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Gefährliche Nebenwirkungen durch Wehen-auslösende Tablette

Von nachrichten.at/apa   12.Februar 2020

In Deutschland nutzen Geburtsmediziner zur Einleitung der Wehen ein Medikament, das in der Geburtshilfe nicht zugelassen ist. Das könne in Einzelfällen zu schweren Komplikationen bei Mutter und Kind führen - bis hin zum Tod von Babys, berichten die "Süddeutsche Zeitung" und der Bayerische Rundfunk. In Österreich sind bisher keine Nebenwirkungen im Zusammenhang mit Weheneinleitungen gemeldet worden. 

Das teilte die Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) auf APA-Anfrage mit. Angehörige von Gesundheitsberufen und Arzneimittelhersteller sind in Österreich gesetzlich verpflichtet, Nebenwirkungen zu melden. Zugelassen ist der betroffene Wirkstoff Misoprostol hierzulande in den Indikationen "Magenschutz" (für Prophylxe und Therapie von Geschwüren des Magen und Zwölffingerdarms) sowie zum Schwangerschaftsabbruch in Kombination mit der "Abtreibungspille" Mifegyne (Wirkstoff Mifepriston).

Wie auch in Deutschland nicht zugelassen ist der Wirkstoff zur Anwendung bei der Geburt. Diese kann eigenverantwortlich via "off-label"-Anwendung durch den Arzt erfolgen, den damit auch erhöhte Aufklärungspflichten vor einer Anwendung gegenüber der Patientin treffen, informierte die AGES.

Peter Husslein, Vorstand der Wiener Universitätsklinik für Frauenheilkunde, sagte der "Süddeutsche Zeitung", dass das Mittel weitgehend unkontrollierbar ist und es zu wenig Untersuchungen gibt. "Es hat viele mütterliche Todesfälle verursacht", sagte der Experte. Cytotec werde aus Kostengründen verwendet. "In meiner Klinik bekommen Frauen kein Cytotec", betonte Husslein.

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) bestätigte, dass Risiken bekannt seien, wenn das Medikament Cytotec außerhalb des durch die Arzneimittelbehörden zugelassenen Gebrauchs verordnet werde. Die Anwendung werde aber unter anderem von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) weiter empfohlen.

Cytotec ist in Deutschland als Magenmedikament zugelassen. Im Rahmen ihrer Therapiefreiheit können Ärzte die Pille aber auch als Wehenauslöser einsetzen, wenn ihnen dies angemessen erscheint und eine Schwangere vorher zugestimmt hat. Den Medienberichten zufolge verwendet laut einer bisher unveröffentlichten Umfrage der Universität Lübeck rund die Hälfte der deutschen Kliniken Cytotec.

In Einzelfällen seien nach der Gabe schwere Gehirnschäden wegen einer Sauerstoffunterversorgung des Kindes aufgetreten. In seltenen Fällen sei die Gebärmutter der Frauen gerissen. Mehrere Babys in Deutschland und Frankreich seien laut Gutachten, Fallberichten und Gerichtsurteilen gestorben.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bevorzuge eindeutig den Einsatz von zugelassenen Arzneimitteln gemäß der jeweiligen Zulassungsbedingungen, sagte Sprecher Maik Pommer der Deutschen Presse-Agentur. Denn dafür lägen Daten zur Wirksamkeit und Verträglichkeit vor. Bei anderen Anwendungen sei das häufig nicht der Fall. Die Behörde kann den Einsatz des Mittels in der Geburtsmedizin wegen der Therapiefreiheit der Ärzte aber nicht verbieten.

Neu sind die Zweifel an Cytotec nicht. Auf europäischer Ebene wurde unter Beteiligung des BfArM eine Aktualisierung der Fachinformationen empfohlen. Während eines Bewertungsverfahrens wurde mehrfach über einen Gebärmutterriss berichtet, der in allen Fällen bei Anwendungen außerhalb der Zulassung auftrat. Laut "Süddeutscher Zeitung" und dem Bayerischem Rundfunk warnt die US-Arzneimittelbehörde FDA seit Jahren vor der Verwendung der Tabletten zur Einleitung der Wehen, weil es zu Todesfällen kam.

Dem BfArM lagen bis Ende Oktober 2019 insgesamt 74 Verdachtsmeldungen unerwünschter Arzneimittelwirkungen in Zusammenhang mit Cytotec bei der Geburtseinleitung vor, sagte Pommer. Darunter sei ein Todesfall: Ein Neugeborenes sei vier Tage nach der Geburt durch eine Lungenblutung gestorben. Die Mutter hatte Cytotec und ein weiteres Präparat (Misodel) zur Geburtseinleitung erhalten.

Für Angehörige der Heilberufe ist bei solchen Todesfällen allerdings keine Meldepflicht nach den Regelungen des Arzneimittelgesetzes vorgesehen. Die Zahlen könnten also auch höher liegen als es dem BfArM bekannt ist. Nach Angaben der Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe gibt es Alternativen zu Cytotec.

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19. April 2024