionen und Angststörungen kontinuierlich an, bis sich die Risiken bei extremer Belästigung schließlich verdoppelten", sagt der Arzt. Andere Untersuchungen weisen in dieselbe Richtung. So fand eine Metaanalyse eine Steigerung des Risikos für Depressionen um zwölf Prozent pro Lärmzunahme um zehn Dezibel. Eine weitere Untersuchung stellte einen Zusammenhang zwischen nächtlicher Lärmbelästigung und der Einnahme von Antidepressiva fest.
Gefahren in Ballungsgebieten
Gemäß Gutenberg-Studie empfinden Menschen Lärmbelästigung durch Fluglärm als am ausgeprägtesten, gefolgt von Straßen-, Nachbarschafts-, Industrie- und Bahnlärm. Dabei tritt Lärm am häufigsten in Ballungsgebieten auf, die auch Luftverschmutzung produzieren – etwa Feinstaub. "Feinstaub steht ebenfalls unter Verdacht, Ängste und Depressionen zu fördern", so Beutel. Er plädiert für weitere Studien, um besser vorbeugen zu können.