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Ist Milch wirklich gesund?

Von Dietlind Hebestreit   26.Juni 2019

Sie gilt in unseren Breiten als Heiliger Gral der gesunden Ernährung: Milch und alle daraus gewonnenen Produkte werden als besonders nützlich für den Körper angepriesen und waren als wichtige Bausteine einer ausgewogenen Ernährung bis vor kurzem unumstritten. "Der Konsum von Milch wird bis weit in die Pubertät als wichtig für die Entwicklung der Knochen und des Wachstums gesehen. Besonders Kalzium – welches für das Zusammenziehen von Muskeln lebensnotwendig ist – wird in hohem Maße von der Milch geliefert" sagt die Linzer Ernährungswissenschaftlerin Eva Fauma.

Milchprodukte: Loblied und Kritik

Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) rät zum täglichen Milchgenuss, sei es in Form vom Frischgetränk, Joghurt, Butter oder Käse. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) wird noch konkreter: 250 Gramm Milchprodukte am Tag werden für einen Erwachsenen als Richtwert angegeben. Für Kinder liegt die Empfehlung sogar bei 400 Gramm täglich.

Doch in das Loblied auf die Milch mischen sich immer mehr Misstöne: Wer einen Mediziner nach traditioneller Chinesischer Medizin (TCM) konsultiert, erfährt, dass Milch stark befeuchtend, kühlend und nährend wirkt, aber auch verschleimend – und durchaus nicht für jeden Menschen als Nahrungsmittel zu empfehlen ist. Noch weiter gehen manche Gegner: "Zu hoher Konsum von Milchprodukten schwächt die Knochen", sagt Dietmar Hager, Facharzt für Unfallchirurgie und Spezialist in Hand- und Mikrochirurgie in Linz. "Milch und Milchprodukte werden sauer verstoffwechselt und verschleimen den Körper. Der Körper muss die Säure mit knocheneigenen Substanzen neutralisieren. Das Resultat ist Osteoporose. Auch Phosphate aus der Milch verhindern, dass Kalzium in die Knochen gelangt", sagt der Linzer Arzt. Er beobachtet auch, dass sich die Knochenstruktur seiner Patienten, die auf Milch verzichten, deutlich verbessert.

Risiko für Osteoporose?

"Die WHO gibt an, dass in Ländern mit hohem Milchkonsum die Osteoporoserate besonders hoch ist", sagt Hager. Auch andere negative Effekte seien mit Milch assoziiert: "Milchprotein (Casein) wirkt – wenn auch schwach – krebszellfördernd. Der Milchzucker führt in steigender Zahl zu Unverträglichkeiten im Körper. Und milchtrinkende werdende Mütter haben ein statistisch gesichertes erhöhtes Risiko dafür, dass ihre Kinder später Neurodermitis bekommen."

Der Mediziner beruft sich bei seinen Aussagen unter anderem auf eine Studie der Universität Harvard sowie auf die sogenannte China Study von T. Colin Campbell. Bei Letzterer sind die Auswirkungen des Konsums von tierischen Produkten – so auch Milchprodukte – bei etwa einer Milliarde Menschen erforscht und in Tierexperimenten untersucht worden.

Anders sieht das Ernährungswissenschaftlerin Eva Fauma: "Kaum ein Lebensmittel ist so gut aufgestellt für eine schnelle Resorption von Kalzium wie Milchprodukte. Folglich wird Milch auch im Ausdauer- und Spitzensport als Leistungsgetränk empfohlen, aufgewertet mit einer Prise Salz gilt es als bestes Getränk vor und nach einer körperlichen Tätigkeit." Auch als Vitamin-D-Lieferant sei das Lebensmittel bestens geeignet.

Studien für und gegen Milch

"Aus ernährungsphysiologischer Sicht gibt es keinen Grund, Milch nicht zu trinken und auf wertvolle gesäuerte Produkte wie Joghurts, Buttermilch oder Butter und Käse zu verzichten – es sei denn, man leidet an einer echten Milcheiweißallergie", so die leidenschaftliche Milchtrinkerin. Und auch Fauma nennt wissenschaftliche Studien, die allerdings keinen Zusammenhang zwischen Milchkonsum und vermehrten Knochenbrüchen ergeben haben.

Muttermilch ist wertvoll

Einig sind sich Fauma und Hager hingegen beim Thema Muttermilch: "Die ist – anders als Kuhmilch – speziell für die Bedürfnisse von Babys gemacht und sehr nützlich", sagt Hager.

"Die Muttermilch ist mit ihren Immunglobulinen und der leichten Verdaulichkeit von wertvollen Aminosäuren und Fettsäuren für das Neugeborene essentiell", sagt Fauma.

Die offiziellen Positionen

Die Österreichische Gesellschaft für Ernährung empfiehlt drei Portionen Milch und Milchprodukte pro Tag: „Bevorzugen Sie bei Joghurt und Käse fettarme Varianten. Verwenden Sie Schlagobers, Rahm und Butter sparsam.“

Auch auf der Homepage der Deutschen Gesellschaft für Ernährung ist der Tenor ähnlich wie in Österreich. Dort heißt es: „Der regelmäßige Verzehr von Milch und Milchprodukten unterstützt die Knochengesundheit und ist darüber hinaus mit einem verringerten Risiko für Dickdarmkrebs verbunden. Aktuelle Erkenntnisse legen zudem nahe, dass der tägliche Verzehr von einer Portion fermentierter Milchprodukte (ca. 150 g/Tag) wie Joghurt, Kefir oder Buttermilch das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 senken könnte.“

 

Pro & Contra

Pro

Eva Fauma, Ernährungswissenschaftlerin aus Linz

Jeder, dem Milch schmeckt, sollte dieses Grundnahrungsmittel genießen. Es hat den Mitteleuropäer dorthin gebracht, wo wir jetzt sind. Ohne Milchprodukte wären wir bis ins 18. Jahrhundert verhungert. Aus ernährungsphysiologischer Sicht gibt es keinen Grund, Milch nicht zu trinken und wertvolle gesäuerte Produkte wie Joghurts, Buttermilch oder Butter und Käse zu vermeiden – es sei denn man leidet an einer echten Milcheiweißallergie. Bei der Ernährung von uns Mitteleuropäern ist Milch ein wesentlicher Kalziumlieferant, deckt etwa 60 bis 80 Prozent des Tagesbedarfs. Erwachsene benötigen mindestens 1000 Milligramm Kalzium täglich, Jugendliche im Wachstum mehr als 1200 Milligramm. Ich selbst bin eine leidenschaftliche Milchtrinkerin und habe keinerlei Probleme mit Osteoporose.

Contra

Dietmar Hager, Hand- und Mikrochirurg aus Linz

Zu hoher Konsum von Milchprodukten schwächt die Knochen: Durch die Milch übersäuert der Körper und dieser neutralisiert die Säure durch Ausschüttung von knocheneigenen Substanzen. Auch der hohe Phosphatanteil in der Milch verhindert, dass Kalzium vom Knochen gut aufgenommen wird. Die Folge kann Osteopenie (Knochenschwäche) bzw. die Osteoporose (manifester Knochenschwund) sein. Das ist wissenschaftlich erwiesen. Ich persönlich lebe deshalb seit acht Jahren vegan – und habe keinerlei Mangelerscheinungen. Kalzium kann man gut durch Gemüse wie z. B. Staudensellerie zuführen. Ich empfehle meinen Patienten, dass sich nur fünf Prozent ihrer Ernährung aus tierischen Proteinen und Fetten zusammensetzt. Das schließt Milchprodukte ein.

Thema Milch

Ernährungsexpertin Eva Fauma beantwortet Fragen zum Thema Milch:

Ist Milch gut für Kinder?
Hier muss unterschieden werden zwischen dem Getränk Milch und gesüßten Milchprodukten. Letztere sind ungeeignet, andere Milchprodukte sind empfehlenswert.

Was halten Sie von der Länger-haltbar-Milch?
Es gibt keinen Grund, diese Milch nicht zu konsumieren. Bei hoher Hitze wird in sehr kurzer Zeit der größte Anteil an Keimen abgetötet.

Soll man fettreduzierte Milch nehmen?
Wer fettreduzierte Milchprodukte nimmt, verzichtet auf Geschmack – und braucht deshalb oft mehr davon. Dadurch werden im Endeffekt meist keine Kalorien gespart.

Wie steht es mit Milchalternativen?
Getreidedrinks und Hülsenfrüchtealternativen haben ihre Anhängerschaft bei Veganern, Allergikern und Menschen mit Intoleranzen. Geschmacklich sind sie neutral und müssen in der Industrie etwas aufgepeppt werden, damit sie ansatzweise milchähnlich werden. Ernährungsphysiologisch sind sie nicht so wertvoll wie Milch.

Soll man Butter oder Margarine nehmen?
Margarine kann den Geschmack und die Sinneseindrücke von Butter nicht ersetzen. Gehärtete Fette sind zwar haltbar und preisgünstig. Sensorisch lässt sich Margarine aber nicht mit Butter vergleichen.

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23. April 2024