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Zu laut, zu grell, zu anstrengend

Von Ulrike Griessl   24.November 2014

Straßenbahnfahren ist für Michael M. mit extremem Stress verbunden. Das Stimmengewirr ist ihm viel zu laut, außerdem kann er es nicht lassen, die anderen Fahrgäste ständig einzuordnen: Woher kommen sie? Wohin fahren sie? Starrt mich die Frau gegenüber an? All diese Fragen schwirren M. durch den Kopf, sobald er in die Straßenbahn einsteigt. "Innerhalb kürzester Zeit bin völlig fertig", erzählt der 35-jährige Linzer.

Auch seinen beruflichen Alltag als Bürokaufmann empfindet M. oft als Herausforderung. Wenn sich zu viele Akten auf seinem Schreibtisch stapeln, fühlt er sich schneller überfordert als seine Kollegen. "Erst wenn ich mir einen Plan gemacht habe, wann ich was erledige, geht es mir besser und ich kann beginnen, den Stapel abzuarbeiten", erzählt M. Seine Kollegen würden ihn trotz seiner Nervosität, die er manchmal verbreite, schätzen, denn er sei dafür bekannt, seine Arbeit akribisch genau zu erledigen.

Die Tatsache, dass den Linzer Alltagssituationen derartig stressen, hat M. viele Jahre Kopfzerbrechen bereitet. "Ich wusste nur, irgendetwas ist bei mir anders", sagt der zweifache Familienvater. Erst als er eine Zeitschrift in die Hand bekam, in der ein Artikel über das Phänomen "Hochsensibilität" stand, war ihm klar, dass dies auch sein Problem war.

"Vielen Betroffenen geht es wie diesem Linzer", sagt Ronald Lengyel, Organisationsberater und Resilienz-Trainer aus Traun. Meist könnten hochsensible Menschen ihr Handicap erst dann akzeptieren, wenn sie erfahren, warum sie mit Umweltreizen schlechter umgehen als die meisten anderen. Um Betroffenen zu helfen, veranstaltet Roland Lengyel im Auftrag des Vereins "Zart besaitet" Vorträge zu diesem Thema. "Darin erkläre ich unter anderem, dass Hochsensibilität auch Vorteile hat", sagt der Coach. So seien Betroffene oft sehr kreativ, integrativ und an ethischen Fragen besonders interessiert.

Erstmals beschrieben hat das Phänomen der Hochsensibilität die US-amerikanische Psychologin Elaine Aron 1997, Forschungen zu diesem Thema gibt es seit den 1970er Jahren.

Hochsensiblen fehlt ein Filter

Laut Aron verarbeiten hochsensible Personen Informationen anders als die meisten anderen Menschen. Ihnen fehlt ein Filter, der es ihnen ermöglicht, Umweltreize nach Relevanz einzuordnen und Unwichtiges links liegenzulassen. Sie nehmen nahezu alle Sinnesreize aus ihrer Umwelt mit gleicher Intensität wahr und sind daher sehr schnell überfordert. Belebte Orte sind für diese Personen kaum erträglich. Viele hochsensible Menschen reagieren auf Lärm, Licht, Kälte oder Hitze überempfindlich. Andere können sich besonders gut in Mitmenschen einfühlen. Aron schätzt, dass 15 Prozent der Menschen hochsensibel sind.

"Betroffene sind aber keinesfalls krank, sie müssen nur lernen, mit ihrer besonderen Sensibilität umzugehen", betont der Trauner Coach Lengyel. Für diese Menschen sei beispielsweise eine ruhige, reizarme Umgebung wichtig. Außerdem müssten sie herausfinden, welche Situationen sie vermeiden sollten, um in Balance bleiben zu können.

Den Psychiater Anton Tölk erinnert das Phänomen der Hochsensibilität an Neurasthenie (Nervenschwäche). Auch hier sei das Hauptsymptom Erschöpfung, die durch geringe Belastbarkeit durch äußere Reize verursacht werde. Betroffene können sich nie richtig entspannen und leiden an Ängstlichkeit, Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen. Tölk warnt davor, Hochsensibilität als neue Volkskrankheit zu betrachten. "Nicht jeder Unzufriedene ist gleich hochsensibel."

Weitere Informationen und Termine für Vortragsabende zum Thema "Hochsensibel" finden Sie auf der Homepage www.zartbesaitet.net

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25. April 2024