Asthmasprays mit Cortison: Kein Effekt bei Corona
Spätestens Anfang des Jahres 2021 kam es in manchen Medizinerkreisen und in der Öffentlichkeit zu einem Hype rund um Cortison zum Inhalieren ("Asthmasprays") gegen Covid-19.
Eine aktuelle, nach den härtesten wissenschaftlichen Kriterien durchgeführte US-Studie mit rund 1.400 Probanden beseitigt jetzt endgültig falsche Hoffnungen: Das oft bei entzündlichen Lungenerkrankungen verwendete Fluticason hat keinen positiven Effekt. "Die Wirksamkeit inhalierbarer Glukokortikoide (Cortisonartige Wirkstoffe; Anm.) zur Verringerung der Zeit bis zum Abklingen der Symptome oder zur Verhinderung von Spitalsaufnahmen oder Todesfällen bei ambulanten Covid-19-Patienten mit milder bis moderater Erkrankung ist unklar", schrieben vor kurzem David Boulware von der Universität des US-Staats Minnesota und seine Co-Autoren im "New England Journal of Medicine" (DOI: 10.1056/NEJMoa2209421).
Widersprüchliche Ergebnisse
In der Covid-19-Pandemie seien viele bereits bekannte Arzneimittel auf eine mögliche Wirksamkeit auch bei SARS-CoV-2-Infektionen untersucht worden. Bei den wirksamsten antientzündlichen Arzneimitteln, verschiedenen Cortisonpräparaten, führte das zu widersprüchlichen Ergebnissen. Zwei nicht mit Placebogruppen kontrollierte "offene" (keine Verblindung, wer der Probanden was erhielt, Anm.) Studien mit dem Wirkstoff Budesonid hätten Hinweise auf eine schnellere Erholung und deutliche Trends in Richtung weniger Spitalsaufnahmen und Todesfälle gezeigt. Drei Studien mit Auswahl der Probanden nach dem Zufallsprinzip, zwei davon doppelt verblindet (für alle Beteiligten verdeckte Anwendung von Wirkstoff oder Placebo) mit dem Cortison Ciclesonid hätten hingegen keinen Effekt ergeben.
Keine Empfehlung für Cortison
"Die widersprüchlichen Ergebnisse veranlassten sowohl die Arzneimittelbehörden als auch die Verfasser von Leitlinien dazu, inhalierbares Cortison nicht für eine Behandlung in der Frühphase von Covid-19 zu empfehlen", hieß es in der in Fachkreisen angesehensten Medizinfachzeitschrift der Welt. Trotzdem kam es in den ersten Phasen der Pandemie zu einem zeitweisen Hype rund um die Cortison-Asthmasprays. Sie wurden oft auch gehortet. Es kam zu Engpässen in der Versorgung von Asthmakranken. Österreich verhängte beispielsweise ein Exportverbot für inhalative Cortisonpräparate.
Im Rahmen der Behandlung von schwerkranken Covid-19-Patienten in Spitälern und auf Intensivstationen im Rahmen der Pandemie war hingegen bald klar, dass auch eine antientzündliche Behandlung mit Cortison eine gewisse positive Wirkung hat. Die Antwort auf die Frage nach einem möglichen Effekt der inhalativen Cortisonsprays gibt jetzt die neue Studie: Insgesamt wurden 1.407 Probanden in 91 Zentren in den USA aufgenommen. Sie hatten alle eine per PCR bestätigte SARS-CoV-2-Infektion und mindestens zwei typische Symptome der Erkrankung. 715 der Probanden erhielten einen echten Fluticason-Spray, den sie einmal täglich über 14 Tage hinweg verwenden sollten, 692 Erkrankte bekamen einen Placebo-Spray. Die Auswahl erfolgte per Zufall, niemand wusste, wer was wirklich "einnahm".
Kritik von Anfang an
Ausgewertet werden konnten die Daten von 656 Patienten, welche den echten Asthmaspray verwendet hatten und von 621 Personen aus der Placebo-Gruppe. Die Ergebnisse sprechen eindeutig gegen eine Wirksamkeit von von Cortison. Die Wissenschafter: "Es gab keinen Hinweis, dass Fluticason schneller zu einer Erholung (mindestens drei Tage ohne Symptome; Anm.) führte. 24 Teilnehmer aus der Fluticason-Gruppe (3,7 Prozent) suchten eine Notfallaufnahme auf oder wurden hospitalisiert, hingegen 13 Probanden aus der Placebo-Gruppe (2,1 Prozent)." Länger im Spital waren jeweils drei Patienten, es gab keine Todesfälle.
Die ersten Vermutungen, die für einen eventuellen Nutzen von Cortison (Budesonid) zum Inhalieren gesprochen hatten, waren von österreichischen Experten von Anfang an sehr kritisch gesehen worden. "Es gibt also keinen einzigen klaren Hinweis, dass die Behandlung etwas gebracht hat und dass sie mittlere oder schwere Verläufe reduziert", sagte Ende April 2021 beispielsweise der Pneumologe Marco Idzko von der MedUni Wien (AKH). Die US-Studie ist durchaus aussagekräftig für die gegenwärtige Situation: Sie wurde nämlich bereits in Zeiten der Covid-19-Impfung und der neueren SARS-CoV-2-Varianten Delta und Omikron durchgeführt.